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Arzneimittel und Therapie
Depressive Episoden müssen adäquat behandelt werden
In Deutschland leiden schätzungsweise vier Millionen Menschen an einer Depression. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Doch in nur etwa 30% der Fälle wird die Diagnose Depression gestellt und wenn die richtige Diagnosestellung erfolgt ist, werden viel zu wenige adäquat behandelt. Um die Situation zu verbessern, hat die WHO einen Fragebogen entwickelt, mit dem ein Screening auf depressive Störungen möglich ist (siehe Abb. unten). Bei einem Score unter 13 sollte gezielt nach den Symptomen einer Depression gesucht werden.
Zu den Hauptsymptomen einer Depression zählen:
- depressive Stimmung,
- Interesse- und Freudlosigkeit sowie
- Antriebsstörung/Energieverlust und Müdigkeit.
Sie können begleitet werden von
- einem Verlust an Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen und von übertriebenen Schuldgefühlen,
- Todes- und Suizidgedanken, Denk- und Konzentrationsstörungen sowie einer Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen,
- psychomotorischer Unruhe oder Gehemmtsein,
- Schlafstörungen,
- Appetit- und Gewichtsverlust.
Eine behandlungsbedürftige depressive Störung gemäß ICD 10 (International Classification of Disease; 10th Edition) liegt dann vor, wenn der Patient mindestens zwei Wochen lang unter mindestens zwei Haupt- und zwei Zusatzsymptomen leidet.
Menschen, die unter Depressionen leiden, sind in hohem Maße Selbstmord-gefährdet. Schätzungsweise 40 bis 70% von ihnen entwickeln Suizidideen, 20 bis 60% unternehmen Suizidversuche, 15% begehen Selbstmord. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche: bei ihnen ist der Suizid die dritthäufigste Todesursache.
Depressionen sind das Resultat von unterschiedlichsten Faktoren. So können beispielsweise schwere Erkrankungen wie ein Herzinfarkt im Zusammenspiel mit Persönlichkeitsmerkmalen oder einer genetischen Prädisposition eine depressive Episode auslösen. Aber auch aktuelle Belastungssituationen oder traumatische Erlebnisse können den Weg in die Depression bahnen. Neben einer Pharmakotherapie ist daher eine begleitende Psychotherapie unbedingt zu empfehlen.
Zur medikamentösen Behandlung einer Depression stehen unterschiedliche Wirkstoffklassen von Antidepressiva zur Verfügung. Sie reichen von tri- und tetrazyklischen Antidepressiva über selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (NRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), Monoaminooxidasehemmer (MAO-Hemmer) bis hin zu Lithium. Mit einer antidepressiven Wirkung ist erst nach einer Behandlungsdauer von zwei bis vier Wochen zu rechnen. Bleibt der Erfolg trotz ausreichend hoher Wirkspiegel auch nach acht Wochen Behandlung aus, dann ist ein weiterer Therapieversuch mit einem anderen Antidepressivum nach Möglichkeit aus einer anderen Klasse angezeigt. Von einer Therapieresistenz ist erst nach drei Therapieversuchen auszugehen, bei denen auch Lithium zusätzlich eingesetzt wurde und weitere Verfahren wie Schlafentzugsbehandlung, Lichttherapie, Psycho- und Soziotherapie zur Unterstützung herangezogen wurden.
Therapieversagen durch Non-Compliance
Häufig lässt sich ein Therapieversagen auf mangelnde Compliance zurückführen. Viele Frauen, denen Amitriptylin verordnet wird, nehmen das Medikament aus Angst vor einer Gewichtszunahme erst gar nicht ein oder setzen es ab, wenn sie merken, dass das Körpergewicht steigt. Eine Alternative können hier Vertreter aus der Gruppe der SSNRI sein, bei denen wiederum mit sexuellen Funktionsstörungen gerechnet werden muss. Häufig haben Patienten Angst vor einer Persönlichkeitsveränderung unter der antidepressiven Therapie. Diese Angst kann ihnen genommen werden, wenn sie verstehen, dass die Depression die Folge eines gestörten Gleichgewichts von Botenstoffen im Gehirn ist, das durch die Medikamente wieder unter Kontrolle gebracht wird.
Probleme offenansprechen
Um die Compliance sicherzustellen, ist es unerlässlich, arzneistoffspezifische Probleme im Beratungsgespräch offen anzusprechen. Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass Antidepressiva nicht sofort wirken. Dagegen machen sich Nebenwirkungen schon gleich zu Beginn der Therapie bemerkbar: Sie sind allerdings häufig von vorübergehender Natur. Mit einer einschleichenden Dosierung und einer abendlichen Gabe lassen sie sich in Grenzen halten. Geht es den Betroffenen besser, setzen viele von ihnen die Antidepressiva ohne Rücksprache mit dem Arzt einfach ab und riskieren damit einen Rückfall. Den Patienten muss klar gemacht werden, dass die Medikamente auch weiter eingenommen werden müssen, wenn sich die Symptomatik bessert. Damit das mithilfe der Antidepressiva wieder hergestellte Neurotransmitter-Gleichgewicht im Gehirn erhalten bleibt, müssen die Medikamente ausschleichend abgesetzt werden.
Werden Depressionen beziehungsweise depressive Episoden adäquat behandelt, dann ist mit einem Therapieerfolg in über 90% der Fälle zu rechnen. Bei einem Nichtansprechen auf therapeutische Maßnahmen sechs Monate nach Therapiebeginn steigt das Chronifizierungsrisiko exponenziell.
Quelle
Prof. Dr. Harald J. Freyberger, Stralsund: Depressive Störungen. Vortrag Pharmacon Davos, 8. Februar 2009.
Lange-Stricker A, Renner K: Der depressive Patient in der Apotheke. Seminar Pharmacon Davos, 9. Februar 2009.
Renner K: Pharmazeutische Betreuung depressiver Patienten. Pharm unserer Zeit. 2008; 37: 242-248.
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