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Arzneimittel und Therapie
Interleukin-6-Rezeptorblocker Tocilizumab zugelassen
Für die Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) werden schon seit Längerem Biologics eingesetzt. Sie richten sich meist gezielt gegen den Tumornekrosefaktor-alpha. Der Nutzen dieses Therapieprinzips ist unumstritten, denn ein Teil der Patienten zeigt ein gutes klinisches und radiologisches Ansprechen. Innovationen sind dennoch notwendig. Denn noch längst nicht alle RA-Patienten lassen sich zufriedenstellend behandeln. Mit dem monoklonalen Antikörper Tocilizumab (RoActemra®), einem Interleukin-6-Rezeptorblocker, steht seit Anfang 2009 ein völlig neues Wirkprinzip in der Therapie der RA europaweit zur Verfügung. Zugelassen ist Tocilizumab "in Kombination mit Methotrexat (MTX) für die Behandlung erwachsener Patienten mit mäßiger bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis, die auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren Krankheits-modifizierenden Antirheumatika (DMARDs; disease modifying antirheumatic drugs) oder Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Es kann bei diesen Patienten als Monotherapie verabreicht werden, falls sie Methotrexat nicht vertragen oder eine weitere Therapie mit MTX unangemessen erscheint".
Interleukin 6: zentrale Rolle bei Entzündungsgeschehen
Tocilizumab hat mit Interleukin 6 ein Zytokin als Ziel, das neben TNF-alpha eine zentrale Rolle im Entzündungsgeschehen der chronisch-entzündlichen und gelenkdestruierenden Autoimmunerkrankung spielt. Der IL-6-Blocker bindet spezifisch an lösliche und membrangebundene Interleukin-6-Rezeptoren und hemmt so die Interleukin-6-Effekte, die überaus vielfältig sind. So hat es einen direkten Einfluss auf das Wachstum von Immunzellen wie B-Zellen, aber auch die neu entdeckten Th17-Zellen, die den entzündlichen Prozess bei Autoimmunerkrankungen wesentlich vorantreiben. Überhöhte Interleukin-6-Spiegel führen zudem zu einer vermehrten Osteoklastenbildung, die am verstärkten Knochenabbau bei RA-Patienten beteiligt sind. Umgekehrt kann die Hemmung von Interleukin 6 den Knochenverlust verhindern, wie tierexperimentelle Untersuchungen zeigen. Darüber hinaus ist das Zytokin an der Entstehung einer Anämie beteiligt – mit der Folge von Fatigue und verminderter Leistungsfähigkeit.
Umfangreiches Studienprogramm für Tocilizumab
Das Studienprogramm, mit dem Tocilizumab geprüft wurde, ist umfangreich. Wirksamkeit und Sicherheit des IL-6-Blockers wurden in fünf Phase-III-Studien, alle randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert, mit über 4200 Patienten mit aktiver, mäßiger bis schwerer rheumatoider Arthritis in 41 Ländern geprüft. Primärer Endpunkt war das ACR-20-Ansprechen nach 24 Wochen, einer Auswertung entsprechend den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR). Als sekundäre Endpunkte wurden unter anderem das ACR50- und ACR70-Ansprechen, die Zeit bis zur Response, die Lebensqualität sowie CRP- und Hämoglobinwert herangezogen. In der Lithe-Studie lag der Fokus auch auf dem radiologischen Ansprechen.
Steckbrief: Tocilizumab
Handelsname:
RoActemra
Hersteller:
Roche Pharma, Grenzach-Wyhlen
Einführungsdatum:
15. Februar 2009
Zusammensetzung:
Jeder ml des Konzentrats enthält 20 mg Tocilizumab. Jede Durchstechflasche enthält 80, 200 bzw. 400 mg Tocilizumab in 4, 10 bzw. 20 ml. Sonstige Bestandteile: Sucrose, Polysorbat 80, Dinatriumhydrogenphosphat 12 H2
O, Natriumdihydrogenphosphat-Dihydrat, Wasser für Injektionszwecke.
Packungsgrößen, Preise und PZN:
1 Durchstechflasche mit 4 ml Konzentrat: 243,01 Euro, PZN 7286896; Durchstechflaschen: 943,13 Euro, PZN 7286962. Durchstechflasche mit 10 ml Konzentrat: 593,07 Euro, PZN 7286815; 4 Durchstechflaschen: 2343,37 Euro, PZN 7286821. 1 Durchstechflasche mit 20 ml Konzentrat: 1176,51 Euro, PZN 7286790; 4 Durchstechflaschen: 4677,10 Euro, PZN 7286809.
Stoffklasse:
Pharmakotherapeutische Gruppe: Immunsuppressiva; Interleukin-Inhibitor. ATC-Code: L04AC07.
Indikation:
In Kombination mit Methotrexat für die Behandlung erwachsener Patienten mit mäßiger bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis, die unzureichend auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren krankheitsmodifizierenden Antirheumatika oder Tumornekrosefaktor-(TNF-)Inhibitoren angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Tocilizumab kann bei diesen Patienten als Monotherapie verabreicht werden, falls
eine Methotrexat-Unverträglichkeit vorliegt oder eine Fortsetzung der Therapie mit Methotrexat unangemessen erscheint.
Dosierung:
8 mg/kg Körpergewicht, aber nicht weniger als 480 mg, einmal alle vier Wochen nach Verdünnung als intravenöse Infusion über eine Stunde.
Gegenanzeigen:
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile; aktive, schwere Infektionen.
Nebenwirkungen:
Sehr häufig: Infektionen des oberen Respirationstrakts. Häufig: Zellulitis, Pneumonie, oraler Herpes simplex, Herpes zoster; Mundulcera, Gastritis; Exanthem, Pruritus; Kopfschmerzen, Schwindel; Erhöhung der Lebertransaminasen; Hypertonie; Leukopenie, Neutropenie; Hypercholesterinämie; Konjunktivitis.
Wechselwirkungen:
Zytokine wie IL6, das die chronische Entzündung stimuliert, unterdrücken die Bildung der hepatischen CYP450-Enzyme; daher ist zu erwarten, dass sich unter der Therapie mit Tocilizumab die Bildung von CYP450-Enzymen normalisiert. Wenn eine Therapie mit Tocilizumab begonnen oder beendet wird, könnten bei Arzneimitteln, die durch CYP450-Enzyme metabolisiert werden, Dosiserhöhungen erforderlich sein, um die therapeutische Wirkung zu erhalten; aufgrund seiner langen Eliminationshalbwertszeit kann die Wirkung von Tocilizumab auf die CYP450-Enzymaktivität mehrere Wochen nach dem Ende der Therapie persistieren.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:
Bei Patienten mit aktiven Infektionen darf eine Behand-
lung mit Tocilizumab nicht begonnen werden. Falls bei einem Patienten eine schwerwiegende Infektion auftritt, muss die Anwendung von Tocilizumab unterbrochen werden, bis diese Infektion unter Kontrolle gebracht wurde. Bei Patienten mit wiederkehrenden oder chronischen Infektionen oder Grunderkrankungen in der Anamnese, die diese Patienten für Infektionen anfällig machen, sollte Tocilizumab mit Vorsicht angewendet werden. Wie auch für andere biologische Therapien der rheumatoiden Arthritis empfohlen wird, müssen Patienten vor Beginn der Behandlung mit Tocilizumab auf eine latente Tuberkulose untersucht werden; Patienten mit latenter Tuberkulose-Infektion sollten mit einer antimykobakteriellen Standardtherapie behandelt werden, bevor eine Behandlung mit Tocilizumab eingeleitet wird. Bei Patienten mit intestinalen Ulzerationen oder Divertikulitis in der Anamnese sollte Tocilizumab mit Vorsicht angewendet werden. Bei 0,3% der Patienten kam es in Zusammenhang mit der Infusion von Tocilizumab zu schwerwiegenden Überempfindlichkeitsreaktionen. Die Behandlung mit Tocilizumab, vor allem in Verbindung mit Methotrexat, kann mit einer Erhöhung der Lebertransaminasen verbunden sein. Patienten, die zuvor mit einem TNF-Inhibitor behandelt wurden, könnten ein erhöhtes Neutropenierisiko haben. Während der Behandlung mit Tocilizumab können sich die Lipidwerte erhöhen, die Erhöhungen sprechen auf eine Behandlung mit Lipidsenkern an. Das Risikopotenzial für das Auftreten einer Demyelinisierung des zentralen Nervensystems durch Tocilizumab ist bislang unbekannt.
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In Kombination mit DMARDs
Die drei Studien Option (Tocilizumab pivotal trial in methotrexate inadequate responders), Toward (Tocilizumab in combination with traditional DMARD therapy) und Lithe (Tocilizumab safety and the prevention of structural joint damage trial) untersuchten die Wirksamkeit einer zusätzlichen Gabe von Tocilizumab zu Methotrexat oder einem anderen DMARD im Vergleich zu Placebo bei etwa 3000 Patienten. In allen Studien hatten Patienten unter 8 mg/kg Tocilizumab nach 24 Wochen statistisch signifikant bessere ACR20-, -50- und -70-Ansprechraten als Placebo. Jeder fünfte Patient besserte sich um 70% (Placebo: 2%), 37% um 50% (Placebo: 10%) und 59% um 20% (Placebo: 26%). Der Anteil der Patienten in Remission (DAS, disease activity score, 28 < 2,6) lag nach 24 Wochen in der Option- und Lithe-Studie unter MTX plus Tocilizumab bei 27,5% bzw. 33,3% (Placebo: 0,8% und 3,8%), in der Toward-Studie in Kombination mit DMARDS bei 30,2% (Placebo: 3,4%). In der Lithe-Studie wurde nach 52 Wochen von 47% der Patienten eine Remission erreicht. Die Lithe-Studie lieferte zudem den Beleg, dass Tocilizumab auch die radiologische Progression verhindern kann. Nach 52 Wochen waren signifikant seltener Erosionen und Gelenkspaltverschmälerungen zu erkennen.
Wenn TNF-Antagonisten versagen
Auch RA-Patienten, die auf einen TNF-Antagonisten unzureichend angesprochen haben, können von Tocilizumab profitieren, und zwar unabhängig davon, wie viele TNF-Blocker bereits versucht wurden. Dies zeigte die Radiate(Rheumatoid arthritis study in anti-TNF-failures)-Studie, die bei 499 Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf mindestens einen TNF-Antagonisten die Kombination von MTX plus Tocilizumab gegenüber MTX und Placebo untersuchte. Unter Tocilizumab 8 mg/kg plus MTX erreichten etwa 50% dieser Patienten ein ACR20-Ansprechen, unter Placebo plus MTX waren es dagegen nur zwischen 6 und 10%.
In der Monotherapie besser als MTX
Überzeugend auch die Daten zur Tocilizumab-Monotherapie, die in der Ambition (Actemra versus methotrexate doubel blind investigative trial in monotherapy) untersucht wurde. Eingeschlossen wurden 673 MTX-naive Patienten (66%) oder Patienten, die seit mindestens sechs Monaten kein MTX erhalten hatten. Unter dem IL-6-Blocker erreichten signifikant mehr Patienten ein ACR20-, ACR50- und ACR-70-Ansprechen. Auch klinische Remissionen waren häufiger (33,6% versus 12,1%). Dabei zeigte sich schon nach zwei Wochen die tendenzielle Überlegenheit von Tocilizumab. Der genaue Blick auf die Daten macht zudem deutlich, dass eine klinische Remission häufiger erreicht wird bei Patienten, die früh behandelt werden. Bei einer Krankheitsdauer unter zwei Jahren lag die Rate klinischer Remissionen bei 42%, bei längerer Krankheitsdauer bei 28%. Der Effekt von Tocilizumab führte insgesamt auch zu einer signifikanten und anhaltenden Reduktion der CRP-Werte und einem Anstieg von Hämoglobin.
Regelmäßig kontrollieren
Tocilizumab wird alle vier Wochen in einer Dosierung von 8 mg/kg als Infusion verabreicht. Das Sicherheitsprofil ist in allen weltweit durchgeführten klinischen Studien einheitlich und vergleichbar mit dem anderer Biologika, die für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen sind. Unter der Therapie kann es zu einem Abfall neutrophiler Granulozyten sowie, ähnlich wie bei MTX, zu Leberwertveränderungen kommen. Regelmäßige Kontrollen sind deshalb notwendig. Empfehlenswert ist auch eine Kontrolle der Lipidwerte. Cholesterin und gelegentlich auch Triglyzeride können unter Tocilizumab ansteigen und sollten dann entsprechend behandelt werden. Wie auch für andere biologische Therapien der RA empfohlen, müssen Patienten vor Beginn der Behandlung auf eine latente Tuberkulose untersucht werden und gegebenenfalls mit einer antimykobakteriellen Standardtherapie behandelt werden.
QuelleProf. Dr. Gerd-Rüdiger Burmester, Berlin; Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Gießen; Prov.-Doz. Dr. Andrea Robbert-Roth, Köln: "Intelligente Therapie der rheumatoiden Arthritis: RoActemra – ein innovatives First-line-Biologikum", Köln, 11. Februar 2009, veranstaltet von der Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen und der Chugai Pharma Marketing Ltd., Frankfurt/Main.Apothekerin Dr. Beate Fessler
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