Aus Kammern und Verbänden

Apothekenwesen in den Niederlanden

Unter dem Motto "Was können wir voneinander lernen?" trafen sich Vertreterinnen des Vorstandes des Deutschen Pharmazeutinnen Verbandes (dpv) mit Kolleginnen der niederländischen Schwesterorganisation NOVA am 26. bis 28. März in Rotterdam. Auf dem Programm standen die Besichtigung von Apotheken und der Gedankenaustausch über das Apothekenwesen, Berufsmöglichkeiten und die universitäre Ausbildung.
Pharmazeutinnen in Rotterdam (von links): Monique Kapperts (NL), ­Monika Adler (NL), Dr. Gudrun Ahlers (D), Prof. Karen Nieber (D), Marian van Royen (NL), Martina Hahn (D), Antonie Marqwardt (D).
Foto: dpv

In den Niederlanden liegen die Apotheken überwiegend in Wohngebieten und weniger in den Stadtzentren; dabei ist die Apothekendichte bedeutend geringer als in Deutschland. Ein einheitliches Erkennungszeichen für Apotheken wie in Deutschland das rote "A" gibt es in unserem Nachbarland nicht. Beim Betreten einer niederländischen Apotheke fallen auf den ersten Blick kaum Unterschiede zu einer deutschen Apotheken auf. Im Mittelpunkt steht auch hier die Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Allerdings sind viele in Deutschland apothekenpflichtige Arzneimittel in den Niederlanden in Drogerien zu erhalten.

Apotheke mit Arztpraxen per EDV verknüpft

Im Berufsalltag gibt es einige wesentliche Unterschiede. In vielen Apotheken wird keine Individualrezeptur hergestellt. Diese Aufgabe wird von wenigen Zentralapotheken übernommen. Auch an der Notdienstversorgung nehmen nicht alle Apotheken teil. Die von uns besuchten Apotheken waren durch die Nutzung derselben Software mit den umliegenden Ärzten verknüpft, sodass beide Heilberufler Einsicht in den Arzneimittelsektor der Patienten haben. Viele Rezepte werden direkt von der Arztpraxis an die Apotheke übermittelt, vorausgesetzt, dass sich der betreffende Patient in der Apotheke hat registrieren lassen. Eine solche Registrierung können die Patienten auch ablehnen. Auf den Rezepten muss der Arzt vermerken, ob es sich um eine Erstverordnung handelt. Bei Erstverordnungen ist die Abgabemenge auf den Bedarf von 14 Tagen beschränkt.

In den Niederlanden wird die Einführung einer dokumentierten Beratungspflicht diskutiert. Um Verwechslungen auszuschließen, wird jede Arzneimittelpackung vor der Abgabe an den Patienten mit einem persönlichen Etikett versehen.

Den größten Teil der Tätigkeit des Apothekers nimmt die individuelle Vorbereitung der Arzneimittelabgabe in Anspruch. Jedes Rezept wird von einer Apothekerin oder einem Apotheker auf Interaktionen überprüft.

Interessant fanden wir, dass in relativ großen Apotheken in der Regel nur ein Apotheker / eine Apothekerin tätig ist und dass die Abgabe der Medikamente überwiegend durch Apotekenassistentinnen erfolgt.

Apotheke darf Wirkstoff austauschen

Unsere niederländischen Kolleginnen berichteten über die gute Kommunikation zwischen Apothekerschaft und Ärzteschaft. Bei regelmäßig stattfindenden interdisziplinären Qualitätszirkeln werden wesentliche Punkte in der Arzneimittelversorgung besprochen. So kann in diesen Zirkeln festlegt werden, dass die Apotheke bei festgestellten Arzneimittelinteraktionen ohne weitere Rücksprache mit dem Arzt einen verordneten Wirkstoff austauschen darf. Das spart viel Zeit, erhöht die Qualität in der Versorgung und ist ein echter Kompetenzgewinn für die Apotheke.

Mehr Apotheker auf Station

Auch im Krankenhaus sind Apothekerinnen und Apotheker deutlich häufiger auf den Stationen in der Arzneimittelberatung von Patienten und Ärzten anzutreffen als in Deutschland. Unsere niederländischen Kolleginnen konnten sich die Situation in Deutschland mit etwa einem Apotheker je 1000 Betten kaum vorstellen und waren darüber sehr verwundert.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Versorgungs- und Beratungsqualität. In unserem Nachbarland hat man erkannt, dass die Versorgungsqualität erhöht wird, wenn Fachpersonal die Patienten zu Arzneimitteln berät und die Abgabe kontrolliert. So ist neuerdings die bisher sehr großzügig gehandhabte Anwesenheitspflicht des verantwortlichen Apothekers verschärft worden. Mehrere Wirkstoffe wurden in die Apothekenpflicht überführt, damit die Apotheke bei einem Interaktionscheck ein mögliches Interaktionspotenzial feststellen kann.

Trotz dieser positiven Beispiele stand in den Niederlanden bei den für die Apotheke relevanten Gesetzesänderungen der letzten Jahre die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass durch den wirtschaftlichen Druck und die zunehmende Bürokratie die individuellen gesundheitlichen Probleme und die persönlichen Bedürfnisse der Patienten in der Beratung zurückgedrängt werden.

Der zweitägige Informationsbesuch war viel zu kurz, um alle interessanten Fragen zu diskutieren. Uns hätte zum Beispiel noch sehr interessiert, wie der Umgang mit den Patientendaten in der Apotheke erfolgt, welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden und wie die Akzeptanz der elektronischen Datenerfassung ist. Der Besuch in Rotterdam war erst der Anfang. Eine weitere Kooperation zwischen den Schwesterorganisationen NOVA und dpv ist geplant. Wir erwarten eine NOVA-Delegation zum 6. Europäischen Pharmazeutinnentreffen im September in Wiesbaden.

Wir bedanken uns bei unseren Kolleginnen von NOVA für die Organisation eines sehr informativen Wochenendes, die persönliche Betreuung und die außerordentliche Gastlichkeit.


Prof. Karen Nieber, Vorsitzende des dpv

Martina Hahn, stellv. Vorsitzende des dpv

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