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Arzneimittel und Therapie
Interleukin-2 als Zusatztherapie bei HIV-Patienten?
Die Zahl der CD4-T-Helferzellen (abgekürzt CD4-Zahl) gibt Aufschlüsse über den Verlauf einer HIV-Infektion und die Wirksamkeit einer antiviralen Therapie. Ihr Absinken ist mit einer Immundefizienz und möglichen Komplikationen verbunden. Daher ist der Versuch nahe liegend, durch einen Anstieg der CD4-Zahl den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Ein möglicher Kandidat zur Anhebung der CD4-Zahl ist Interleukin 2. Dieses Zytokin, das von aktivierten T-Zellen sezerniert wird, reguliert Proliferation, Differenzierung und Überleben von T-Zellen. In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass eine Kombination von Interleukin 2 und antiretroviraler Therapie zu einem stärkeren Anstieg der CD4-Zellen führt als die alleinige antiretrovirale Behandlung. Dieser Anstieg war auf ein verlängertes Überleben der CD4-Zellen zurückzuführen und betraf sowohl die naiven Zellen als auch die Gedächtniszellen. Auf dieser Beobachtung fußte die Vorstellung, dass eine zusätzliche Interleukin-Gabe den Krankheitsverlauf von HIV-Patienten abschwächen könnte und Komplikationen verhindert werden könnten. Diese Hypothese wurde in zwei großen klinischen Studien untersucht.
CD4-T-HelferzellenDie CD4-Zahl ist ein Maß für die Funktionsfähigkeit des Immunsystems. Im Verlauf einer akuten HIV-Infektion wird ihre Anzahl als Folge des Infektes reduziert. Verringert sich die Menge der CD4-Helferzellen unter 200 pro Mikroliter Blut, kann das Immunsystem keine wirksame Infektionsabwehr mehr aufbauen. Die in der Tabelle angegebenen Werte sind lediglich Orientierungshilfen, da sie individuell schwanken und von externen und internen Noxen wie etwa körperlicher Belastung, Schwangerschaft, Operationen, Einnahme von Medikamenten, Tageszeiten etc. beeinflusst werden. Während einer antiretroviralen Therapie werden CD4-Zellzahl und Viruslast in der Regel mindestens alle drei Monate bestimmt. CD4-Zellen/µl klinische Charakterisierung > 500 gesund zwischen 500-200 leichter Immundefekt < 200 lückenhafter Infektionsschutz < 100 schwerster Immundefekt |
Klinische Studien
Da der Einfluss von Interleukin-2 möglicherweise von der Anzahl bestehender CD4-Zellen abhängt, wurden zwei unterschiedliche Studien konzipiert: An der SILCAAT-Studie nahmen Patienten mit einer niedrigen CD4-Zahl (zwischen 50 bis 299/µl), an der ESPRIT-Studie Probanden mit einer höheren CD4-Zahl (>300/µl) teil. In jeder Studie erhielt die Hälfte der Teilnehmer eine antiretrovirale Therapie, die andere Hälfte zusätzlich Interleukin 2. Interleukin 2 wurde alle acht Wochen an fünf aufeinander folgenden Tagen subkutan appliziert (Einzelheiten siehe Tabelle). Der primäre Studienendpunkt beider Studien waren opportunistische Erkrankungen oder der Tod.
Im medianen Beobachtungszeitraum von sieben bis acht Jahren waren in beiden Studien die CD4-Zellzahlen unter der Interleukin-Gabe signifikant höher als ohne Interleukin-Therapie. Dies hatte aber keine Auswirkungen auf die harten klinischen Endpunkte Tod und opportunistische Infektionen. In der SILCAAT-Studie starben 81 Patienten in der Interleukin-Gruppe vs. 77 ohne Interleukin-Therapie; in der ESPRIT-Studie starben 107 Patienten unter der kombinierten Therapie vs. 116 ohne Interleukin-Zusatz. Die Interleukin-Gabe führte in beiden Studien zu mehr unerwünschten Wirkungen vom Schweregrad vier. So erfuhren in der SILCAAT-Studie 203 Patienten in der Interleukin-Gruppe eine schwere Nebenwirkung vs. 186 ohne Interleukin-Gabe. In der ESPRIT-Studie, an der Probanden mit einer höheren CD4-Zellzahl teilnahmen, traten unter der Interleukin-Gabe 466 schwere Nebenwirkungen auf vs. 383 ohne Interleukin-Therapie (Einzelheiten siehe Tabelle).
Die Studien und ihre wichtigsten Ergebnisse | ||||
SILCAAT-Studie the subcutaneous recombinant, | ESPRIT Studie the evaluation of subcutaneous | |||
Intervention | antiretrovirale Therapie ohne IL-2 | antiretrovirale Therapie mit IL-2 | antiretrovirale Therapie ohne IL-2 | antiretrovirale Therapie mit IL-2 |
Anzahl der Patienten | 846 | 849 | 2040 | 2071 |
IL-2-Regime | – | 6 Zyklen mit je 4,5 Mio I.E 2 x täglich | – | 3 Zyklen mit je 7,5 Mio I.E 2 x täglich |
mediane CD4-Zellzahl zu Beginn | 202/μl | 457/μl | ||
Anstieg der CD4 Zellzahl | – | +53/μl | – | +159/μl |
HR für opportunistische Erkrankungen oder Tod | 0,91 (95% Konfidenzintervall 0,70 bis 1,18; p = 0,47) | 0,94 (95% Konfidenzintervall 0,75-1,16; p = 0,55) | ||
HR für Tod | 1,06 (95% Konfidenzintervall 0,77-1,44; p = 0,73) | 0,9 (95% Konfidenzintervall 0,69 bis 1,17; p = 0,42) | ||
HR für Nebenwirkungen Grad 4 | 1,10 (95% Konfidenzintervall 0,90 bis 1,34; p = 0,35) | 1,23 (95% Konfidenzintervall 1,07 bis 1,41; p = 0,003) |
Ursachen unklar
Zur Interpretation der an und für sich widersprüchlichen Studienergebnisse – eine höhere CD4-Zahl und kein klinischer Nutzen – können zwei Hypothesen herangezogen werden. Erstens: Die Erhöhung der CD4-Zellzahl spielt für den Patienten keine Rolle und zweitens: Die Vorteile der Interleukin-Gabe werden durch die negativen Wirkungen wieder aufgehoben. Für diese Hypothese spricht, dass in der Gruppe mit dem stärksten Anstieg der CD4-Zellen die häufigsten unerwünschten Wirkungen auftraten. Die Gründe hierfür sind unklar, sie könnten mit einer Steigerung der proinflammatorischen Aktivität durch Interleukin-2 zusammenhängen.
Quelle The INSIGHT-ESPRIT study group and SILCAAT scientific committee. Interleukin-2 therapy in patients with HIV infection. N Engl J Med (2009) 361; 1548 –1559.
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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