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Arzneimittel und Therapie
Kindern zur besseren Verhaltenssteuerung verhelfen
Als Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung wird eine veränderte Fähigkeit zur Selbststeuerung bei Kindern und Jugendlichen beschrieben. Es treten Auffälligkeiten in den drei Verhaltensbereichen Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität auf. Dazu gehören eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit und erhöhte Ablenkbarkeit, eine ausgeprägte körperliche Unruhe und starker Bewegungsdrang sowie mangelnde kognitive und emotionale Impulskontrolle. Nur weil ein Kind solch ein Verhalten zeigt – was ab und an jedes Kind tut – darf man jedoch noch lange nicht von einer ADHS sprechen, so Prof. Dr. Michael Huss, Mainz. Für eine korrekte Diagnosestellung müssen die Zusatzkriterien erstmaliges Auftreten, Setting und Zeitstabilität erfüllt werden. Das heißt, die Störung muss vor dem siebten Lebensjahr aufgetreten sein. Das störende Verhalten muss situationsübergreifend in mehr als einem Setting auftreten. Verhält sich das Kind im familiären Umfeld normal, stört aber in der Schule massiv, so wäre eine Diagnose ADHS falsch. Und die Störung muss über mindestens sechs Monate bestehen. Angesichts der genetischen bzw. neurobiologischen Einflussfaktoren muss allerdings eine lebenslange Disposition angenommen werden, so dass dieses Sechs-Monats-Kriterium als eine methodische Untergrenze anzusehen ist. Zudem muss bei einer Diagnosestellung hinterfragt werden, ob die Symptome zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Leistungen und im Sozialbereich führen und nicht durch andere Ursachen wie Medikamenten-induzierte Störungen, organische Störungen oder Entwicklungsstörungen erklärt werden können. Als die beste Methode, eine zuverlässige Diagnose zu erstellen, bezeichnete Huss das ausführliche Interview mit einem erfahrenen Kliniker. Das sei allerdings sehr aufwändig. Den subjektiven Testverfahren wie Fragebogen oder Interview steht neuerdings mit dem Doppler-Radar ein objektives Messverfahren zur Seite, das die globalmotorische Unruhe, alle Bewegungen der Körperoberfläche, aufzeichnet und so hilft, die motorische Unruhe der Kinder zu bestimmen. In der Therapie sollte ein interdisziplinäres (medizinisches, psychologisches und pädagogisches) Konzept mit multimodaler Vorgehensweise, Beratung, Elterntraining, Verhaltenstherapie und Psychopharmakotherapie angestrebt werden. Zahlreiche Studien belegen signifikant die positive Wirkung von Stimulanzien in der Therapie der Kernsymptome der ADHS. Durch Methylphenidat, Amphetaminsulfat oder Atomoxetin werden Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität deutlich gelindert. Als Folge ermöglicht eine bessere Verhaltenssteuerung des Kindes ein günstigeres Lernverhalten sowie weniger psychosoziale Beeinträchtigung im gesamten Umfeld. In ca. 15% der Fälle lassen sich jedoch keine positiven Behandlungseffekte erzielen. Methylphenidat ist ein hochpotenter Wirkstoff, der amphetaminartig wirkt und letztlich eine Konzentrationserhöhung von Dopamin im Gehirn bewirkt. Entscheidet man sich für eine Medikation mit Methylphenidat, so bedeutet das eine große Verpflichtung: Es muss viel Zeit und Mühe in die gesamte Familie investiert werden, ansonsten werden viele Chancen vertan, die dieser Arzneistoff eröffnet.
Schlafstörungen unter Methylphenidat?
Mittlerweile stehen von Methylphenidat verschiedene retardierte Dareichungsformen zur Verfügung, die eine individuell optimierte Therapie ermöglichen. So sind Berichte, dass Kinder abends nicht müde werden, ein deutliches Zeichen für eine falsche Dosierung. Viele Eltern, die sich selber damit unwohl fühlen, ihrem Kind das Stimulanz Methylphenidat zu geben, setzen am Wochenende die Medikation ab. Von diesen drug holidays hält Huss nichts: Warum soll sich ein Kind am Wochenende nicht konzentrieren dürfen? "Meine Brille setze ich am Wochenende ja auch nicht ab", so Huss.
QuelleProf. Dr. Michael Huss, Mainz: ADHS und ADS. 10. Februar 2009, Pharmacon Davos.ck
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