DAZ aktuell

EuGH bestätigt spanische Apotheken-Regelungen

BERLIN (ks). Nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind die demografischen und geografischen Begrenzungen, die in Asturien (Spanien) bei der Eröffnung neuer Apotheken zu beachten sind, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Zwar stellten die Regelungen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Sie seien jedoch gerechtfertigt, soweit sie ermöglichen, dass in Bezirken mit besonderen demografischen Merkmalen die Errichtung einer hinreichenden Zahl von Apotheken nicht verhindert wird.

(Urteil des EuGH vom 1. Juni 2010, Rechtssachen C 570/07 und C 571/07)

In Spanien ist die Errichtung einer neuen Apotheke von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig. Diese nationalen Rechtsvorschriften werden durch die Autonomen Gemeinschaften umgesetzt, die die genauen Kriterien für die Erteilung einer Erlaubnis zur Eröffnung von Apotheken festlegen.

2800 Einwohner, 250 Meter Abstand

In der Autonomen Gemeinschaft Asturien müssen für die Erteilung von Apothekenzulassungen Bewerbungen eingereicht werden. Dem liegt das asturische Dekret zur Regelung des Apothekenwesens zugrunde. Dieses enthält eine Zulassungsregelung, die die Zahl der Apotheken in einem Gebiet nach Maßgabe der dortigen Bevölkerungszahl begrenzt. So kann grundsätzlich nur eine einzige Apotheke pro 2800 Einwohner errichtet werden. Erst wenn mindestens 2000 Bewohner hinzukommen, ist eine zusätzliche Apotheke erlaubt. Außerdem müssen nach der Regelung Apotheken mindestens 250 Meter voneinander entfernt liegen. Schließlich legt das Dekret auch die Kriterien fest, nach denen konkurrierende Apotheker ausgewählt werden. Dazu werden Punkte aufgrund der beruflichen und universitären Erfahrung der Bewerber vergeben.

Zwei spanische Apotheker wollten sich einer solchen Bewerbung nicht unterziehen, aber dennoch eine Apotheke in Asturien eröffnen. Sie erhoben Klage. Diese wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, da das mit den Rechtsstreitigkeiten befasste nationale Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit des asturischen Dekrets mit dem im Vertrag verankerten Grundsatz der Niederlassungsfreiheit hegte.

EuGH sieht Maßnahmen in Asturien gerechtfertigt

Nach dem Urteil des EuGH sind die im asturischen Dekret festgelegten Voraussetzungen, die mit der Bevölkerungsdichte und der Mindestentfernung zwischen Apotheken in Zusammenhang stehen, durchaus eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Jedoch können solche Maßnahmen gerechtfertigt sein, wenn sie vier Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen diskriminierungsfrei angewandt werden, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, geeignet sein, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Die ersten drei Voraussetzungen hält der Gerichtshof für unproblematisch. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sei nicht gegeben. Zudem liege im Ziel der Beschränkungen – der Sicherstellung einer sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – ein zwingender Grund des Allgemeininteresses. Die asturischen Regelungen sind aus Sicht des Gerichtshofes geeignet, die Erreichung dieses Ziels zu gewährleisten. Es lasse sich nämlich nicht ausschließen, dass sich ohne jede Regulierung Apotheker in als attraktiv beurteilten Ortschaften konzentrieren, sodass bestimmte andere, weniger attraktive Ortschaften unter einer unzureichenden Zahl von Apothekern, die einen sicheren und qualitativ hochwertigen pharmazeutischen Dienst gewährleisten könnten, leiden würden.

Bedingungen nicht immer durchzuhalten, aber

Der Gerichtshof prüft jedoch die Kohärenz der asturischen Regelung im Hinblick auf das Ziel, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten. Dazu weist er darauf hin, dass bei einheitlicher Anwendung der im Dekret festgelegten Grundregeln von 2800 Einwohnern und 250 Metern Entfernung zwischen Apotheken die Gefahr bestehe, dass in Bezirken, die bestimmte demografische Besonderheiten aufweisen, ein angemessener Zugang zu Apotheken nicht gewährleistet sei. Würde die Voraussetzung der Mindestanzahl von 2800 Einwohnern unverändert in dünn besiedelten ländlichen Gebieten angewandt, fänden nämlich bestimmte Einwohner keine Apotheke in vernünftiger Entfernung vor, sodass ihnen ein angemessener Zugang genommen würde. Zudem bestünde in Ballungsgebieten bei einer strikten Anwendung der Voraussetzung der Mindestentfernung von 250 Metern zwischen den Apotheken die Gefahr, dass eine einzige Apotheke weit mehr als 2800 Einwohner versorgen müsste.

… Anpassungen sind möglich

Doch auch diese Bedenken lassen sich ausräumen, wenn sichergestellt ist, dass die zuständigen Behörden von ihrer Befugnis Gebrauch machen, die ihnen durch nationale Rechtsvorschriften eingeräumt wird. Diese nationalen Rechtsvorschriften sehen Anpassungsmaßnahmen vor, die es ermöglichen in Bezirken mit besonderen demografischen Merkmalen die Auswirkungen der Anwendung der 2800-Einwohner-Grundregel abzumildern: Autonome Gemeinschaften können danach für bestimmte Bezirke auch unter 2800 Einwohnern pro Apotheke liegende Bevölkerungseinheiten festlegen. Außerdem können sie in Abhängigkeit von der Bevölkerungsdichte geringere Entfernungen als 250 Meter zwischen Apotheken gestatten und auf diese Weise die Zahl der Apotheken in Gebieten mit sehr starker Bevölkerungskonzentration erhöhen. Ob dies gewährleistet ist, sei vom nationalen Gericht zu prüfen.

Die im asturischen Dekret aufgestellten Kriterien für die Auswahl der Inhaber von neuen Apotheken hält der EuGH dagegen für einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, da sie diskriminierenden Charakter haben. So werden nach dem Dekret Bewerber bevorzugt, die Berufserfahrung in Asturien gesammelt haben. Damit seien Apotheker mit der Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten benachteiligt.

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