Arzneimittel und Therapie

Therapie ist abhängig vom individuellen Leidensdruck

Patienten mit Restless-legs-Syndrom berichten von einem quälenden Bewegungsdrang, der erholsamen Schlaf unmöglich macht. Bei starker Beeinträchtigung der Lebensqualität stehen verschiedene Medikamente zur Linderung der Symptome zur Verfügung. Vor allem kommen dopaminerge Substanzen zum Einsatz.
Syndrom der ruhelosen Beine Die Symptome werden oft fehlinterpretiert und es kann Jahre dauern, bis die Erkrankung richtig diagnostiziert wird. Das Restless-legs-Syndrom kann in unterschiedlich starken Ausprägungen auftreten und in seinem Verlauf erheblich variieren.
Foto: Roche Pharma AG

Das "Syndrom der ruhelosen Beine" (Restless-legs-Syndrom, RLS) ist eine neurologische Erkrankung, die in jedem Lebensalter, gehäuft aber mit zunehmendem Alter auftritt. Vornehmlich sind Frauen betroffen, wobei zwei Erkrankungsgipfel mit ca. 30 und ca. 60 Jahren zu beobachten sind. Man geht davon aus, dass bis zu 10% der deutschen Bevölkerung darunter leiden – allerdings kennen viele die Diagnose nicht. Dabei handelt es sich nicht um eine neu entdeckte Krankheit. Das Restless-legs-Syndrom wurde schon im 17. Jahrhundert in medizinischen Berichten erwähnt und in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts ausführlich von dem schwedischen Neurologen Karl Axel Ekbom beschrieben und als neurologische Krankheit erkannt. Dennoch ist die Bevölkerung heutzutage schlecht über das Syndrom der ruhelosen Beine aufgeklärt. Symptome werden oft fehlinterpretiert und es kann mitunter Jahre dauern, bis die Erkrankung des Nervensystems richtig diagnostiziert wird.

Ruhelose Nächte

Das Restless-legs-Syndrom kann in unterschiedlich starken Ausprägungen auftreten und in seinem Verlauf erheblich variieren. Die Diagnose RLS wird anhand der klinischen Symptome gestellt, wobei vier essenzielle Kriterien erfüllt sein müssen: Es besteht ein unnatürlicher Bewegungsdrang in den Beinen, der mit Missempfindungen wie Kribbeln, Ziehen oder Schmerzen verbunden ist. Dabei tritt die Symptomatik ausschließlich in Ruhe und Entspannung auf und wird bei Bewegung gebessert. Zudem ist eine zirkadiane Rhythmik zu beobachten, bei der die Beschwerden am Abend oder in der Nacht zunehmen. Als Folge stellen sich Ein- und Durchschlafstörungen ein, die tagsüber in Erschöpfung und Müdigkeit resultieren. Die Lebensqualität kann durch ein unbehandeltes Restless-legs-Syndrom derart eingeschränkt sein, dass sich Isolation von der Gesellschaft und Depression als Spätfolge manifestieren können.

Progredienter Verlauf

Das Restless-legs-Syndrom ist eine chronische, langsam fortschreitende Krankheit. Die Beschwerden beginnen meist im dritten Lebensjahrzehnt und sind zu Anfang nur gering ausgeprägt und es treten symptomfreie Intervalle von mehreren Wochen oder Monaten auf. Allmählich quälen die Beschwerden die Betroffenen immer häufiger und gewinnen zudem an Intensität, so dass die Patienten häufig zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr therapiebedürftig werden.

Die Suche nach den Ursachen

Die genauen Ursachen sind immer noch nicht vollständig erforscht. Bei der idiopathischen Form werden Störungen im Transmitterstoffwechsel des Gehirns vermutet, im Speziellen des dopaminergen Systems. Zudem gibt es klinische Hinweise auf einen veränderten Eisenstoffwechsel. Man geht von einer Fehlverteilung von Eisen in bestimmten Gehirnarealen aus. So finden sich bei normalen Serumspiegeln erniedrigte Ferritin-Konzentrationen im Liquor von RLS-Patienten. Die Forschung verfolgt auch genetische Aspekte, da man bei 60% der RLS-Patienten eine familiäre Häufung vorfindet. Inzwischen wurden vier RLS-Gene identifiziert. Träger von Risiko-Sequenzvarianten in diesen Genen haben ein 50% erhöhtes Risiko an RLS zu erkranken. Dabei müssen aber noch weitere bislang nicht erkannte Faktoren hinzukommen, damit sich ein Restless-legs-Syndrom entwickelt. Der vermutliche Vererbungsweg ist autosomal-dominant.

Bei einem anderen, kleineren Teil der Betroffenen treten die Beschwerden als sekundäres Restless-legs-Syndrom aufgrund von Krankheiten wie einer Urämie oder neurologischen Erkrankungen (z. B. Polyneuropathien, Myelopathien, multipler Sklerose, M. Parkinson), während einer Schwangerschaft, im Rahmen eines Eisendefizits oder pharmakogen indiziert (z. B. bei dopamin-antagonistisch wirkenden Substanzen) auf.

Grundsätzliches zur Therapie

Die Indikation zur Therapie ist abhängig vom individuellen Leidensdruck. Man geht davon aus, dass in Deutschland etwa 2% von einem behandlungsbedingten RLS betroffen sind. Diese Patienten sind durch die Symptome so beeinträchtigt, dass sie sich in ihrer Lebensqualität erheblich eingeschränkt fühlen und eine medikamentöse Behandlung wünschen.

Regeln für eine gesunde Schlafhygiene


 

  • ruhiger, abgedunkelter, mit Frischluft versorgter und nicht zu warm temperierter Raum (16 bis 18 °C)
  • regelmäßiger Schlafrhythmus, d. h. jeden Tag (auch am Wochenende!) zur gleichen Zeit ins Bett gehen und zu selben Zeit am Morgen aufstehen
  • am Abend kein Alkohol oder stimulierende Getränke
  • nur bei Müdigkeit ins Bett gehen
  • Bett nur zum Schlafen benutzen (Essen, Lesen oder Fernsehen sollte unterbleiben)
  • kein Mittagsschlaf oder Schlaf vorm Fernseher

Ein Restless-legs-Syndrom ist nicht heilbar, außer es handelt sich um die sekundäre Form, bei der durch Therapie der zugrundeliegenden oder begleitenden Erkrankung ein erfolgreicher Rückgang der Symptome erzielt werden kann. Aber auch die idiopathische Form kann mittlerweile gut behandelt werden. Dabei handelt es sich um eine rein symptomatische Therapie. Es werden verschiedene Medikamente verordnet, wobei deren Auswahl und Einsatz von Art und Schwere der Symptomatik abhängt und individuell erfolgt.

Zu Beginn der Erkrankung erhalten die Patienten zumeist lediglich eine Bedarfsmedikation, da sich die Beschwerden nur selten einstellen. Auch kann anfänglich eine prophylaktische Gabe ausreichen, wenn Symptome in bestimmten Situationen wie beispielsweise bei langem Sitzen erwartet werden. Im späteren Krankheitsverlauf werden die Medikamente dann täglich verabreicht. Da die Restless-legs-Symptome mit den Jahren schlimmer werden, wird eine Anpassung der Medikamente und der Dosierung erforderlich.

Therapieoptionen

Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) ist die dopaminerge Therapie die Behandlung der ersten Wahl beim Restless-legs-Syndrom. Neben Levodopa (L-Dopa) in Kombination mit Benserazid (Restex®, Restex® Retardkapseln) sind in Deutschland drei Dopamin-Agonisten für die Therapie des Restless-legs-Syndroms zugelassen. Nach Ropinirol (z. B. Adartrel®) und Pramipexol (Sifrol®) steht seit 2009 Rotigotin in der Darreichungsform eines transdermalen Pflasters (Neupro®) als Behandlungsalternative zur Verfügung.

Bei intermittierendem bis leichtem Restless-legs-Syndrom wird in der Regel L-Dopa verordnet. Die Einnahme erfolgt in der Regel einmal abendlich ca. eine Stunde vor dem Schlafengehen. Auch kommt es zur Behandlung von Symptomspitzen zum Einsatz. Für Patienten mit mittelgradig oder schwerem Restless-legs-Syndrom werden Dopamin-Agonisten rezeptiert. Sie werden einmal täglich zwei Stunden vor dem Zubettgehen in einer deutlich niedrigeren Dosierung als bei Morbus Parkinson eingenommen. So beträgt das Dosierungsspektrum bei Rotigotin beispielsweise bei Restless-legs-Patienten 1 mg/24 bis 3 mg/24 Stunden. Der Vorteil der Pflaster-Therapie liegt in der kontinuierlichen Wirkstoff-Freisetzung, die zu einem stabilen Wirkstoffspiegel im Organismus führt. So kann eine effektive Behandlung der RLS-Beschwerden nicht nur abends und nachts, sondern auch tagsüber erfolgen. Ansonsten muss man von einer ähnlichen Wirksamkeit aller Dopamin-Agonisten ausgehen. Direkte Vergleiche der Medikamente gibt es derzeit noch nicht.

Opiate gelten als Therapie der zweiten Wahl beim Restless-legs-Syndrom. Sie werden bei unzureichendem Ansprechen oder Komplikationen off-label gegeben. Außerdem wird bei niedrig normalen Ferritin-Serumwerten eine Eisensubstitution empfohlen, wobei ein Serum-Ferritin von > 50 ng/ml angestrebt wird.

Problem der Augmentation

Die größte Schwierigkeit der dopaminergen Behandlung ist eine paradoxe Therapieantwort, wobei die Komplikation der Augmentation unter einer L-Dopa-Therapie häufiger als unter der mit Dopamin-Agonisten auftritt. Dabei kommt es unter der Behandlung zu einer anhaltenden Verschlechterung der Symptomatik, wobei eine Erhöhung der Dosierung zu verstärkten Beschwerden führt. Die Symptome treten schon früher am Tage auf, setzen schneller in Ruhe ein, nehmen an Intensität zu und/oder können sich auch auf andere Körperbereiche ausdehnen.

Tritt diese Nebenwirkung auf, muss die Therapie umgestellt werden. Dabei kann eine Änderung in der Dosierung bzw. Verteilung des auslösenden Medikaments erforderlich werden, oder es kommt zum Absetzen und zur Umstellung auf ein anderes Mittel.

Zum Weiterlesen

Mikronährstoffe: Eisen beim Restless legs Syndrom.

DAZ 2010, Nr. 5, S. 104 – 107.

 

 www.deutsche-apotheker-zeitung.de

 

Unterstützende Therapie

Abgesehen von einer medikamentösen Therapie versuchen RLS-Patienten die Symptomatik mit unterstützenden Maßnahmen günstig zu beeinflussen. Neben regelmäßiger körperlicher Bewegung oder dem Einsatz verschiedener individuell unterschiedlich gut ansprechender Entspannungsmaßnahmen hat sich das Einhalten einer gesunden Schlafhygiene als sinnvoll erwiesen.

Quelle Prof. Dr. Daniele Berg, Tübingen; Priv.-Doz. Dr. Ilonka Eisensehr, München: "Restless-Legs-Syndrom: Neue Hilfe gegen ewige Unruhe", Hamburg, 9. Juni 2010, veranstaltet von UCB Pharma GmbH, Monheim. Pressemitteilung der Firma UCB Pharma GmbH "Restless-Legs-Syndrom: Transdermales System als neue Therapieoption in die DGSM-Leitlinie aufgenommen", Februar 2010. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) "Restless-Legs-Syndrom (RLS) und Periodic Limb Movement Disorder (PLMD) www.dgn.org. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) "Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen".


Apothekerin Gode Meyer-Chlond

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