Arzneimittel und Therapie

Mobilisierte Blutstammzellen in der Stammzelltransplantation

Blutstammzellen zur allogenen Stammzelltransplantation gewinnen zunehmend an Bedeutung, da die Blutspende im Vergleich zur Knochenmarkspende weniger belastend ist. Um die Bildung geeigneter Zellen beim Spender anzuregen, wird die Hämatopoese mithilfe von Wachstumsfaktoren angeregt.

Die allogene Stammzelltransplantation hat seit rund 30 Jahren ihren festen Platz in der Hämatologie, Onkologie und Transplantationsmedizin. Die dazu erforderlichen Zellen können aus

  • dem Knochenmark
  • dem Nabelschnurblut und
  • dem peripheren Blut

gewonnen werden. Die Gewinnung aus dem Knochenmark erfordert einen ein- bis zweistündigen Eingriff unter Vollnarkose und ist häufig mit Schmerzen an der Entnahmestelle, Wundgefühl und weiteren Nebenwirkungen verbunden. Daher wird zunehmend die Spende von Blutstammzellen bevorzugt, die einfach durchzuführen ist und die im Bedarfsfall auch wiederholt werden kann. Vor der Blutstammzelltransplantation wird die Blutbildung mithilfe von Wachstumsfaktoren stimuliert. Die Gabe von Wachstumsfaktoren kann beim Spender Knochen- und Muskelschmerzen, Fieber, Kopfschmerzen sowie erhöhte Leberwerte hervorrufen. Schwere Nebenwirkungen sind sehr selten. Langzeitbeobachtungen ergaben keinen Hinweis auf ein vermehrtes Auftreten maligner Erkrankungen bei den Spendern durch die wiederholte Gabe von Wachstumsfaktoren.

Informationen

  • Deutsche Knochenmarkspenderdatei; sucht und registriert mögliche Stammzellspender und bietet weiterführende Informationen an www.dkms.de
  • Zentrales Knochenmarkspender-Register Deutschland


 

Hier werden anonymisiert die Daten der registrierten Personen und der suchenden Patienten zusammengeführt: www.zkrd.de

  • Deutsches Register für Stammzelltransplantation www.drst.de
  • Patientenratgeber


 

Nach allogener Knochenmark- und Stammzelltransplantation. Hrsg.: Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe e.V. (DLH). Stand 2008.

Mobilisierung mit Wachstumsfaktoren

Im peripheren Blut zirkulieren bei normaler Hämatopoeseaktivität periphere Progenitorzellen (PBPC). Da ihre Konzentration nicht für eine Transplantation ausreicht, wird mithilfe von Wachstumsfaktoren wie G-CSF (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor; Beispiele siehe Tabelle) die Blutbildung angeregt. Dazu erhält ein geeigneter, gesunder Stammzellspender eine mehrtägige Stimulation der Hämatopoese mithilfe von G-CSF (PBPC-Mobilisation). In der Regel mobilisiert eine Behandlung über fünf Tage hinweg bei rund 80% der Spender genügend Stammzellen für die Transplantation eines erwachsenen Patienten; ein weiterer Tag unter G-CSF-Gabe führt bei annähernd 99% der Spender zu einer ausreichenden Stammzellbildung. Die Stammzellzahl mobilisierter Blutstammzellen lässt sich anhand des Gehaltes an CD34-positiven Zellen abschätzen. Das Oberflächenantigen CD34 findet sich ausschließlich auf frühen Vorläuferzellen der Hämatopoese und geht im Laufe der Reifung verloren. Die mobilisierten Blutstammzellen werden mithilfe eines Blutzellseparators aus dem Blut abgetrennt und konzentriert (Leukapherese). Die Transplantation der Stammzellen erfolgt wie eine Bluttransfusion über einen zentralen Venenkatheter.

Charakteristika mobilisierter Blutstammzellen

Mobilisierte Blutstammzellen enthalten wesentlich mehr T-Zellen als das Knochenmark, was theoretisch ein häufigeres Auftreten einer akuten Graft-versus-Host-Reaktion (GVHR) befürchten lässt. Diese Abwehrreaktion wird durch T-Helfer-Zellen vom Typ 1 (TH1-Zellen) verursacht, die proinflammatorische Zytokine produzieren und akute Entzündungsreaktionen auslösen. Es hat sich aber gezeigt, dass Häufigkeit und Schwere akuter GVHR nach einer G-CSF-Behandlung nicht häufiger oder ausgeprägter sind als nach einer Knochenmarktransplantation.

Indikationen zur allogenen Transplantation


 

Bei malignen Erkrankungen werden allogene Stammzelltransplantationen vor allem bei Lymphomen und Leukämien durchgeführt. Bei soliden Tumoren spielen sie außerhalb von Studien derzeit keine Rolle.

  • akute myeloische Leukämie
  • myelodysplastisches Syndrom
  • akute lymphatische Leukämie
  • chronisch lymphatische Leukämie
  • chronisch myeloische Leukämie
  • Lymphome (Plasmozytom, follikuläres Lymphom, Mantelzell-Lymphom, hochmalignes Non-Hodgkin-Lymphom, Morbus Hodgkin)

Folgende Mechanismen scheinen dabei eine Rolle zu spielen: Durch die Mobilisierung werden auch vermehrt T-Helfer-Zellen vom Typ 2 (TH2-Zellen) gebildet, die die Antikörperproduktion von B-Zellen unterstützen und zu keinen Graft-versus-Host-Reaktionen führen ("Umschaltung" von Typ 1 auf Typ 2). Ferner werden durch die G-CSF-Gabe Monozyten aktiviert, die wiederum T-Zellen hemmen. Schließlich kommt es durch die Mobilisierung zur Generierung regulatorischer T-Zellen.

Vorteile der Blutstammzelltransplantation

Im Vergleich zu einer Knochenmarktransplantation kommt es bei der Blutstammzellübertragung zu einer schnelleren Erholung der Blutbildung (rund 14 Tage früher). Dies scheint auf den hohen Gehalt an T-Zellen zurückzuführen sein, die die Regeneration der Hämatopoese fördern, aber auch die Immunabwehr des Empfängers supprimieren können. Die etwas häufiger auftretenden chronischen Graft-versus-Host-Reaktionen können bei bestimmten Krankheiten von Vorteil sein. So etwa bei der Leukämie, wenn eine chronische Reaktion gegen überlebende Leukämiezellen stattfindet (Graft-versus-Leukämie-Effekt; man versteht darunter eine immunologische Reaktion von Spenderlymphozyten im Transplantat gegen die maligne Erkrankung). Bei nicht malignen Erkrankungen wie beispielsweise der schweren aplastischen Anämie sind etwaige chronische Graft-versus-Host-Reaktionen eher nachteilig.

Quelle Prof. Dr. Hans-Jochem Kolb: "Die Rolle mobilisierter Blutstammzellen in der allogenen Stammzelltransplantation"; Satellitensymposium "Ratiograstim® for PBPC mobilisation" , Berlin, 1. Oktober 2010, veranstaltet von der ratiopharm GmbH, Ulm. Schmoll, H.-J., Höffken K. und Possinger, K. (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie. 3 Bde., 4. Aufl., Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York (2005). Hiddemann, W.; Bartram, C. (Hrsg.): Die Onkologie. Springer Verlag (2010).

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

G-CSF-Präparate zur Mobilisierung peripherer Blutstammzellen

Präparat
Hersteller
Wirkstoff
Gewinnung
Ratiograstim®
ratiopharm
Filgrastim
rekombinante DNA-Technologie in E. coli
Filgrastim® Hexal
Hexal
Filgrastim
rekombinante DNA-Technologie in E. coli
Biograstim®
CT-Arzneimittel
Filgrastim
rekombinante DNA-Technologie in E. coli
Nivestim™
Hospira
Filgrastim
rekombinante DNA-Technologie in E. coli
Neupogen®
Amgen
Filgrastim
rekombinante DNA-Technologie in E. coli
Neulasta®
Amgen
Pegfilgrastim
rekombinante DNA-Technologie in E. coli und nachfolgende Konjugation mit PEG
Granocyte®
Chugai
Lenograstim
rekombinante DNA-Technologie in Ovarialzellen des chinesischen Hamsters

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