DAZ wissenswert

Anbau der Kartoffelsorte Amflora in der EU zugelassen

Am 2. März 2010 hat die EU-Kommission den Anbau der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora zu industriellen Zwecken und zum Verfüttern gestattet. Das Zulassungsverfahren für Amflora begann vor über 13 Jahren, im August 1996. Der Anbau zur Saatgutvermehrung wird in Deutschland im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern auf lediglich 20 Hektar und in Schweden auf 80 Hektar erfolgen. In Tschechien wird sie auf 150 Hektar zu kommerziellen Zwecken angebaut. Die Amflora ist in der öffentlichen Diskussion in der EU – insbesondere in Deutschland – sehr umstritten.
Amflora Seit 1996 im Versuchsanbau getestet, wird die gentechnisch veränderte Kartoffel­sorte nun kommerziell in der EU angebaut.
Foto: BASF

Die Amflora ist eine speziell zur industriellen Verarbeitung optimierte Kartoffel. Kartoffelstärke wird für zahlreiche technische Anwendungen eingesetzt, dabei wird vorwiegend der Amylopektin-Anteil der Stärke benötigt. Im Falle der Amflora ist es gelungen, das für die Synthese von Amylose verantwortliche Gen mithilfe der Pflanzenbiotechnologie (grüne Biotechnologie) "auszuschalten". Deshalb produziert die Amflora reines Amylopektin und ist nur für den industriellen Einsatz geeignet. Die Amflora ist zwar ungiftig, aber so mehlig kochend, dass sie in der Küche kaum verwendbar wäre. Aus Amflora gewonnene Stärke bietet viele technische Anwendungsmöglichkeiten: Mit ihr wird z. B. Garn reißfester und Papier glänzender, Sprühbeton haftet besser an der Wand und Klebstoff bleibt länger flüssig [1].

Stärke: Amylose und Amylopektin


Stärke besteht aus langkettigen Makromolekülen einzelner D-Glucose-Einheiten, die über glykosidische Bindungen miteinander verknüpft sind. Die Makromoleküle können verzweigt oder unverzweigt sein.

Die unverzweigte Stärke wird als Amylose bezeichnet (helikale oder Schrauben-Struktur, nur α-1,4-glykosidisch verknüpft); ihr Anteil beträgt üblicherweise 20 bis 30%.

Die verzweigte Stärke ist das Amylopektin (mit α-1,6-glykosidischen und α-1,4-glykosidischen Verknüpfungen); ihr Anteil beträgt üblicherweise 70 bis 80%.

Bei vielen technischen Anwendungen der Stärke ist der Amyloseanteil störend. Eine Trennung des natürlichen Polymergemisches ist aber für die meisten Anwendungen unwirtschaftlich.

Kritik an der Amflora

Das Zulassungsverfahren für die Amflora dauerte insgesamt 13 Jahre, was ein Vielfaches der Dauer eines Zulassungsverfahrens für ein Arzneimittel darstellt. Die Kritik und Bedenken an Amflora machte sich vor allem an zwei Punkten fest: Zum einen wurde sie neben der industriellen Nutzung auch für Futterzwecke zugelassen und wird somit der menschlichen Nahrungskette zugeführt.

Zum anderen regte sich öffentlicher Widerstand wegen eines Markergens (nptII), welches zugleich ein Resistenzgen gegen Kanamycin darstellt. Nach der EU-Freisetzungsrichtlinie dürfen kommerziell gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen keine medizinisch relevanten Antibiotikaresistenzgene enthalten [2].

In einem Gutachten kam die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zu dem Schluss, dass eine Übertragung des Antibiotikaresistenzgens von transgenen Pflanzen auf Bakterien sehr unwahrscheinlich ist [1]. Das nptII-Gen ist in der Natur weit verbreitet, und ein großer Teil der Bakterien, die beispielsweise im Darm oder in der Umwelt anzutreffen sind, besitzen bereits eine Resistenz gegenüber Kanamycin. Aufgrund dieses Gutachtens hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im April 2007 bestätigt, dass Amflora unbedenklich für Mensch, Tier und Umwelt sei [4].

Antibiotikaresistenzgene


Im Labor werden die Antibiotikaresistenzgene an das gewünschte Zielgen gekoppelt und machen die erfolgreich veränderten Zellen unempfindlich gegenüber dem entsprechenden Antibiotikum. Nach dem Gentransfer werden alle Zellen mit dem Antibiotikum "behandelt", und aus den überlebenden Zellen werden die gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen gezüchtet. Nach dieser Prozedur haben diese Selektionsmarker keine Funktion mehr.

gv Pflanzen: Erfolge der grünen Biotechnologie

Am Beispiel von Amflora wird deutlich, wie groß der Widerstand gegenüber gv Pflanzen ist, obwohl keine Genehmigung für die direkte Nahrungsverwertung erteilt wurde. Gerade nach den zahlreichen Gutachten zur Amflora sind den Experten die Restriktionen gegenüber gv Pflanzen in Deutschland und nahezu der gesamten EU nicht ganz nachvollziehbar – vor allem, wenn man in Betracht zieht, dass die EU-Staaten heute bereits ca. 30 Millionen Tonnen an gentechnisch verändertem Soja und Mais als Viehfutter importieren, um damit Fleisch für unsere Ernährung zu produzieren. Somit konsumiert heute schon jeder EU-Bürger rein statistisch rund 60 kg gv Pflanzen pro Jahr [5].

Einigkeit herrscht unter den Experten, dass die grüne Biotechnologie eine der Schlüsseltechnologien zur Lösung der Ernährungsprobleme der Menschheit sein kann. Die Weltbevölkerung wird von derzeit ca. 6,8 Milliarden Menschen auf schätzungsweise 8,3 Milliarden im Jahr 2030 ansteigen. Da das Ackerland nicht signifikant ansteigen wird, ist zur Sicherstellung der Ernährung aller Menschen eine ähnliche Ertragssteigerung pro Fläche notwendig, wie sie in den Jahren von 1960 bis 1990 durch den Einsatz von Mineraldüngern, Pflanzenschutzmitteln und verschiedenen Züchtungstechnologien gelungen ist. In diesen drei Dekaden konnte der Getreideertrag bei gleicher Fläche durchschnittlich um 2,6% pro Jahr gesteigert werden. Aber seit 1990 ist diese Wachstumsrate gesunken und liegt derzeit bei ca. 1,0%.

Um die Ernährung der Menschheit zu sichern, erscheint eine zweite "grüne Revolution" notwendig [5].

Anbau und Akzeptanz weltweit sehr unterschiedlich

Die Akzeptanz für gv Pflanzen ist außerhalb der EU sehr hoch, insbesondere in Nord- und Südamerika, wo sich in drei Staaten – USA, Brasilien, Argentinien – etwa 80% der weltweiten Anbaufläche von gv Pflanzen befinden (Tab. 1).

Tab. 1: Anbaufläche von gv Pflanzen im Jahr 2009 [6]

Staat
Fläche
USA
64 Mio. ha
Brasilien
21,4 Mio. ha
Argentinien
21,3 Mio. ha
Indien
8,4 Mio. ha
Kanada
8,2 Mio. ha
China
3,7 Mio. ha
Paraguay
2,2 Mio. ha
Südafrika
2,1 Mio. ha
EU
< 0,1 Mio. ha
Welt
134 Mio. ha

Auch in Indien, China, Südafrika und einigen anderen Staaten erfolgt ein großflächiger Anbau. Über 99% der Anbaufläche von gv Pflanzen entfällt auf nur vier Arten: Soja, Baumwolle, Mais und Raps (Tab. 2). Doch die "Artenvielfalt" wächst. In den USA sind zurzeit über 70 gv Pflanzen zum Anbau zugelassen [5].

Tab. 2: Die am häufigsten angebauten gv Pflanzen im Jahr 2009 [6]
Pflanze
Fläche
Anteil*
Hauptanbauländer
Soja
69 Mio. ha
77%
USA, Brasilien, Argentinien
Mais
42 Mio. ha
26%
USA, Argentinien, Kanada
Baumwolle
16 Mio. ha
49%
USA, Indien, China
Raps
6,4 Mio. ha
21%
Kanada, USA
Zuckerrübe
0,5 Mio. ha
9%
USA

* an der jeweiligen Gesamtanbaufläche der Pflanze weltweit

Vielleicht kann Amflora zu einer verbesserten Akzeptanz von gv Pflanzen in Europa beitragen. Sicher ist aber, dass noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss und weitere Diskussionen über dieses Thema geführt werden müssen.

Gen-Mais: Neuzulassung läuft


Die gentechnisch veränderte Maissorte MON810 ist die einzige gv Pflanze, die in Deutschland bis 2008 landwirtschaftlich genutzt werden durfte. Im April 2007 lief die 1998 erteilte EU-Zulassung aus. Ein Antrag auf Neuzulassung nach den inzwischen verschärften Bestimmungen läuft. Dabei werden auch neuere Untersuchungen über mögliche Umweltauswirkungen berücksichtigt.

Quelle: www.transgen.de/anbau/ deutschland


Literatur

[1] EU-Kommission genehmigt Stärkekartoffel Amflora. Pressemitteilung der BASF, 2. März 2010.

[2] Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt.

[3] Presence of the antibiotic resistance marker gene nptII in GM plants for food and feed uses. EMEA/CVMP/ 56937/2007.

[4] Summary of the opinion of the Scientific Panel on Genetically Modified Organisms on an application (Reference EFSA-GMO-UK-2005-14) for the placing on the market of genetically modified potato EH92-527-1 with altered starch composition, for production of starch and food/feed uses, under Regulation (EC) No. 1829/2003 from BASF Plant Science; European Food Safety Authority (EFSA), 7. Dezember 2005.

[5] Marcinowski S. Grüne Biotechnologie: Innovationen für eine nachhaltige Landwirtschaft. Symposium "Markterfolg durch Spitzentechnologie". TU München, 11. März 2010.

[6] Transgen. Gentechnisch veränderte Pflanzen: Anbau weltweit auf 134 Millionen Hektar; www.transgen.de/anbau/eu_international/531.doku.html.


Autor

Dr. Uwe Weidenauer

Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie

Beethovenstraße 5, 69469 Weinheim

uwe.weidenauer@gmx.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.