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BfArM und BAH wollen stärker zusammenarbeiten
Hierbei können die Pharmafirmen vor allem von der hohen Kompetenz und Akzeptanz der deutschen Behörde in den europäischen Zulassungsverfahren profitieren.
Pharmaunternehmen, die ein Arzneimittel in mehreren europäischen Mitgliedstaaten auf den Markt bringen wollen, müssen hierfür entweder ein zentrales Verfahren über die europäische Arzneimittelagentur (EMA), ein gegenseitiges Anerkennungsverfahren (MRP) oder ein dezentralisiertes Verfahren (DCP) beschreiten. Im zentralen Verfahren, das überwiegend auf innovative Arzneimittel ausgerichtet ist, müssen sich die nationalen Behörden quasi darum bewerben, ein Verfahren als "Rapporteur" koordinierend zu begleiten. In den Anerkennungsverfahren können die Antragsteller die nationale Zulassungsbehörde, die die Federführung und quasi stellvertretend für die anderen Beteiligten die Prüfung übernehmen soll (RMS), frei wählen. Die Behörden stehen damit untereinander im Wettbewerb. Die Expertise im Indikationsbereich, in dem das zuzulassende Arzneimittel angesiedelt ist, sowie die Einhaltung der Fristen und die Konsistenz der Entscheidungen sind wichtige Kriterien, mit denen hier gepunktet werden kann.
BfArM hat in Europa die Nase vorn
Und diesbezüglich können sich die deutschen Zulassungsbehörden BfArM und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Europa in der Tat sehen lassen. Wie die Leiterin der Abteilung Zulassung beim BAH, Dr. Rose Schraitle, berichtete, war Deutschland im Jahr 2009 beim DCP führend in Europa. Im zentralen Verfahren hat das BfArM Broichs Bekunden zufolge die Nase ebenfalls recht weit vorn und bietet besondere Sachkunde auf den Gebieten Diabetes, Onkologie und neurodegenerative Erkrankungen an. Der BfArM-Vizepräsident bekräftigte, dass seine Behörde die starke Position in Europa noch weiter ausbauen will. Eigenschaften wie transparentes Handeln, Verlässlichkeit und Bereitschaft zur Kommunikation mit den Antragstellern sollen noch intensiver gefördert werden, um auch zukünftig im europäischen Wettbewerb zu bestehen. Da eine effizient arbeitende Zulassungsbehörde auch für die Arzneimittel-Hersteller von größtem Interesse ist, unterstützt der BAH nachdrücklich alle Bestrebungen des BfArM, zu den "centers of excellence" in Europa zu gehören.
Lange Wartezeiten für die Antragsteller
In den europäischen Zulassungsverfahren sind die Behörden an ein strenges Korsett von Fristen gebunden, deren Einhaltung unumgänglich ist. Da diese Verfahren in Deutschland in der Zwischenzeit annähernd 90 Prozent der Verfahren ausmachen – in 2009 verzeichnete das BfArM allein 1600 Antragseingänge im DCP – ist der Termindruck groß. Um die Verfahren dennoch in der vorgegebenen Frist abwickeln zu können, wendet das BfArM wie auch andere sehr gefragte europäische Behörden seit einiger Zeit eine Art Voranmeldeverfahren an (sog. "Time-slot"-Verfahren). Die Pharmaunternehmen erhalten einen Termin für die Einreichung ihres Antrags und können dann davon ausgehen, dass alles fristgerecht über die Bühne geht. Schon jetzt gibt es lange Wartezeiten, die nach Informationen von Schraitle aus dem Kreis der BAH-Mitgliedsfirmen in einigen Indikationsgebieten sogar über mehr als zwei Jahre hinaus gehen. "Wären wir ein Wirtschaftsunternehmen", meinte Broich, "so könnte ich sagen: Unsere Auftragsbücher sind bereits bis weit ins nächste Jahr hinein voll".
Umgang mit den Generika-"Wellen"
Eine große Arbeitsbelastung fällt vor allem immer dann an, wenn Patente und Schutzfristen für lukrative innovative Arzneimittel auslaufen. Zwischen 50 und 150 Generika-Anträge stehen dann laut Broich regelmäßig in der Warteschlange, eine "Welle", der das BfArM durch die frühzeitige Bildung von Assessoren-Teams zu begegnen sucht. Durch diese konzertierte Herangehensweise soll nicht nur ein zügiges Abarbeiten der Anträge, sondern auch eine einheitliche Beurteilung gewährleistet werden.
Nationale Anträge im Hintertreffen
Dass das BfArM in den europäischen Verfahren derart gefragt ist, wirkt sich auf die rein nationalen Zulassungsanträge leider negativ aus. Allerdings hat der Anteil dieser Anträge in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen und liegt heute nur noch bei zehn bis zwölf Prozent. Auf ein bis eineinhalb Jahre veranschlagt der BfArM-Vizepräsident die Bearbeitungsdauer für solche Anträge gegenwärtig. Nach dem AMG sind sieben Monate vorgesehen.
Antragsstau und Personalnot
Obwohl sich die Zahlen der Antragseingänge und der abgeschlossenen Verfahren mit jeweils rund 3200 im Jahr 2009 etwa die Waage hielten, schiebt das BfArM durch Überhänge aus den Vorjahren nach wie vor einen Stau von knapp 5600 Zulassungsanträgen vor sich her. Der BAH-Vorsitzende Hoffmann wertete dies allerdings weniger als "Arbeitsunwilligkeit", sondern führt den Stau vielmehr auf mangelnde Personalkapazitäten zurück. Zwar gehört das BfArM mit rund 950 Vollzeit-äquivalenten Stellen zu den größten in Europa, aber das reicht auch wegen der in den letzten Jahrzehnten stark angewachsenen Prüfintensität bei den Verfahren immer noch nicht aus. Broich schilderte, wie schon seit geraumer Zeit Personallöcher mit auf zwei Jahren befristeten Zeitstellen gestopft werden. Kettenverträge sind von der Politik nicht erwünscht. Das Zulassungsgeschäft ist jedoch außerordentlich, und so brauchen neue Mitarbeiter zwangsläufig immer eine relativ lange Einarbeitung, die dann zusätzlich noch Resourcen bei den dauerhaft beschäftigten erfahrenen Mitarbeitern bindet, sowohl aus BfArM als auch aus BAH-Sicht eine äußerst unbefriedigende Situation.
Nutzenbewertung im BfArM nicht machbar
Derzeit ist das BfArM im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages auf die Prüfung der Kriterien Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit beschränkt. Eine zusätzliche Kosten-Nutzen-Bewertung im sozialrechtlichen Sinn im Rahmen des Zulassungsverfahrens wäre zwar prinzipiell denkbar, jedoch erteilten sowohl Broich als auch der BAH-Vorsitzende Hoffmann einem solchen Ansinnen eine klare Absage. Für Hoffmann ist eine Kosten-Nutzen-Bewertung im Rahmen der Zulassungsentscheidung schon alleine deswegen kaum zu realisieren, weil sich der Nutzen eines Arzneimittels in der Regel erst nach seiner Anwendung auf breiterer Basis, das heißt zwangsläufig in der Phase nach der Markteinführung nachprüfbar offenbart.
Gleichwohl schließt dies aus Broichs Sicht einen Dialog mit dem IQWiG in bilateral interessierenden Fragen nicht aus.
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