Arzneimittel und Therapie

Keine erhöhte Missbildungsrate nach Virustatika

Nach den Ergebnissen einer dänischen Studie besteht kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko für Neugeborene, deren Mütter wegen einer Herpes-Infektion im ersten Schwangerschaftsdrittel mit Aciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir behandelt wurden. Für eine abschließende Bewertung der Teratogenität dieser Substanzen reichen die Daten jedoch noch nicht aus.

Herpes-simplex- und Herpes-zoster-Infektionen treten bei jungen Erwachsenen relativ häufig auf. Beispielsweise sind nach Erhebungen aus den USA und Großbritannien 22 Prozent der Schwangeren seropositiv für das Herpes-simplex-Virus. Es besteht daher die Möglichkeit, dass Frauen zu einem Zeitpunkt mit Virustatika behandelt werden, an dem sie ihre Schwangerschaft noch nicht bemerkt haben. Dies betrifft nicht nur die orale oder parenterale Anwendung bei schweren Infektionen, sondern auch den Einsatz von Aciclovir bzw. Penciclovir in der Selbstmedikation bei Lippenherpes.

Datenlage zu gering

Zur Sicherheit der Anwendung der drei Virustatika in der Schwangerschaft liegen zurzeit noch keine ausreichenden Daten vor. Aciclovir war im Tierversuch in der Frühschwangerschaft in höheren Dosen teratogen; bei den Nachkommen traten Anophthalmie und Nierenläsionen auf. Bei Famciclovir (dem Prodrug von Penciclovir) wurden im Tierversuch karzinogene, jedoch keine embryotoxischen oder teratogenen Wirkungen beobachtet. Valaciclovir ist ein Aciclovir-Prodrug.

Große Kohortenstudie in Dänemark

Mithilfe des Nationalen Geburtenregisters wurden im Rahmen einer Kohortenstudie die Daten von 837.795 in Dänemark im Zeitraum Januar 1996 bis September 2008 geborenen Kindern analysiert. Die persönlichen Identifikationsnummer, die jeder Einwohner des Landes besitzt, ermöglichte es, zu den Müttern der Neugeborenen Virustatika-Verordnungsdaten aus dem seit 1995 etablierten Nationalen Verschreibungsregister (Prescription Drug Register) zu erhalten. Diese Datenbank sammelt auf Basis der Identifikationsnummer die Daten aller in Dänemark belieferten Rezepte (Datum der Belieferung, ATC-Code; Zahl der Packungen und Packungsgröße, Zahl der DDD, daily defined doses). Die Zahl der Missbildungen wurde durch eine weitere Datenbank, das Nationale Patientenregister (National Patient Register, NRP) ermittelt.

1804 Schwangere waren im ersten Trimenon mit einem der drei Virustatika behandelt worden, bei 40 Kindern (2,2%) diagnostizierte man einen Geburtsschaden innerhalb des ersten Lebensjahres. Bei den nicht exponierten Müttern lag diese Rate bei 2,4% (n = 19.920, adjustierte Prävalenz-Odds-Ratio, POR 0,89, 95% KI 0,65 – 1,22). Aufgeschlüsselt nach den drei Substanzen betrug die Fehlbildungsrate

  • unter Aciclovir 2,0% (32 von 1561 Neugeborenen)
  • unter Valaciclovir 3,1% (7 von 229 Neugeborenen)
  • unter Famciclovir 3,8% (1 von 26 Neugeborenen).

Diese Daten zeigen, dass eine Exposition mit einer der drei Substanzen im ersten Trimenon nicht mit einer erhöhten Rate an Geburtsdefekten assoziiert war. Neben der oralen Anwendung wurde auch der Einsatz von Aciclovir und Penciclovir in dermatologischen Zubereitungen in die Auswertung einbezogen. Auch hier fand sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Exposition und dem Risiko von Fehlbildungen.

Limitationen der Studie

Die Autoren der Studie verweisen darauf, dass für Valaciclovir und Famciclovir sowie auch für die lokale Therapie mit Penciclovir die Zahl der Behandelten zu gering war, um sichere Aussagen zur Teratogenität treffen zu können. Daher müssten diese Daten mit Zurückhaltung interpretiert werden – insbesondere die zu Famciclovir, mit dem im Studienzeitraum nur 26 Schwangere behandelt worden waren. Auch die Valaciclovir-Ergebnisse basierten nur auf einem begrenzten Datenumfang; daher kann nach Meinung der Autoren nur die Aussage getroffen werden, dass die Substanz nicht zu den Haupt-Teratogenen beim Menschen zählt. Eine weitere Einschränkung erfährt die Studie dadurch, dass Aborte – spontan oder geplant – nicht erfasst wurden. Es könnte daher sein, dass Substanzwirkungen, die die Abortrate erhöht haben, nicht detektiert wurden. Des Weiteren erfasste man nur die Daten der eingelösten Rezepte. Ob die verordneten Medikamente tatsächlich eingenommen wurden, war unbekannt. Auch der Folsäurestatus der Schwangeren wurde nicht ermittelt. Kommentatoren der Studie verwiesen darauf, dass die Studie die wichtige Frage, ob Aciclovir ein humanes Teratogen ist, nicht beantworten konnte. Für eine abschließende Bewertung müssen daher weitere Untersuchungen folgen.

Herpescreme in Schwangerschaft und Stillzeit

In den Fachinformationen von Lippenherpescremes mit den Wirkstoffen Aciclovir und Penciclovir findet sich ebenfalls der Hinweis, dass die Erfahrungen über eine orale Anwendung der Wirkstoffe in der Schwangerschaft begrenzt sind. Die Wirkstoffe sollten daher in der Schwangerschaft nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden. Nach topischer Applikation auf die gesunde Haut ist Aciclovir kaum systemisch verfügbar. Daher wird die Dosis, die ein Säugling durch das Stillen aufnehmen würde, als gering bis vernachlässigbar eingeschätzt. Wenn Aciclovir während der Stillzeit angewendet wird, sollte ein Kontakt des gestillten Kindes mit den behandelten Körperstellen vermieden werden.

Quelle Pasternak, B. Hviid, A.: Use of acyclovir, valcyclovir, and amciclovir in the first trisemester of pregnancy and the risk of birth defects. JAMA, 304(8): 859 – 866 (2010). Mills, JL, Carter, TC: Acyclovir exposure and birth defects: an important advance, but more are needed. JAMA, 304(8): 905 – 906 (2010). Friese, K. et al.: Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit. WVG Stuttgart (2009).

 


 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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