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Prävention
Essen mit Köpfchen
Zehn Prozent der schulpflichtigen Kinder sind heutzutage übergewichtig. Dies begründet sich vor allem durch falsche und unregelmäßige Ernährung. Das spiegelt sich vor allem in einer unausgewogenen Ernährung wieder. Hinzu kommt, dass in Bayern bereits vor mehreren Jahren die staatliche Ernährungsberatung aus Kostengründen eingestellt wurde, und somit das Thema an öffentlichen Schulen nach der zweiten Klasse kaum bis gar nicht mehr angesprochen, geschweige denn vertieft wird. Frau Engelmann und eine große Anzahl von Kollegen im Landkreis Mühldorf/Inn bieten deshalb im Rahmen ihres Gruppenprojektes "Essen mit Köpfchen" Ernährungsberatung für Schulen, um damit notwendige Grundlagen für ein gesundes Leben unserer heranwachsenden Gesellschaft zu schaffen.
Ziel und Zielgruppen
Ziel des Projekts ist es, das bereits in der 2. Klasse erworbene Bewusstsein für gesunde Ernährung zu verstärken und zu erweitern. Den Kindern soll vermittelt werden, dass gesunde Ernährung lecker schmeckt. Ein gesundes Frühstück ist in diesem Projekt der erste Baustein und soll die Initialzündung für eine längerfristige gesunde Pausengestaltung sein. Die Zielgruppen sind in diesem Fall Grundschüler aller zweiten Klassen sowie deren Eltern und Lehrer.
Das Projekt
Im Jahre 2005 startete das lokale Gesundheitsamt unter den regionalen Apotheken eine Umfrage. Es ging hierbei um die Aktivitäten der Apotheker bezüglich Ernährungsberatung, ihrer Weiterbildung, sowie ihrem Interesse an einer künftigen Zusammenarbeit in diesem Bereich. Aus einer Vielzahl von Rückmeldungen konnte schließlich eine Gruppe von zehn Apothekern gewonnen werden, die im Bereich Ernährungserziehung, vor allem bei Kindern und Jugendlichen aktiv sein wollten. Bereits beim ersten Treffen der zehn interessierten Pharmazeuten mit den Ärzten des Gesundheitsamtes wurde die Arbeitsgemeinschaft "Essen mit Köpfchen" gegründet. Das Ziel dieser Arbeitsgruppe besteht aus drei Bausteinen: "Gesundes Schulfrühstück", "Gesunder Pausenverkauf" und einem "Gesunden Schulfest". Zum einen sind diese Bausteine auf der Verhaltensebene wirksam und zum anderen verhältnispräventiv. In dem Projekt ging es bisher vor allem um das "Gesunde Schulfrühstück", bei dem die Kinder aktiv mitwirken können. Dieses Frühstück hat eine Dauer von insgesamt vier Schulstunden und wird von einem Apotheker durchgeführt. Damit es den Kindern nicht langweilig werden kann, ist der Unterricht in einen theoretischen sowie einen praktischen Teil untergliedert. Im theoretischen Teil wird durch gezielte Fragestellungen der Wissenstand der Kinder zum Thema "Ernährung" erörtert. Anschließend erfolgt die Anordnung aller genannten Lebensmittel nach "Fitmachern" und "Fettmachern" und die Ernährungspyramide wird erklärt. Anschließend gibt es eine Hausaufgabe mit dem Titel "Braun und weiß und bunt gibt ein gesundes Frühstück". Im praktischen Teil werden sämtliche Lebensmittel auf einem Tisch platziert und mit roten und grünen Kärtchen nach "Fitties" und "Fetties" sortiert und bewertet. Die Projektarbeit "Fitties oder Fetties – was ist gesund, was macht uns kugelrund?" von Frau Engelmann, die sie im Rahmen ihrer Weiterbildung Ernährungsberatung bei der Bayerischen Landesapothekerkammer im Jahre 2004 erstellt hatte, diente hierzu als Grundlage. Nach der Kategorisierung der Produkte nach Farben, werden die Schüler in "Schnipsler"-, "Streicher"-, "Schütter"- und "Tischlein-deck-Dich"-Gruppen eingeteilt und die Zubereitung des gesunden Frühstücks in Büfettform beginnt. Auch der Tisch wird zusammen gedeckt und dekoriert. Im Anschluss erfolgt schließlich der gemeinschaftliche Verzehr des "gesunden Frühstücks". Durch das aktive Mitwirken an der Aktion wird den Kindern verdeutlicht, dass eine "Mahlzeit" etwas anderes ist, als "Irgendwas" vor dem Fernseher. Außerdem erfahren die Jungen und Mädchen, dass auch die Nahrungsmittelzubereitung Spaß machen kann. Gegen Ende der gesamten Unterrichtseinheit findet noch eine bewegungsfördernde HipHop-Gymnastikeinheit statt, die den Schulkurs zusätzlich trendbewusst verpackt. Um das "Gesunde Frühstück" jedoch nicht als Einmal-Aktion während des Schuljahrs verpuffen zu lassen, entwickelte die Gruppe den Wettbewerb "Gesunde Pause". Hierzu wurden am Ende der Frühstücksveranstaltung Wettbewerbsbriefe für die Eltern verteilt. Für ausländische Familien wurde der Brief in die entsprechende Landesprache übersetzt, damit kein Grund zur Nicht-Teilnahme gegeben ist.
Ziel dieses Wettbewerbs ist es, Schulklassen und ihren Eltern nach der vorhergehenden Frühstücksaktion das ganze Schuljahr hindurch regelmäßig für gemeinsame Ernährungsaktionen zu animieren. Der zweite Baustein des gesamten Gruppenprojektes betrifft den "Gesunden Pausenverkauf" an Schulen. Durch eine Reihe von Klagen der Eltern und Lehrkräfte über die schlechte Angebotspalette des Pausenverkaufs wurde die Projektgruppe auch hier aktiv und erstellte ein Konzept für eine gesunde Pausen-Alternative. Ganz nach dem Motto: "The easy choice should be the healthy one". Dritter und letzter Baustein von "Essen mit Köpfchen" ist die Verbesserung des Nahrungsmittelangebotes bei Schulfesten. Hierfür wurde ein Workshop nach bewährtem Konzept mit einem theoretischen, wie auch praktischen Teil erstellt. Dieser spricht selbst das heikle Thema "Alkohol" an. Im Hinblick auf die Verbesserung der Öffentlichkeitsdarstellung hat die Projektgruppe den Kontakt mit einer Ausbildungsklasse für Mediengestalter an einem Berufshilfswerk für behinderte Jugendliche aufgenommen. Diese Ausbildungsklasse hat sich dann schließlich erfolgreich um das Logo für "Essen mit Köpfchen" gekümmert. Die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen war derart positiv, dass sie auch die Flyer-Gestaltung übernahmen. Außerdem verpflichtete sich das Gesundheitsamt für die Erstellung der Homepage "www.essen-mit-koepfchen.de", sowie für die gesamte Pressearbeit.
Kosten und Kooperationen
Gefördert wurde das Projekt durch die Gesundheitsinitiative "Gesund.Leben.Bayern" im Jahre 2005 und 2006 mit jeweils 2500 Euro und im Jahre 2007 mit 2000 Euro. Daneben beteiligten sich zahlreiche regionale Lebensmittelhersteller, die sich mit Nahrungsmittelspenden großzügig zeigten. Auch das Berufsbildungswerk Waldwinkel, viele Apotheker und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes arbeiteten ehrenamtlich und ließen sich lediglich die Materialkosten, in manchen Fällen die Fahrtkosten, erstatten. Zudem freut man sich über die enorme Hilfe von ebenfalls ehrenamtlich mitwirkenden Lehrkräften und Eltern, sowie von diversen Sponsoren. Die Zusammenarbeit mit den Grundschülern, dem Gesundheitsamt Mühldorf, aber vor allem mit den Kollegen läuft hervorragend.
Hauptsache Prävention"hauptsache prävention" – so nannte sich im vergangenen Jahr ein bundesweit ausgeschriebener Wettbewerb für Apotheken. Das WIPIG – Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen und die Deutsche Apotheker Zeitung hatten dazu aufgerufen, durchgeführte Projekte und Ideen einzureichen, mit denen der Präventionsgedanke über die Apotheke und ins Bewusstsein der Bevölkerung transportiert werden kann. Die nach Ansicht einer Jury zehn besten Projekte und Ideen wurden prämiert. Die DAZ stellt in loser Folge einige der Projekte und Ideen vor – auch als Anregung, sich für die Prävention einzusetzen. Alle Projekte und Ideen des Wettbewerbs "hauptsache prävention" werden in einer Broschüre zusammengetragen, die in Kürze erhältlich sein wird. |
Ergebnisse und Nachhaltigkeit
Die Akzeptanz des Gruppenprojektes war und ist großartig. Die steigende Nachfrage bestätigt den Erfolg. Das anfangs gesetzte Ziel, 15 bis 20 Schul-frühstücke pro Jahr anzusetzen wurde mehr als erreicht. Inzwischen sind es 30 Frühstücke pro Jahr, mit weiter steigender Tendenz. Die Rückmeldungen seitens der Schüler und Lehrkräfte zeigen große Begeisterung. Auch die Öffentlichkeit hat ein offenkundiges Interesse an der Aktion. Es gab bisher einige Artikel in den Lokalblättern des Landkreises. Das Projekt wird kontinuierlich weitergeführt, neue Ideen aufgegriffen und umgesetzt. Als nächste Maßnahme wird der zweite Baustein, der "Gesunde Pausenverkauf" intensiviert. Auch der dritte Baustein wurde bereits vertieft. Die gemeinschaftlich erstellten Evaluationsbögen werden nach wie vor nach jedem "Gesunden Frühstück" regelmäßig an die Lehrkräfte der Klassen verteilt und von der "Essen mit Köpfchen"-Gruppe besprochen und ausgewertet.
Fazit
Der Anstoß zu diesem Projekt war der Rückzug des Staates aus der Ernährungsberatung. Aus einem gemeinsamen Gedanken und einer gemeinschaftlichen Entscheidung wurde schließlich "Essen mit Köpfchen" – "Prävention" schon ab Kindesalter, um sich vorsorglich für ein gesundes, langes Leben der neuen Generation einzusetzen.
Kontakt
Susanne Engelmann – Antonius-Apotheke, Balthasar-Neumann-Str. 29, 84478 Waldkraiburg, Tel. (08638)3852, Fax (0 86 38) 8 47 22, E-Mail: Antonius-apo@ t-online.de, www.antonius-apo.de
Autorin
Laura Geiger,
Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen,
München
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