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Präventionskongress
Die Zigarette ist meist die Einstiegsdroge
Privatdozent Dr. Norbert Wodarz, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg und tätig für die Bayerische Akademie für Sucht und Gesundheitsfragen, gab einen Überblick über das Konsumverhalten Jugendlicher in Bayern. "Bier ist kein Alkohol" – diese Einschätzung ist laut Wodarz in Bayern weit verbreitet. Dabei ist Bier das bei männlichen Jugendlichen am meisten konsumierte alkoholische Getränk. Doch auch die Mädchen stehen hinter den Jungen beim Alkoholtrinken nur geringfügig zurück. Sie greifen bekanntlich gerne zu Alkopops sowie Bier- bzw. Weinmischgetränken. Zwar sei der Verkauf von Alkopops durch gesetzliche Maßnahmen rückläufig, dafür habe es jedoch laut Statistik Steigerungen bei anderen alkoholischen Getränken gegeben. "Isolierte Maßnahmen bringen nichts", so der Kommentar von Wodarz. Das "Komasaufen" ist auch kaum noch eine Frage des Geschlechts. Die Zahl der Klinikeinweisungen aufgrund einer Alkoholintoxikation ist in den letzten Jahren deutschlandweit dramatisch angestiegen. Nur in Bayern wurden im Jahr 2008 allein 2930 Jungen aufgrund einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. Bei einer Befragung, wie einfach es für unter 16-Jährige sei, sich Alkohol zu besorgen (obwohl die Abgabe an Jugendliche dieser Altersgruppe nicht erlaubt ist), antworteten mehr als 50 Prozent, es sei für sie "leicht bis sehr leicht" an Alkohol zu kommen. Jeder dritte bayerische Schüler hat nach eigenen Angaben Erfahrungen mit "Rauschtrinken". Wodarz zog das Fazit: Das Konsummuster Jugendlicher in Sachen Alkohol ist äußerst riskant!
"Einstiegsdroge" für den Alkoholkonsum ist ganz häufig die Zigarette. Und die erste Zigarette rauchen Kinder heute durchschnittlich mit 12 Jahren. Kleine Lichtblicke sind zu verzeichnen: In den letzten fünf Jahren – seit es an den bayerischen Schulen ein Rauchverbot gibt – ist der Zigarettenkonsum bei Schülerinnen und Schülern um zehn Prozent zurückgegangen. Dennoch haben 15- bis 16-Jährige heutzutage fast alle "Erfahrungen mit dem Rauchen" gesammelt. Nach eigenen Angaben würden mehr als ein Drittel der 15- bis 16-Jährigen in Bayern täglich rauchen und mehr als die Hälfte der täglichen Raucher erfüllen, so Wodarz, die Kriterien der Sucht. Klar erkennbar ist gerade beim Rauchen ein Zusammenhang mit dem sozialen Status: Je höher der Sozialstatus, umso geringer der Zigarettenkonsum.
Nur eine vergleichsweise geringe Rolle spielen bei bayerischen Jugendlichen andere Drogen. Am häufigsten wird noch mit rauscherzeugenden Pilzen und Pflanzen experimentiert, so die Erfahrung von Wodarz. Leicht steigend ist der Fehlgebrauch von Medikamenten, vor allem angeregt durch Erfahrungsberichte im Internet.
Umbauprozesse im jugendlichen Gehirn
Nach neuesten neurobiologischen Erkenntnissen führt ein sehr früher Einstieg in den Alkohol- und Tabakkonsum zu dramatischen Veränderungen im jugendlichen Gehirn und erzeugt eine besonders starke Abhängigkeit. In der Pubertät finden im Gehirn wichtige Nachreifungsprozesse statt, bei denen zahlreiche Synapsen neu verknüpft werden. Alle aktiven Verschaltungen in diesem Altersabschnitt prägen sich sehr viel tiefer ein als beim Erwachsenen. Bekanntlich wirken drogenspezifische Effekte auf das im Großhirn angesiedelte Belohnungssystem ein. Es werden neue neuronale Reize gesetzt und es bildet sich ein assoziatives Erinnerungssystem heraus. Wird dieses Erinnerungssystem aktiviert (durch ein bestimmtes "Setting", also ein Umfeld, in dem der ursprüngliche Reiz gesetzt wurde), taucht aus den Tiefen des Gehirns ein unkontrollierbares Verlangen nach dem ursprünglichen Suchtmittel auf. Es wird ein stereotyp ablaufendes Verhaltensmuster ausgelöst, das so gut wie nicht gesteuert werden kann. Damit ist die Grundlage für die Sucht gelegt. Untersuchungen belegen, dass Raucher, die früh mit dem Rauchen begonnen haben, am meisten Probleme mit einem Ausstieg aus der Nicotinsucht haben und dass jedem zehnten jugendlichen Alkoholkonsumenten später eine Alkoholabhängigkeit droht. (Zum Vergleich: In der aktuellen erwachsenen Gesamtbevölkerung ist heute "nur" jeder 35. alkoholabhängig.)
Wodarz sprach sich auch aus diesen neurobiologischen Gründen dafür aus, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssten, den Einstieg in den Konsum von Alkohol und Tabak bei jungen Menschen möglichst hinauszuzögern.
Was ist an Schulen machbar?
Über Erfahrungen mit suchtpräventiven Maßnahmen an Schulen sprach Apothekerin Christiane Fahrmbacher-Lutz aus Augsburg, die sich in der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen engagiert und für diese Institution warb. "Nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf, jeder kann sich in unsere Arbeitsgruppen einbringen", sagte Fahrmbacher-Lutz. Nach einer entsprechenden Schulung und Vorbereitung sind ihrer Erfahrung nach Apotheker sehr gut geeignet, um spezifisches Fachwissen an Schulen lebendig und anschaulich darzustellen. In einem "Netzwerk Suchtprävention", wie es die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen darstellt, können Apotheker wichtige Aufgaben wahrnehmen, die dazu beitragen, die schädlichen Folgen des Konsums legaler und illegaler Drogen zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Fahrmbacher-Lutz betonte, dass alleinige Informationsvermittlung bei Schülerinnen und Schülern keinen Effekt zeige, vielmehr müssen interaktive Maßnahmen zum Einsatz kommen. Es muss darum gehen, den Jugendlichen Alternativen zum Konsum aufzuzeigen (Wie lassen sich positive Gefühle auf andere Weise erzeugen?) und sie stark genug zu machen, um bei Versuchungen "nein" zu sagen.
Suchtexperten haben genau für diesen Zweck eine Unterrichtseinheit entwickelt, die im Original, live und ungekürzt, beim WIPIG-Kongress in München vorgestellt wurde. Insbesondere werden in diesem Vortrag Fragen angesprochen, die im Zusammenhang mit dem Konsum illegaler Drogen stehen. Informationen erhalten Interessierte über das WIPIG oder unter www.bas-muenchen.de, der Homepage der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS Unternehmergesellschaft mbH.
rb
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