Arzneimittel und Therapie

Zu häufig verordnet: Antibiotika bei Atemwegsinfekten

Apotheker wissen es, Ärzte auch: Bei Atemwegsinfekten wird oft viel zu häufig zu einem Antibiotikum gegriffen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Doch die Zahl der Antibiotikaverordnungen lässt sich senken. Und zwar dann, wenn Ärzte und Patienten besser miteinander kommunizieren, denn eine verbesserte Arzt-Patienten-Kommunikation verändert das Verordnungsverhalten.

Akute Atemwegsinfekte sind meist viral bedingt, harmlos und selbstlimitierend. Trotzdem werden sie häufig mit Antibiotika behandelt. Die durchschnittliche Verschreibungsrate von Antibiotika bei akutem Husten liegt in allen europäischen Ländern weit höher als es aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz notwendig und richtig wäre. Deutschland schneidet im Vergleich mit Nachbarländern wie Frankreich und Italien zwar deutlich besser ab. Dennoch: Bei etwa 50 Prozent aller Atemwegsinfekte werden laut Dr. Attila Altiner, Allgemeinarzt am Universitätsklinikum Düsseldorf, Antibiotika eingesetzt, "obwohl alle wissen, dass sie nicht indiziert sind". Das bedeutet nicht nur mehr resistente Bakterien und erhöhte Kosten. Auch das Nebenwirkungsrisiko für den Patienten steigt. Dabei spüren laut Altiner die Ärzte nicht selten einen Verordnungsdruck von Seiten der Patienten. Tatsächlich aber erwartet nur eine Minderheit von Patienten tatsächlich ein Antibiotikum. "Der ‚Teufelskreis‘ dieses Missverständnisses wird durch das Nicht-Ansprechen von Arzt und Patient unterhalten." Hinzu kommt, dass der Arzt fürchtet, einen kritischen Verlauf des Infekts zu übersehen. Auch viele Patienten machen sich Sorgen, ob sie nicht ernsthaft erkrankt sein könnten. Und manche glauben, dass Antibiotika für eine schnelle Heilung notwendig wären.

"Peergespräche nützen"

Ändern lässt sich das Verordnungsverhalten bei Atemwegsinfekten, wenn Ärzte und Patienten aufgeklärt sind und sich die Kommunikation zwischen beiden verbessert. Dies zeigt eine Cluster-randomisierte Studie, an der 104 Allgemeinmediziner aus Nordrhein-Westfalen teilnahmen. Die Hälfte der Ärzte wurde von einem "Peer" besucht, einem "ebenbürtigen" oder "gleichrangigen" Experten. Dieser führte als "kritischer Freund" mit dem Arzt ein Gespräch über die richtige Kommunikation mit dem Patienten. Für die Patienten gab es Faltblätter und Poster, die sie über Husten und die Bedeutung von Antibiotika informierten. Gemeinsam sollte dann die Therapie besprochen werden. Mit dieser Maßnahme war eine relative Reduktion der Antibiotikaverordnung langfristig um 40 Prozent möglich. Ähnliche Erfahrungen wurden auch in anderen Ländern mit vergleichbaren Interventionsstrategien gemacht. "Peergespräche nützen", so Altiner, doch der Aufwand sei groß. Die Herausforderung bestehe nun darin, die in den Studien gewonnenen Erkenntnisse auf einer breiteren Ebene in die Normalversorgung zu integrieren.

Das sollte der Patient wissen:

  • Husten ist nützlich, denn er hilft Krankheitserreger zu entfernen.
  • Viren sind die häufigsten Erreger von akuten Atemwegsinfekten, Bakterien spielen nur eine untergeordnete Rolle.
  • Meist kann das Immunsys-tem die Viren wirksam bekämpfen.
  • Der Infekt kann länger als sieben Tage dauern.
  • Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Husten unter Antibiotikatherapie schneller verschwindet.
  • Antibiotika können Nebenwirkungen verursachen und der Entwicklung von Resistenzen Vorschub leisten. Dadurch besteht das Risiko, dass sie bei einer bakteriell verursachten schweren Infektion nicht mehr wirksam sind.
  • Manchmal verordnen Ärzte ein Antibiotikum, weil sie sich vom Patienten dazu gedrängt fühlen.

Macht sich der Patient wegen seines Atemwegsinfektes große Sorgen, sollte er ernst genommen werden. Eine ausführliche körperliche Untersuchung beim Arzt kann die Angst nehmen.


Quellen

Dr. Attila Altiner, Düsseldorf: "Antibiotikaverschreibung bei Atemwegsinfektionen in der Praxis - Neue Konzepte." 105. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Mannheim, 5. September 2009.

Altiner A. et al.: Reducing unnecessary prescriptions of antibiotics for acute cough: Adaptation of a leaflet aimed at Turkish immigrants in Germany. J Antimicrob Chemother 2007; 60(3): 638 – 644.


Apothekerin Dr. Beate Fessler

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