Arzneimittel und Therapie

Tumore überlisten Immunabwehr

Die Immunabwehr wird normalerweise durch Proteine aktiviert, die von Tumoren gebildet werden. Zumindest eines dieser Signalproteine ist allerdings auch daran beteiligt, das Abwehrsystem zu täuschen. Unter seinem Einfluss bildet der Tumor eine Schutzschicht und wird dann nicht mehr als schädliches Gewebe erkannt: Der Krebs kann sein Wachstum ungehindert fortsetzen.

Chemokine sind eine Gruppe von Signalproteinen, die von Immunzellen und vielen Gewebezellen gebildet werden. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Wanderung und Aktivierung von Immunzellen im Gewebe. Ohne diese durch Chemokine vermittelte Zellwanderung wäre das Immunsystem nicht funktionsfähig.

Schweizer Wissenschaftler hatten beobachtet, dass viele Tumore das Chemokin CCL21 bilden. Dieses Protein aktiviert normalerweise Abwehrzellen und ist – wie viele Chemokine – an der Organentwicklung beteiligt. Seine mögliche Funktion bei der Entstehung von malignen Melanomen wurde von ihnen an Mäusen untersucht. Überraschenderweise bilden Tumorzellen unter dem Einfluss des Signalstoffes eine Schutzschicht aus, die der von Lymphknoten, also einem Bestandteil des Abwehrsystems, ähnlich ist. Diese "Verkleidung" zieht weiße Blutkörperchen an, deren eigentliche Aufgabe in der Abwehr von Krankheitserregern und anderen körperfremden Strukturen besteht. Nach einer Umprogrammierung können die Lymphozyten den Tumor danach nicht mehr als schädlich einstufen. Er kann sein Wachstum schnell und ungehindert fortsetzen. Die Wissenschaftler sehen in dieser Täuschung des Immunsystems allerdings auch Möglichkeiten für neue Krebstherapien.

Quelle Shields, J.D.; et al.: Induction of Lymphoidlike Stroma and Immune Escape by Tumors That Express the Chemokine CCL21. Science 2010; DOI: 10.1126/science.1185837, 25.03.2010

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

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