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Pharmatechnik drängt auf den lukrativen Markt

BERLIN (lk). Das Geschäft mit der Rezeptabrechnung ist lukrativ. Nicht nur an den Provisionen für die Apotheken-Dienstleistung verdienen die Rechenzentren gut. Kurzfrist-Zinsgeschäfte steigern den Gewinn. Jetzt drängt mit dem Münchener Softwarehaus Pharmatechnik ein weiteres unabhängiges Unternehmen auf den Markt und stört die Kreise der etablierten Rechenzentren: Im Raum München hat die neugegründete Pharmatechnik-Tochtergesellschaft Deutsches Apotheken Rechenzentrum mit der Akquise begonnen. Elf Apotheken rechnen bereits über das Starnberger Unternehmen ab. Bis Ende dieses Jahres sollen es über 100 Apotheken werden.
Ehrgeiziges Ziel Pharmatechnik-Chef Dr. Detlef Graessner will bis Ende des Jahres erreichen, dass Apotheken im dreistelligen Bereich über das Deutsche Apotheken Rechenzentrum ihre Rezepte abrechnen.

Foto: Pharmatechnik

Das vor drei Monaten in Essen gegründete Deutsche Apotheken Rechenzentrum kooperiert bei der Abrechnung der Rezepte mit der Schweriner Apothekenrechenzentrum GmbH (SARZ). Die Kooperation mit SARZ lag nahe, da Pharmatechnik in Mecklenburg-Vorpommern nach eigenen Angaben 60 Prozent Marktanteil bei der Warenwirtschaft hat. Der Vertrag mit einem zweiten Abrechnungszentrum steht nach Angaben von Pharmatechnik-Chef Dr. Detlef Graessner kurz vor dem Abschluss.

Das SARZ stemmt für das Deutsche Apotheken Rechenzentrum den technischen Ablauf der Rezeptverarbeitung. Das SARZ rechnet derzeit für rund 240 Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern ab. Zusammen mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) organisiert Pharmatechnik den Geldfluss zwischen Krankenkassen, Apotheken und Großhandel. Beim Deutschen Apotheken Rechenzentrum laufen diese Prozesse zusammen.

Ehrgeiziges Ziel

Pharmatechnik-Chef Graessner versteht die Ausweitung seiner Aktivitäten als konsequente Weiterentwicklung seines bisherigen Stammgeschäftes mit der Warenwirtschaft. In den nächsten Tagen erhalten die bundesweit 5000 Warenwirtschaftskunden ein Informationsschreiben über das neue Angebot von Pharmatechnik. Außerdem werden die 45 Vertriebsmitarbeiter in den 14 bundesweiten Pharmatechnik-Filialen ebenfalls ausschwärmen und die Apotheken informieren. Das Ziel ist ehrgeizig gesteckt: Bis Ende dieses Jahres sollen Apotheken in einem "dreistelligen Bereich" bereits über das Deutsche Apotheken Rechenzentrum ihre Rezepte abrechnen, kündigte Graessner gegenüber der DAZ an. Den Vorteil seines Geschäftsmodells sieht Graessner im Zusammenspiel der Pharmatechnik-Software mit der Rezeptabrechnung. "Wir können alle Rezeptdaten sofort online von der Kasse des Apothekers aus mit unserem einheitlichen Abrechnungssystem prüfen", sagte Graessner gegenüber DAZ.

Keine Kampfansage

Als Kampfansage an die etablierten Rechenzentren will Graessner seine Geschäftspolitik aber nicht verstanden wissen: "Wir steigen nicht mit Dumpingpreisen in den Markt ein." Allerdings sei der Einstieg in die Rezeptabrechnung auch eine Reaktion auf den Kauf von Softwarehäusern durch die etablierten Abrechnungszentren. Nun könne auch Pharmatechnik den Apotheken das Dienstleistungsangebot Warenwirtschaft und Rezeptabrechnung aus einer Hand anbieten.

Klar ist aber, dass die etablierten Rechenzentren Graessners Aktivitäten genau beobachten. Branchenkenner wollen sogar von Versuchen wissen, die Kooperation des Deutschen Apotheken Rechenzentrums mit SARZ zu stören.

Bislang fünf Rechenzentren marktbeherrschend

Beherrscht wird der Markt derzeit von fünf apothekereigenen Rechenzentren: der Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken (VSA), dem Norddeutschen Apothekenrechenzentrum (NARZ), dem ARZ Haan, dem ARZ Darmstadt und der Rezeptabrechnungsstelle Berliner Apotheker (RBA). Circa 80 Prozent der gut 21.000 Apotheken lassen ihre Rezepte bei einem dieser Anbieter abrechnen. Das Bundesgebiet haben die Anbieter wie früher die Stromkonzerne weitgehend unter sich aufgeteilt. Die VSA bedient mit der zur Gruppe gehörenden ALG knapp 7000 Apotheken in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Teilen Sachsen-Anhalts. Das NARZ rechnet zusammen mit der 1986 übernommenen AVN knapp 4500 Apotheken in Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und auch in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Berlin ab. Platzhirsch in NRW und Brandenburg ist das ARZ Haan mit insgesamt rund 2600 Kunden. Das ARZ Darmstadt sammelt die Rezepte in rund 3000 Apotheken in Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen ein. Beim RBA sind etwa 500 Berliner Apotheken unter Vertrag.

Geschwindigkeit ist Geld

Das Geschäft ist riesig: Circa 35 Millionen Rezepte werden Monat für Monat bundesweit in den Apotheken eingesammelt, zu den Rechenzentren transportiert, dort eingescannt und mit den Krankenkassen abgerechnet. Die Rechenzentren verlangen für ihre Dienstleistung in der Regel eine prozentuale Gebühr von 0,2 bis 0,3 Prozent des Umsatzes. Sonderleistungen wie etwa schnellere Zahlungen oder häufigere Abholung der Rezepte können gegen Aufpreis vereinbart werden. Denn Geschwindigkeit ist Geld und für die Liquidität vieler Apotheken immer wichtiger. Aber auch für die Rechenzentren, über die der Geldfluss von der Krankenkasse zur Apotheke läuft. Für kurze Zeit, einen oder zwei Tage, sammeln sich auf diesem Weg auf den Konten der Rechenzentren jeden Monat hohe Beträge an. "Das kann schon mal eine Milliarde Euro ausmachen", erzählt ein Insider. Mit kurzfristigen Zinsgeschäften verdienen die Rechenzentren so ein ordentliches Zubrot. Das könnte bald noch lukrativer werden, wenn die Zinsen in zwei bis drei Jahren wieder steigen.

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