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Gesundheitspolitik
Schwieriger Start für den Bundesgesundheitsminister
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier bezeichnete das Kopfpauschalen-Konzept Röslers als "wirklichen Sprengsatz". Es werde eine Entsolidarisierung geben, wenn den Arbeitnehmern und Rentnern die Kosten für das Gesundheitssystem aufgebürdet würden. Auch wenn das jetzige System nicht frei von Fehlern sei, sei es im europäischen Vergleich "wahrscheinlich das stabilste und immer noch beste Gesundheitssystem", das er kenne. Der SPD-Fraktionsvorsitzende kritisierte auch die seitens des Bundesgesundheitsministeriums ins Spiel gebrachten "Mehrkostenregelungen". Kaum ein Betroffener wisse, was das ist. "Dahinter verbirgt sich die soziale Spaltung", so Steinmeier. Gute Versorgung bekämen nur noch die, die Mehrkosten privat zahlen oder zusätzlich versichern. Was die Zusatzbeiträge betrifft, sagte er voraus, dass diese unter diesem Gesundheitsminister, "dem Pharmalobby, Ärzte und Apotheker stehenden Applaus spenden", weiter steigen werden.
Hartz IV im Gesundheitswesen
Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn und die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Biggi Bender, attestierten Rösler "vollmundige Ankündigungen eines Totalumbaus der Krankenversicherung" und zugleich eine weitgehende Tatenlosigkeit bei den aktuellen Problemen. Er beschränke sich angesichts der Entwicklung bei den Zusatzbeiträgen auf die Rolle des Beobachters. Dabei wisse er, dass ihn "die Zusatzbeiträge der von Schwarz-Gelb gewollten Kopfpauschale näher bringen", so Kuhn und Bender. Auch wenn Rösler beteuere, einen Sozialausgleich einzuführen, könne er "nicht einmal andeuten, wie dieser bei bis zu 35 Milliarden Euro Kosten bezahlt werden soll". Die Linksfraktion kritisiert in einem Positionspapier zu 100 Tagen Schwarz-Gelb, dass die Kopfpauschale – auch mit Sozialausgleich – Menschen mit geringem Einkommen zu Bittstellern mache. "Die Kopfpauschale ist nichts anderes als Hartz IV im Gesundheitswesen." Die Gesundheit von Menschen werde "zum Spielball des Finanzministers".
Gegenwind aus Bayern
Doch nicht nur die Opposition übt Kritik. CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte gegenüber dem "Handelsblatt" seinen Widerstand gegen die Kopfpauschale – dieser basiere auf seiner "jahrelangen Erfahrung in der Gesundheitspolitik". Bei einer Pauschale mit Sozialausgleich sei man schnell bei 20 bis 30 Milliarden Euro, die aus dem Bundeshaushalt fließen müssten – und diese führten nicht zu einer besseren Versorgung kranker Menschen. Röslers Beteuerung, die Umstellung des Finanzierungssystems solle schrittweise erfolgen, stimmt Seehofer ebenfalls nicht milde: "Auch eine Stufenlösung ändert nichts daran, das druckt nicht das Geld, das der Staat für den damit verbundenen Sozialausgleich bräuchte". CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt schloss sich der Kritik seines Parteichefs an: "Herr Rösler sollte weniger Tagträumereien über Kopfpauschalen nachhängen, sondern engagiert die heute anstehenden Hausaufgaben machen", sagte er. Auch appellierte er an Rösler, möglichst schnell Maßnahmen zur Kostendämpfung bei den Krankenkassen zu ergreifen, um weitere Zusatzbeiträge zu verhindern.
Rückendeckung von der Kanzlerin
Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkte Rösler dagegen den Rücken. Sie versicherte am
4. Februar in den ARD-Tagesthemen, der geplante Systemwechsel werde "Schritt für Schritt sinnvoll und vernünftig gemacht". Man wolle eine "evolutionäre Entwicklung im Gesundheitssystem", so die Kanzlerin. Sie verwies darauf, dass die Kosten im Gesundheitssystem Jahr für Jahr steigen würden – dies dürfe sich nicht auf die Arbeitskosten niederschlagen. Merkel betonte überdies, dass die Ausgaben gedämpft werden müssten – auch in der Pharmaindustrie. Zudem sei es wichtig für mehr Transparenz zu sorgen – dazu leisteten auch die Zusatzbeiträge ihren Beitrag.
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