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Arzneimittel und Therapie
Anti-TNF-Therapie erhöht Risiko für Gürtelrose
Das bestätigt jetzt eine Auswertung des British Society for Rheumatology Biologics Register. Dabei wurden die Daten von 11.864 Patienten mit rheumatoider Arthritis unter einer Anti-TNF-Therapie verglichen mit denen von 3666 Arthritis-Patienten, die mit konventionellen Basismedikamenten (Disease modifying antirheumatic drugs (DMARD)) wie Methotrexat, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin, Chloroquin, Ciclosporin A oder Leflunomid behandelt worden waren. In der Anti-TNF-Gruppe traten im Zeitraum zwischen Oktober 2001 bis Ende 2009 322 Herpes-Zoster-Infektionen auf, in der DMARD-Gruppe 46. Unter TNF-alpha-Blockade waren die Infektionen nicht nur häufiger, sie verliefen auch schwerer: die Patienten mussten öfters ins Krankenhaus eingewiesen werden, benötigten häufiger eine intravenöse antivirale Therapie oder wiesen Erkrankungen in mehreren Dermatomen auf (Dermatome sind Hautgebiete, die von einem Spinalnerven und seinem Ganglion versorgt werden).
Zoster-ImpfstoffMit steigendem Alter nimmt die T-Zell-vermittelte Immunität gegen das Varizella-Zoster-Virus ab, die Wahrscheinlichkeit, dass die mit einer Windpockeninfektion eingeschleusten Varizella-Zoster-Viren wieder reaktiviert werden und die gefürchtete Gürtelrose auslösen, steigt. Ziel einer Impfung muss daher die Stärkung der T-Zell-vermittelten Immunität sein. Mit einem Varizellen-Impfstoff, wie er zur Impfung gegen Windpocken eingesetzt wird, ist dies nicht möglich. Die Boosterung bei älteren Menschen gelingt allerdings mit einer Vakzine, die 14-mal mehr vermehrungsfähige Varizella-Zoster-Viren enthält wie der nomale Impfstoff gegen Windpocken. Eine solche Vakzine wurde von Merck Sharp & Dohme in den USA entwickelt. Es handelt sich dabei bislang um den einzigen zugelassenen Zoster-Impfstoff. |
Darüber hinaus erkrankten in der Anti-TNF-Gruppe zwölf Patienten an Windpocken, also der Varizella-Zoster-Virus-Primärinfektion, in der DMARD-Gruppe war niemand davon betroffen (s. Tab.). Aus den Daten errechnen die Autoren ein zweifach erhöhtes Risiko für den Ausbruch einer Gürtelrose unter einer Anti-TNF-Therapie. Sie raten daher zu einer Impfung gegen Varizella-Zoster-Virusinfektion vor Beginn einer Therapie mit einem TNF-Blocker. In den USA, Kanada und Australien ist ein entsprechender Impfstoff der Firma Merck im Handel, in der EU ist er zwar auch zugelassen, steht allerdings aufgrund begrenzter Produktionskapazitäten nicht zur Verfügung (s. Interview).
Quelle Moseley A, et al.: Varicella Zoster Virus Infections Are Increased in Patients with Rheumatoid Arthritis Treated with Anti-TNF-Therapy; Results from the British Society for Rheumatology Biologics Register. American College of Rheumatology. Annual Scentific Meeting, Atlanta 2010. Presentation Number 421
du
Windpocken- und Gürtelrose-Erkrankungen unter DMARD- und Anti-TNF-Therapie [nach Moseley A, et al.] | |||||
DMARD |
Anti-TNF (alle) |
Etanercept |
Infliximab |
Adalimumab |
|
Patientenzahl |
3666 |
11.864 |
4136 |
3472 |
4256 |
Durchschnittsalter (Jahre) |
60 |
56 |
56 |
56 |
57 |
Female gender (%) |
2648 (72) |
9038 (76) |
3190 (77) |
2624 (76) |
3224 (76) |
Krankheitsdauer, Jahre |
6 (1 – 15) |
11 (6 – 19) |
12 (6 – 19) |
12 (6 – 19) |
10 (5 – 18) |
Steroidtherapie n (%) |
834 (23) |
5243 (44) |
1977 (48) |
1609 (46) |
1657 (39) |
Zoster-Erkrankungen (n) |
46 |
322 |
121 |
103 |
98 |
Zoster-Inzidenz/1000 Personenjahre |
4,0 (3,0, 5,4) |
7,8 (7,0, 8,7) |
6,7 (5,6, 8,0) |
9,8 (8,0, 11,9) |
7,7 (6,2, 9,3) |
Zoster-Erkrankung adjustierte Hazard Ratio (95% KI) |
Ref |
2,2 (1,4, 3,6) |
2,2 (1,3, 3,6) |
2,5 (1,5, 4,0) |
2,1 (1,2, 3,7) |
Windpocken-Erkrankungen (n) |
0 |
12 |
6 |
3 |
3 |
Das lange Warten auf den Impfstoff gegen Gürtelrose
Schon im Sommer 2006 war dem von der US-amerikanischen Firma Merck, Sharp & Dohme entwickelten Zoster-Impfstoff die europäische Zulassung erteilt worden. Im Oktober 2009 wurde er auch in Deutschland unter dem Namen Zostavax® eingeführt, ist aber zur Zeit nicht erhältlich. Über die Hintergründe dazu sprachen wir mit dem Direktor des Instituts für Virologie und Antivirale Therapie des Universitätsklinikums Jena, Prof. Dr. Peter Wutzler.
DAZ: Herr Prof. Wutzler, warum steht der schon so lange angekündigte Zoster-Impfstoff in Deutschland nicht zur Verfügung?
Wutzler: Bei dem zurzeit weltweit einzigen zugelassenen Zoster-Impfstoff handelt es sich um einen in den USA von Merck, Sharp und Dohme entwickelten Lebendimpfstoff. Im Prinzip ist das ein Varizellenimpfstoff, bei dem die Impfviren ca. 14-fach angereichert sind. Dies ist technisch sehr schwierig und führt deshalb zu langen Produktionszeiten. Hinzu kommt, dass die Impfung in den USA, Kanada und Australien sehr gut angenommen wurde. Die bislang vorhandenen Produktionskapazitäten reichen gerade aus, um diese Märkte zu bedienen. Zwischenzeitlich wurden neue Produktionsanlagen gebaut, die auch eine Belieferung des europäischen Marktes durch den Lizenznehmer Sanofi Pasteur MSD garantieren sollen. Doch dies benötigt Zeit. Nach meinen Informationen ist mit dem Impfstoff für den deutschen Markt nicht vor 2012 zu rechnen.
DAZ: Die steigende Zahl älterer Menschen, aber auch Erkrankungen und Behandlungen, die mit einer Immunsuppression einhergehen (s. Bericht) lassen die Forderung nach einem Impfstoff gegen Gürtelrose immer lauter werden. Kann er importiert werden?
Wutzler: Eine Zeit lang bestand die Möglichkeit, ihn über die Schweiz zu beziehen. Das ist inzwischen sehr schwierig geworden. Aus den USA oder Kanada ist ein Import kaum möglich, da dieser Impfstoff in gefrorenem Zustand im Handel ist, was eine lückenlose Kühlkette erfordert. In Deutschland werden die Impfstoffe Kühlschrank-adaptiert eingesetzt. Dies erfordert spezielle Herstellungsverfahren.
DAZ: Das heißt, wir müssen uns gedulden. Wie sieht denn die Erforschung von Alternativen durch andere Impfstoffhersteller aus?
Wutzler: Meines Wissens hat bislang nur GlaxoSmithKline einen weiteren Zoster-Impfstoff in der Entwicklung. Bei diesem Impfstoff handelt es sich um einen rekombinanten Impfstoff. Dies hat den Vorteil, dass der Impfstoff im Gegensatz zur Lebendvakzine auch bei immungeschwächten Patienten eingesetzt werden kann. Vor wenigen Monaten ist mit der Rekrutierung der Testpersonen für die notwendige Phase-III-Studie begonnen worden. Ergebnisse werden frühestens in drei Jahren erwartet, und ein entsprechender Impfstoff wird voraussichtlich nicht vor 2014 erhältlich sein.
DAZ: Herr Professor Wutzler, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Prof. Dr. med. Peter Wutzler, Universitätsklinikum Jena, Institut für Virologie und Antivirale Therapie, Hans-Knöll-Str. 2, 07742 Jena
Interview: Dr. Doris Uhl, Stuttgart
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