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- AZ 8/2010
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Rösler unter Finanzdruck
Nach Informationen, die der AZ vorliegen, zeigte sich Rösler am 18. Februar beim Treffen mit Vertretern des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) offen für das vom Verband erarbeitete Konzept für Verhandlungen mit den Krankenkassen über die Preise neuer, patentgeschützter Arzneien. Es habe ein "positives Feedback" gegeben, berichteten Teilnehmer. In der Diskussion seien jedoch Zweifel des Ministeriums an der "Belastbarkeit" des BPI-Modells erkennbar geworden. Der BPI hat vorgeschlagen, in den ersten fünf Jahren nach Markteinführung neuer Arzneimittel mit den einzelnen Krankenkassen Preisverhandlungen zu führen.
Nach dem Treffen mit Vertretern des BPI und des Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa) zeigte sich Rösler entschlossen, Einsparpotenziale bei Arzneimitteln auszuschöpfen: einen "Freibrief" habe niemand, wenn es um die GKV-Ausgaben gehe. Rösler erklärte, in Deutschland seien die Preise von innovativen Medikamenten besonders hoch. "Hier wollen wir ran. Ich bin erfreut, dass die Vertreter der Pharmaindustrie die Zeichen der Zeit erkannt haben. Auch die Pharmaindustrie muss ihren Beitrag leisten." In seinem Konzept würden sowohl Vertragsverhandlungen zwischen Krankenkassen und Pharmaherstellern als auch die Kosten-Nutzen-Bewertung eine wichtige Rolle spielen, kündigte Rösler an.
vfa setzt auf Direktverträge
Wie der BPI setzt auch der vfa bei einer Neuordnung des Arzneimittelbereichs auf Direktverträge zwischen Herstellern und Kassen für alle patentgeschützten Arzneimittel. Der Vorsitzende des vfa, Dr. Wolfgang Plischke, widersprach jedoch Röslers Aussage, die Arzneimittelpreise in Deutschland seien besonders hoch: "Unsere Preise sind nicht hoch", betonte er. "Sie sind stabil und liegen auf dem Niveau von 2007. Nichtsdestotrotz wollen wir aber alles tun, dass die Arzneimittelversorgung noch effizienter wird." Dabei setzen die forschenden Hersteller auf Direktverträge. Nach ihrem Modell soll die Kosten-Nutzen-Bewertung entfallen, wenn für ein Medikament durch Direktverträge binnen zwei Jahren mindestens 50 Prozent des Marktes abgedeckt werden. Dies soll für alle patentgeschützten Medikamente gelten. Ganz wichtig ist den vfa-Unternehmen dabei, dass die direkten Verträge auf die Verbesserung der Versorgungsqualität und des Behandlungserfolges abzielen müssen. Dabei sind unterschiedliche Vertragsformen denkbar, etwa Vereinbarungen zur Durchführung von Versorgungsforschung oder Cost- bzw. Risk-Sharing. Wer nicht verhandle, müsse sich der Kosten-Nutzen-Bewertung mit Festsetzung eines Höchstbetrages stellen.
Nun ist es an Rösler und seinen Mitarbeitern im Ministerium, die vielfältigen Vorschläge zu sondieren und ein eigenes Maßnahmenpaket zu bündeln.
Der Sachverständigenrat ist nicht gefragt
Indessen wundert sich Prof. Gerd Glaeske – von Röslers Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD) als Ratgeber geschätzt – dass der FDP-Minister bislang keinen Kontakt mit dem Gesundheits-Sachverständigenrat gesucht hat. Tatsächlich besteht im deutschen Gesundheitswesen seit dem 30. September 2009 ein "sachverständigenratsloser Zustand". Zu diesem Zeitpunkt endete die Berufungszeit der bisherigen Mitglieder, eine Neubenennung fand noch nicht statt. Glaeske will es nicht als "verletzte Eitelkeit" verstanden wissen, aber er fragt sich durchaus, warum Rösler nicht auf die vorhandenen Gutachten und die Expertise der Sachverständigen zurückgreift. Glaeske meint: "Es ist kein Kunststück 10 Milliarden Euro im System zu sparen." Sofort drei Milliarden Euro einzusparen ist für ihn erst recht kein Problem.
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