Interpharm 2010

Was sollten Dachmarken und Kooperationen leisten?

Seit etwa zehn Jahren haben sich Apotheken-Kooperationen in Deutschland etabliert, recht gut offenbar, denn derzeit gehören bereits rund 70% der Apotheken einem Zusammenschluss an. Das Spektrum reicht von "Soft-Kooperationen" bis hin zu "Beinah-Ketten". Prof. Dr. rer. pol. Gerhard F. Riegl, Augsburg, beleuchtete im Einzelnen, wo Kooperationen das eigene Marketing sinnvoll unterstützen können und wo nicht.

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Vier Effektivitätsstrategien schlägt Gerhard F. Riegl vor, um eine Alleinstellung der Apotheke voranzutreiben.

Die Hauptoperations- und Kernkompetenzfelder der Kooperationen sieht Riegl neben der wirtschaftlichen Unterstützung im Backoffice (Beschaffung, Warenlogistik, strategische Aufrüstung) auch im unmittelbaren, regionalen, individuellen Kundenmarketing. Genau an diesen sollte die Unterstützung durch Kooperationen seiner Auffassung nach ansetzen, und hieran sollten die Apotheken deren Leistungsangebot auch bemessen (siehe Tabelle: Was Apotheken von ihren Kooperationen brauchen und was nicht).

"Keine Apotheke der Welt kann für alle Kunden die beste sein. Kunden sind so individuell wie die Apotheke selbst."

Wie werde ich ein Unikat?

Leistungs- und Qualitätswettbewerb unter 21.500 deutschen Apotheken heißt: sich unter Gleichen abgrenzen. Alle haben im Prinzip die gleiche Ausbildung, gleiche Pflichtangebote und gleiche Gesetze und Rahmenbedingungen. Mit "Best practice in Pharmacy" lässt sich vor diesem Hintergrund nicht so sehr punkten, meint Riegl, sie sollte vielmehr eine Grundvoraussetzung sein. Eine wettbewerbsüberlegene Apotheke sollte ihren Kunden etwas bieten, was es im Prinzip nur einmal auf der Welt gibt, und zwar in ihrer Apotheke. Nicht "Wie werde ich wie die anderen?" muss daher die Devise lauten, sondern "Wie werde ich ein Unikat?".

"Menschlichkeit kostet nicht viel, nutzt sich nicht ab und ist das Wichtigste schlechthin!"

Effektivitätsstrategien

Um dies zu erreichen, wünscht sich Riegl ein Umdenken im Apothekenmarketing, weg vom Grundziel "mehr Effizienz" hin zu "mehr Effektivität", das bedeutet nicht mehr, sondern das Richtige tun. Weg vom "more for less money" hin zum "work smarter, not harder" und schließlich weg vom "Benchmarking" hin zum "Benchbreaking", das heißt mit dem intelligenten Brechen von Regeln, mit neuen Ideen eine Alleinstellung erreichen. Vier Effektivitätsstrategien schlägt Riegl vor, um diesem Ziel näherzukommen:

1. die Mehrwert-Marken-Apotheke,

2. die Identifikation und Pflege von Kundenzielgruppen,

3. "Moments of Excellence" beim Arzneimittelabsatz und

4. besonders "Excellence in Menschlichkeit".

"Die Kunden sind mehr Steinzeit-Menschen als Einstein-Menschen."

Die Mehrwert-Marken-Apotheke

Der Mehrwert einer Apotheke steht in engem Zusammenhang mit dem Zufriedenheitsmanagement der Kunden. Obwohl Apotheken in Rankings zur Zufriedenheit im Vergleich mit anderen Branchen gut abschneiden, kann diesbezüglich noch einiges mehr getan werden. Auch zufriedene Kunden suchen im Übrigen nach Abwechslung und Alternativen. Wer also Kunden überzeugend binden will, der muss laut Riegl "ultimativ" zufriedene Kunden erzeugen, und zwar durch kontinuierliche Überraschungen, Begeisterung und Wohlfühlprogramme. Der Markenkern der Präsenzapotheke sollte der Apothekeninhaber sein, eine Leitfigur für das Apothekenteam, ein Aushängeschild, ein Vorbild. Seine besondere Philosophie, seine Handschrift sollten die Kunden als quasi über der Offizin schwebend spüren und erleben und die Mitarbeiter als begeisterungsfähige Verkünder und Vermittler dieser Philosophie wirken und damit die Marke der Apotheke zusätzlich prägen.

"'Best practice in pharmacy' ist die Olympia-Qualifikation, ohne das geht nichts."

Erfolgsfaktor Kundengewinnung

Keine Apotheke auf der Welt – auch nicht in einer Kooperation – kann für alle Menschen die beste sein, so glaubt Riegl. Jede muss vielmehr systematisch herausfinden, für welche Kunden sie ideal sein kann und will. In der Identifizierung der idealen Kundenzielgruppen für die eigene Apotheke und der Vermehrung dieser Kunden sieht Riegl demnach eine wesentliche Erfolgsstrategie, bei der Kooperationen eine Hilfestellung anbieten könnten.

Was Apotheken von ihren Kooperationen brauchen und was nicht

Ja
Nein
Kompetenzsteigerungen, die nicht in der Ausbildung vorkommen
Outsourcing von Ur-Kern-Kompetenzen (z. B. Kundenpflege)
alles, was man nur gemeinsam entwickeln und meistern kann
zwingend einheitliches, bundesweites Marketing und Branding
Hilfe bei der Spezialisierung auf Verbraucher, nicht nur auf Produkte
Marken-Overkill durch Marken-Inflation am Point of sale
kreative Beunruhigung/Inspiration der einzelnen Mitgliedsapotheken
Rundum-Sorglos-Pakete für das eigene Apotheken-Marketing
Veredelung der Inhaber als jeweiliger Markenkern der Apotheken
Mitwirkung beim Aufbau von Marken, die der Apotheke nicht gehören

Quelle: Institut Prof. Riegl & Partner GmbH

Erfolgsfaktor Apothekenaufenthalt

Ein weiteres Aktivitätsfeld von Kooperationen und Dachmarkenprogrammen könnte die Optimierung des Aufenthalts der Kunden in der Offizin sein. Zu den Ansatzpunkten in diesem Bereich zählen:

  • die Verlängerung der Kundenverweil- und -Wohlfühlzeiten,
  • das Befindlichkeitsmanagement durch multisensorische Kundenbeeindruckung (sehen, hören, riechen, fühlen), und
  • die Betonung der besonderen Marke, des Markenspirits rund um Apothekeninhaber und Mitarbeiter.
"Libertärer Paternalismus heißt: Man muss erreichen, dass der Kunde will, was der Apotheker will, das er wollen soll."

Erfolgsfaktor Kundenbindung

Geborgenheit, Obhut und Menschlichkeit sind nicht käuflich zu erwerben, und es wird sie niemals im Versand und im Internet geben. Dieser größte Luxus der Präsenzapotheke sollte der Stammklientel durchaus bewusst gemacht werden, so meint Riegl. In einer Zeit, in der die Menschen durch die Medien immer mehr überladen sind, fühlen sie sich gelähmt und entscheidungsunfähig, ziehen sich zurück. Sie suchen nach jemandem, dem sie vertrauen können und der ihnen in möglichst einfachen, verständlichen Worten verlässlichen Rat gibt. Die Aufgabe des einzelnen Apothekers als Vertrauensperson wird damit immer bedeutsamer. Das Apothekenteam sollte deshalb nicht nur pharmazeutisch exzellent auftreten, sondern auch das "Streicheln der Patientenseele" beherrschen und den Patienten in seiner Gesundheitspflege leiten. Kundenbindung beginnt beim Menschen und nicht mit Werbegeschenken, Kundenkarten oder verwirrenden Preisaktionswochen. Und die besten Garanten für eine authentische, dauerhafte Kundenbindung sind die Individualität und das Lokalkolorit einer Apotheke.

Den Knackpunkt für sinnvolle Kooperationen und Dachmarken sieht Riegl vor diesem Hintergrund darin, inwieweit es durch Verbundlösungen gelingt, Apotheken zu Regisseuren in ihren jeweiligen regionalen Kundenwelten zu inspirieren. Sie sollten vor allem die Kreativität und Innovationsfähigkeit anstacheln, damit jeder aus seinem Typ mehr als bisher macht und damit erfolgreich ist. Hierbei sollte eine leidenschaftliche, positive Kundenorientierung mit individueller Note die zentrale Rolle spielen.

hb

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