Deutscher Apothekertag 2010

Foto: DAZ/Schelbert

Politische Grußworte. Darin waren sich alle Politiker, die auf dem Apothekertag in München ein Grußwort überbrachten, einig: Die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch inhabergeführte Apotheken ist unbedingt zu erhalten. Einigkeit bestand aber auch darin, dass derzeit kein politisch Verantwortlicher am geforderten Sparbeitrag der Apotheken für das Gesundheitswesen wirklich rütteln will.

Der FDP-Politiker Dr. Wolfgang Heubisch will sich dafür einsetzen, das die Pick-up-Stellen abgeschafft werden. Dieses Verbot müsse noch ins Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz aufgenommen werden.

Stefan Kapferer, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium und ebenfalls von der FDP, ist zwar auch gegen Pick-up-Stellen. Man habe bereits versucht, den im Koalitionsvertrag gefassten Plan umzusetzen, aber Bundesinnen- und Justizministerium intervenierten. Damit sei kein einvernehmlicher Gesetzesbeschluss möglich. Kapferer warb für das Sparpaket der Regierung: 11 Prozent der Summe von 3,5 Milliarden Euro sollen dabei auch Apotheker und Großhändler übernehmen – die Feinjustierung dieses Gesetzes erfolge noch in diesem Monat. Außerdem soll noch in diesem Jahr ein Referentenentwurf für die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung vorgelegt werden.

Johannes Singhammer, CSU, Vize-Fraktionsvorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, wandte sich gegen Angriffe auf die inhabergeführte Apotheke und gegen Pick-up-Stellen. Er wolle keine amerikanischen Verhältnisse. Seine Partei sei auch weiterhin gegen Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken. Und er bekannte sich auch zum Sparziel, das durch das AMNOG gesetzt sei, allerdings solle das Sparziel in einer für die Betroffenen akzeptablen Weise erreicht werden.

Martina Bunge, Bundestagsfraktion Die Linke, bekräftigte, dass ihre Partei sich nach wie vor gegen einen Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausspreche. Damit würde sich auch das Pick-up-Problem lösen. Nicht mittragen wolle ihre Partei die Absicht der Regierung, Krankenkassen in den Status von Wirtschaftsunternehmen zu heben. Die Linke sieht zudem keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen, sondern eine Einnahmeerosion.


Eröffnung der Expopharm. In den Ansprachen, die die Vertreter von Großhandel und Industrieverbänden zur Eröffnung der Expopharm überbrachten, standen das AMNOG und das GKV-Finanzierungsgesetz sowie die Folgen für Apotheken, Pharmagroßhandel und Pharmaindustrie im Mittelpunkt. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH), Hans-Georg Hoffmann, nannte die aktuelle Gesundheitspolitik eine "Reformitis, chronisch-rezidivierend". Das AMNOG bringe neue Unsicherheiten und Belastungen für die Arzneimittelhersteller. Kritik am AMNOG übte auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Henning Fahrenkamp. Das Konzept zur frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln sei "voll daneben". Er forderte klare Regeln und eine international akzeptierte Methodik. Der Vorstandsvorsitzende des Branchenverbands ProGenerika, Wolfgang Späth, erklärte, dass der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung an den Generikaherstellern vorbei gehe. Er rechnet in den nächsten Jahren sogar mit dem Abbau von Arbeitsplätzen.

"Wir sitzen in einem Boot" – so lautete die Botschaft, die der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Fritz Becker, und der Vorsitzende des Großhandelsverbands Phagro, Dr. Thomas Trümper, vermittelten. Das Volumen, mit dem Apotheken und Großhandel durch das AMNOG belastet werden sollen, sei völlig unverhältnismäßig. Und Becker machte klar: Die vom Großhandel geforderte Umstellung der Großhandelsvergütung müsse für die Apotheken einkommensneutral sein, "alles andere ist mit uns nicht zu machen". Trümper warb um Verständnis für die geforderte Umstellung der Großhandelsvergütung. Dies sei eine notwenige Konsequenz des veränderten Arzneimittelmarktes.


Bericht des Hauptgeschäftsführers. Dr. Sebastian Schmitz, ABDA-Geschäftsführer für Wirtschafts- und Vertragsrecht, erstattete den Geschäftsbericht in Vertretung für den erkrankten ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Hans-Jürgen Seitz. Ein wichtiges Anliegen sei der Ausbau der Kommunikation mit den Ärzten. In diesem Zusammenhang verwies Schmitz auf die Gespräche mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über einen kassenübergreifenden Medikationskatalog. Außerdem erwähnte er die nationale Versorgungsleitlinie Asthma, die Qualitätssicherung in der Rezeptur, das QMS-Siegel der Bundesapothekerkammer, Umsetzungshilfen für die Leitlinien zur Qualitätssicherung und den überarbeiteten Leistungskatalog für Beratungs- und Service-Angebote in Apotheken (LeiKa).

Für die Novelle der Apothekenbetriebsordnung sei "in absehbarer Zeit" mit einem formellen Entwurf zu rechnen. Es sei richtig, so Schmitz, Forderungen nach zusätzlichen Leistungen entgegenzutreten, wenn sie nicht angemessen honoriert werden.

Als Maßnahme gegen Arzneimittelfälschungen treibe die ABDA ein Pilotprojekt zur Arzneimittelauthentifizierung in Deutschland voran.

Schmitz stellte ferner heraus, dass intensive Beratung, schnelle Akutversorgung und Distanzlieferungen an den Endverbraucher über zig oder hunderte Kilometer nicht zusammenpassen und trat damit Bestrebungen entgegen, Versorgungsleistungen zu zentralisieren und dabei weite Lieferwege in Kauf zu nehmen.

Was den Kassenabschlag betreffe, werde die ABDA weiter darauf drängen, dass Klagen gegen Schiedsstellenentscheidungen keine aufschiebende Wirkung haben.

Bei Rabattverträgen fehle in vielen Austauschfällen Rechtssicherheit.

Weitere Belastungen seien durch die im AMNOG geplante Änderung der Packungsgrößenverordnung zu befürchten.

Im Rahmen des Apothekertags verabschiedeten die Delegierten eine spontan eingebrachte Resolution, nach der "Pick-up-Stellen aus Gründen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes verboten werden müssen".


Bericht zur Lage. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf widmete sich in seinem Bericht zur Lage den derzeit drängenden Problemen. Zum Thema Verbot von Pick-up-Stellen: Auch aus datenschutzrechtlichen Gründen müsse gegen Pick-up-Stellen, gegen die Ausfransung des Versandhandels vorgegangen werden.

Die geplante Packungsgrößenumstellung sollte aus dem AMNOG gestrichen werden ebenso wie geplante Regelungen zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln.

Er forderte des Weiteren, im Rahmen der aktuellen Gesetzesvorhaben die seit Langem vorliegenden Vorschläge der Apothekerschaft zu einer nachhaltigen Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung zu berücksichtigen. ABDA und KBV haben ein gemeinsames Konzept entwickelt, das eine nachhaltige Lösung für die zukünftige Arzneimittelversorgung für Ärzte, Apotheker, Patienten und Krankenkassen bietet.


Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung. Eine alternde Gesellschaft mit immer mehr multimorbiden Patienten und begrenzten Ressourcen im Gesundheitswesen ist auch eine Herausforderung für die Arzneimittelversorgung. Dass mit einem intelligenten Konzept nicht nur die Arzneimitteltherapie für die Patienten verbessert wird, sondern gleichzeitig auch noch Kosten zu sparen sind, das wollen ABDA und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit ihrem als ABDA/KBV-Konzept bezeichneten Eckpunktepapier zeigen. Für die Umsetzung müssen sie sowohl die Politik als auch die gesetzlichen Krankenkassen gewinnen. Der Arbeitskreis 1 stellte das Konzept vor und tauschte sich dazu aus. Lässt sich dieses Konzept umsetzen, dann werden sich Arzt und Apotheker in Zukunft die Verantwortung für die Arzneimitteltherapiesicherheit und das Medikationsmanagement teilen, wenn der Patient damit einverstanden ist. Ärzte stellen die Diagnose, verordnen die Wirkstoffe und legen Menge, Dauer und die Dosierung fest, der Apotheker wählt anhand der Wirkstoffverordnung im Rahmen eines Garantiepreismodells das geeignete Präparat aus. Zudem erfasst er alle verordneten und im Rahmen der Selbstmedikation angewendeten Medikamente in einer Medikationsdatei, die die Basis für das Medikationsmanagement bildet.


Zukunftsberuf Apotheker. Der demografische Wandel ist ein Dauerthema – und doch dürfte das Ausmaß der anstehenden Veränderungen den meisten Menschen noch nicht bewusst sein. Im Arbeitskreis 2 des Apothekertages zum "Zukunftsberuf Apotheker" wurden die Konsequenzen dieser Entwicklung für die Apotheker betrachtet. In der Diskussion dazu ging es zu einem großen Teil um den drohenden Nachwuchsmangel. So rückten Verbesserungsvorschläge für die Apothekerausbildung – im Studium und im praktischen Jahr – in den Vordergrund. Dabei ging es auch um die nötigen Qualifikationen zur Versorgung der zunehmenden Zahl alter Menschen. Die Apotheker müssten um Nachwuchs kämpfen, die Versorgung in dünn besiedelten Regionen organisieren und klinisch pharmazeutische Dienstleistungen intensivieren. Es sei bereits viel geschehen, um Apotheker auf die künftigen Herausforderungen vorzubereiten, beispielsweise durch mehr Fortbildung zur geriatrischen Pharmazie und die Einführung der Klinischen Pharmazie, hieß es in diesem Arbeitskreis. Die Apotheker müssten dies aber auch nach außen transportieren, um aus der Rechtfertigung gegenüber Versand und Pick up herauszukommen. Gefordert wurde zudem eine bessere Umsetzung der Klinischen Pharmazie. Für die praktische Arbeit mit Patienten in der pharmazeutischen Betreuung sei die Kommunikationsfähigkeit wichtig. Um diese zu vermitteln, sollten die Ausbilder im Dritten Prüfungsabschnitt eine geeignete Qualifikation haben.


Patientenorientierte Arzneimittelversorgung. Die patientenorientierte Arzneimittelversorgung stand im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Diskussion. Einig waren sich die Gesundheitspolitiker aller Parteien darin: Die heilberufliche Kompetenz des Apothekers als Berater soll stärker genutzt werden. Die Zukunftsaufgaben des Apothekers liegen im Medikations- und Versorgungsmanagement. Die Berufspolitiker der Apothekerseite ließen jedoch keine Zweifel aufkommen, dass hierfür die notwendige finanzielle Grundlage vorhanden sein muss. Mit dem geplanten Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) werden die Apotheker allerdings übermäßig zur Kassen gebeten. Der neue Vorschlag der Koalition: 400 Mio. Euro von Großhandel und Apotheke sollen es sein. Diskutiert wurde auch, ob Großhandelsrabatte im Einkaufsbereich überhaupt sinnvoll sind und ob sie nicht gänzlich abzuschaffen seien. Die Wirtschaftlichkeit einer Apotheke dürfe nicht von Rabatten abhängig sein. ABDA-Vize Friedemann Schmidt bot den Politikern an, darüber zu reden, allerdings müsste dann eine Kompensation dieser Größe durch eine Erhöhung der Apothekervergütung von 8,10 Euro erfolgen. Die Apotheker seien bereit, den nächsten Schritt zu gehen: die Abkoppelung der apothekerlichen Leistung vom Produkt. Die Basis des Apothekerberufs liege in Zukunft in der Wissensvermittlung.


Die Anträge des Deutschen Apothekertags 2010 in Stichpunkten

  • Versandhandel. Gesetzgeber und Bundesregierung sollen Regelungen zum Versandhandel überprüfen. Die Abgabe von Arzneimitteln über Pick-up-Stellen ist zu verbieten.

  • ABDA/KBV-Konzept. Die Politik wird aufgefordert, die zwischen ABDA und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) erarbeiteten Grundsätze zur Weiterentwicklung einer patientengerechten Arzneimittelversorgung aufzugreifen und umzusetzen. Die Kernelemente: Der Arzt verordnet den Wirkstoff, der Apotheker wählt das konkrete Arzneimittel aus. Gekoppelt ist dies mit einem Garantiepreismodell im Generikabereich.

  • Verlängerte Medikation. ABDA und Ärzte sollen die Bedingungen für eine verlängerte Medikation durch die Apotheke erarbeiten (Medikationsfortführung durch die Apotheke).

  • Medikationsfehler-Meldesystem. Es soll eine zentrale Datei über Medikationsfehler etabliert werden.

  • Klinische Pharmazie. Es soll ein Konzept entwickelt werden zur Umsetzung der Klinischen Pharmazie im Rahmen der universitären Ausbildung, der praktischen Ausbildung und des Dritten Prüfungsabschnitts. Hintergrund ist die noch immer unterschiedliche Ausbildung in diesem Fach an den pharmazeutischen Instituten.

  • Einbindung des Apothekers in Präventionsmaßnahmen. Apotheker mit besonderer Qualifikation sollen als Präventionsanbieter laut §§ 20 und 20a SGB V berücksichtigt werden.

  • Verbraucherschutz und Vertriebsweg Apotheke. Der Gesetzgeber soll mit einer Stärkung des Vertriebswegs wohnortnahe Apotheke einen Beitrag zum aktiven Verbraucherschutz leisten.

  • Schaffung von Planungssicherheit zur Gewährleistung des Versorgungsauftrags. Der Gesetzgeber soll durch die Gestaltung des ordnungspolitischen Rahmens dem freien Heilberuf Apotheker mehr Planungssicherheit geben.

  • Leistungsgerechte Vergütung. Der Gesetzgeber soll die leistungsgerechte Vergütung der Apotheken bei der Versorgung der Patienten mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gewährleisten und anheben.

  • Rabattverträge versus Garantiepreismodell. Der Gesetzgeber soll Rabattverträge abschaffen und stattdessen das Garantiepreismodell der Apotheker umsetzen.

  • Änderung der Vergütung des Großhandels. Die bisherige Vergütungssystematik für den pharmazeutischen Großhandel soll beibehalten werden. Bei einer Änderung der Höhe der Vergütung des Großhandels dürfen Apotheken finanziell nicht belastet werden.

  • Zukunft der GKV. Der Gesetzgeber soll Rahmenbedingungen für eine grundsätzliche Neuorientierung in der GKV schaffen. Politik und Gesetzgeber sollen über Priorisierung und Rationierung diskutieren.

  • Novellierung der Apothekenbetriebsordnung. Bei einer Novellierung der Apothekenbetriebsordnung soll der Apotheker in seiner Funktion als Heilberufler weiter gestärkt werden.

  • Regelungen für das Packungsdesign. Der Gesetzgeber soll Regelungen zum Packungsdesign von Fertigarzneimitteln schaffen, um die Verwechslungsgefahr möglichst auszuschließen.

  • Erweiterung der Angaben in Fachinformationen. In den Fachinformationen sollen auch weitere Angaben zur Galenik zum Beispiel Retardierungsprinzip u. a. aufgeführt werden.

  • Arzneimittelbezogene Publikationen für Laien. Der Gesetzgeber soll eine sachgerechte Laieninformation zu Arzneimitteln sicherstellen und Lockerungen von Werbeverboten für verschreibungspflichtige Arzneimittel entgegentreten.

  • Spezialrezepturen. Apotheken soll es erlaubt sein, Spezialrezepturen (z. B. sterile Rezepturen), an andere Apotheken abzugeben, die für die Herstellung dieser Rezepturen ausgerüstet sind.

  • Ausbildung zum Apotheker. Die Zahl der Laborarbeitsplätze, die Ausstattung und das erforderliche Personal an Hochschulen soll erhöht werden, um auch weiterhin eine qualifikationsgerechte Arzneimittelversorgung durch Apothekerinnen und Apotheker zu gewährleisten.

  • Herstellerabschlag. Die Apotheken sollen aus der Haftung für Herstellerabschläge genommen werden.

  • Stärkung der Selbstverwaltung. Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle sollen keine aufschiebende Wirkung haben.

  • Rabattverträge. Die GKV soll zeitnah eine Kosten-Nutzenberechnung bezüglich der Rabattverträge vorlegen.

  • Qualitätssicherung der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern und Heimen. Die Obersten Gesundheitsbehörden sollen Regeln für die Genehmigung von Versorgungsverträgen nach § 14 ApoG, insbesondere bezüglich der Entfernung zwischen Versorgungsapotheken und zu versorgenden Krankenhäusern erlassen.

  • Öffentlichkeitsarbeit. Abgelehnt wurde ein Antrag, der forderte, die Präsenz der Berufspolitiker in den Medien deutlich zu verbessern.

diz

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