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Aus Kammern und Verbänden
Neues zur Qualitätssicherung dermatologischer Rezepturen
Bei der Rezeptur müssen Konzeptions- und Herstellungsqualität unterschieden werden, erklärte Dr. Gerd Wolf, Grafschaft-Ringen, als Leiter der Fachgruppe. Für Erstere ist der Arzt, für Letztere die Apotheke verantwortlich. Beide Aspekte sind praktisch relevant, wie die Anfragen bei Rezepturhotlines zeigen. Nach Beobachtungen von Wolf sind seit Jahren etwa zwei Drittel der Rezepturen, die in Qualitätszirkeln vorgestellt werden, nicht in Ordnung.
Zunehmende Schwierigkeiten erwartet Wolf in den nächsten Jahren hinsichtlich der Qualität der Rezepturbestandteile, weil viele Wirkstoffe nur noch in Ostasien unter nicht immer transparenten Herstellungsbedingungen gewonnen werden. Problematisch sei außerdem der weiterhin hohe Anteil von Rezepturen, die ohne Orientierung an einer Monographie frei komponiert werden. Diese Rezepturen enthalten meist zwei oder drei, in Ostdeutschland sogar oft drei bis fünf Wirkstoffe mit entsprechender Gefahr der Inkompatibilität. Zudem unterliegt die Rezeptur einer dynamischen Entwicklung. Neue Substanzen und Kombinationen erfordern laufende Fortbildung und neue Untersuchungen.
Praxisorientierte Wirkstoffdossiers
Als Orientierungshilfe für die Rezeptur bietet die GD schon lange eine Leitlinie "Dermatologische Rezepturen" an, die zuletzt 2008 aktualisiert wurde. Die Hygienerichtlinie der GD wird derzeit überarbeitet. Das erfolgreichste Produkt der GD-Fachgruppe Magistralrezepturen stellen die Wirkstoffdossiers für dermatologische Rezepturen dar, die in kürzester Zeit die meisten Zugriffe aller Inhalte auf der GD-Homepage erreichten (siehe Surftipp). Die Wirkstoffdossiers, die bisher für 24 Substanzen vorliegen, liefern jeweils auf einer Seite alle wesentlichen Eigenschaften und anwendungsorientierten Hinweise zur Verarbeitung in der Rezeptur.
Künftig will die Fachgruppe weitere Wirkstoffdossiers erarbeiten, langfristig könnten ähnliche Dossiers für Rezepturgrundlagen entstehen.
SurftippAuf der Homepage der Gesellschaft für Dermopharmazie finden Sie die Leitlinien der GD und die Wirkstoffdossiers (unter "Empfehlungen") der Fachgruppe Magistralrezepturen: www.gd-online.de |
Lernen aus ZL-Ringversuchen
Dr. Holger Latsch, ZL, Eschborn, berichtete anhand der Ergebnisse der ZL-Ringversuche über die praktischen Herausforderungen zur Rezepturqualität. Latsch sieht die Ringversuche inzwischen fest in den Apotheken etabliert. Sie unterstützen die Qualitätssicherung, weil die Apothekenteams sonst vielfach gar nicht merken würden, wo ein Problem bestehen könnte. Etwa 90 Prozent der Teilnehmer bestehen den Ringversuch. Die Prüfkriterien sind Identität, Gehalt, galenische Beschaffenheit, pH-Wert und die Deklaration. Nicht relevant für das Zertifikat sind die Prüfkriterien Kennzeichnung und Primärpackmittel. Eine typische Fehlerquelle ist der Gehalt, es wird insbesondere die Einwaagekorrektur zum Ausgleich des Wassergehaltes der Substanz vergessen, z. B. bei Erythromycin. Fehler aufgrund ungeeigneter Waagen haben sich vermindert, weil zunehmend die Feinwaage verwendet wird. Latsch empfiehlt für Mengen unter einem Gramm generell die Feinwaage. Bei Minoxidil-Zubereitungen gab es vermehrt Probleme mit der Dichte aufgrund eines falschen Alkoholgehaltes. Ein Fehler bei der Deklaration war die Verwechslung von Hydrocortison und Hydrocortisonacetat. Halbfeste Zubereitungen mit Clotrimazol neigten zur Inhomogenität, weil Clotrimazol dabei stark angerieben werden muss.
Gemäß Untersuchungen des ZL bieten elektrische Rührsysteme meist nur dann Vorteile, wenn die Bestandteile der Zubereitung im Sandwich-Verfahren übereinander geschichtet werden und zudem die Herstellerempfehlungen für die rezepturabhängige Einstellung der Geräte beachtet werden. Diese Empfehlungen beruhen vielfach direkt auf Untersuchungen des ZL oder sind aus diesen Arbeiten abgeleitet, berichtete Latsch.
"Es kommt darauf an, wie der Mensch mit der Maschine umgeht", folgerte Wolf. Zudem warnte er, dass inhomogene Zubereitungen entstehen können, wenn der Wirkstoff beim Einfüllen an den Gefäßrand gerät.
Erfolgreicher Dialog mit Dermatologen
Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Apothekerkammer Rheinland-Pfalz, betonte die Vorteile der individuellen Herstellung für die Therapie als Gesamtprozess. Neben den pharmazeutischen Vorteilen im engeren Sinne vermittle die individuelle Herstellung dem Patienten den Eindruck, dass sich jemand um ihn kümmert. Dies führe zu höchster Adhärenz und sei zudem sehr preiswert.
Kiefer stellte ein gemeinsames Projekt der Bundesapothekerkammer (BAK) und des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen zum Dialog über die Rezepturqualität vor. Die Zusammenarbeit geht auf den Deutschen Apothekertag 2007 zurück, begann 2008 und zielt auf die Qualitätssicherung durch Standardisierung. Soweit Fertigarzneimittel verfügbar sind, sollten diese verordnet werden, anderenfalls möglichst standardisierte NRF-Rezepturen. Sofern dann noch frei komponierte Rezepturen nötig sind, können diese im Rahmen des Projektes durch Experten des NRF optimiert werden, um eine gemeinsame Lösung von Ärzten und Apothekern zu ermöglichen. Als praxisnaher Einstieg in die Zusammenarbeit dienen Kontakte bei bereits bestehenden Qualitätszirkeln der Dermatologen. Die Dermatologen können dann individuelle Rezepturen an die BAK weiterleiten, die sie anonym optimieren lässt. Nach Erfahrung von Kiefer freuen sich viele Ärzte über den kostenlosen Service und nutzen ihn intensiv, während andere sich ungern in die Karten schauen lassen. Mit der bisherigen Teilnahme von etwa 500 Dermatologen in elf Bundesländern ist Kiefer "nicht unzufrieden".
Als neues Projekt ist geplant, genauere Daten zu erheben, welche Arztgruppen welche Rezepturen verordnen. Damit soll ermittelt werden, bei welchen Rezepturen Qualitätsprobleme zu erwarten sind. So soll die Qualität auch bei nicht-dermatologischen Rezepturen verbessert werden.
Aussichtsreiche Rezeptur mit großem Markt
Ein Beispiel für eine Lücke im Fertigarzneimittelangebot, die durch Rezepturen geschlossen werden kann, präsentierte Dr. Petra Staubach, Mainz. Für die Notfallbehandlung schwerer allergischer Reaktionen wird ein hochdosiertes Corticoid mit mindestens 100 mg Prednisolonäquivalent gefordert; in der einschlägigen Leitlinie werden 250 bis 500 mg empfohlen. Als Fertigarzneimittel ist jedoch nur eine oral anwendbare Lösung mit 93,5 mg Prednisolonäquivalent verfügbar. In Krankenhäusern wird daher meistens eine vergleichsweise aufwendige und teure intravenöse Cortisontherapie durchgeführt. Tabletten bieten hier keine Option, weil die Patienten mit geschwollenem Rachen diese nicht schlucken können. Seit 2008 bietet die NRF-Rezeptur 34.1 "Prednisolon Saft 0,1% und 0,5%" eine praktikable Alternative. Der Saft enthält 100 bzw. 500 mg Prednisolon in 100 ml und ist über ein Jahr lang haltbar.
Staubach berichtete über eine Anwendungsbeobachtung mit diesem Saft an 25 Patienten in einer Notfallambulanz. Beobachtet wurde der Effekt auf die Urtikaria, das Angioödem und den Juckreiz. Bei schweren Fällen reichte eine Dosis von 100 mg oft nicht aus. Mit einer Dosis von 250 mg wurden gute und schnelle Erfolge bei guter Verträglichkeit erzielt. Der Saft erwies sich als geeignet für die Notfallmedizin. Praktischerweise trinken die Patienten sofort eine halbe Flasche des 0,5%igen Saftes und können bei nicht ausreichender Wirkung später die weitere Hälfte trinken. Aus Verordnersicht sei problematisch, dass für die Rezeptur in verschiedenen Apotheken sehr unterschiedliche Preise taxiert werden. Doch sieht Staubach einen "Riesenmarkt" für diese Rezeptur, weil viele Heuschnupfen-Patienten und andere Allergiker einen solchen Saft für einen Notfall bereithalten sollten. Dr. Holger Reimann, NRF, betonte daher, dass die Apotheken auf diese Rezeptur aufmerksam gemacht werden müssten. tmb
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