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- DAZ 7/2009
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Arzneimittel und Therapie
Kommt die Anti-Aids-Pille?
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts sind in Deutschland fast 65.000 Menschen von einer HIV-Infektion betroffen oder haben bereits Aids, 3000 von ihnen infizierten sich im vergangenen Jahr. 25 Millionen Tote, 40 Millionen Infizierte – das ist die erschütternde Bilanz weltweit. Die Strategie, das Risiko einer HIV-Infektion drastisch zu senken, möglicherweise sogar auszuschließen, wird jetzt untersucht: Die US-Gesundheitsbehörde NIH testet eine Pille, die gesunde Menschen vor einer Infektion mit dem Aids-Erreger HIV schützen soll.
Das zuständige Bundesinstitut für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) bestätigte, dass der klinische Versuch derzeit in den Vereinigten Staaten, aber auch in anderen Ländern wie Brasilien, Thailand, Indien sowie Südafrika vorbereitet wird. Das NIAID ist an einer Studie (HPTN 052) beteiligt, die an insgesamt 1750 Paaren die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP) untersucht. Dabei ist jeweils ein Partner HIV-positiv, der andere nicht. An dem jetzt konzipierten Versuch sollen vorwiegend Interessenten mit einem hohen Ansteckungsrisiko, also Homosexuelle, Drogensüchtige und Prostituierte, teilnehmen. Vorab hatten Studien an Primaten darauf hingewiesen, dass der präventive Ansatz auch beim Menschen greifen könnte. Zwei unterschiedliche Medikamente sind im Test: Das eine enthält den Wirkstoff Tenofovir (Viread®), in Europa erster Vertreter der Wirkstoffklasse NtRTI (nukleosidanaloge Reverse Transkriptase-Inhibitoren) zur Therapie von HIV-Infektionen bereits 2002 zugelassen. Das andere zusätzlich Emtricitabin (Emtriva®). Erste Ergebnisse der Studie werden Mitte dieses Jahres erwartet.
Die Untersuchungen sind allerdings nicht unumstritten: Befürworter hoffen, dass die Anti-Aids-Pille die Zahl der Neuinfektionen senkt, bis ein wirksamer Impfstoff gegen das HIV entwickelt ist. Optimistische Schätzungen gehen von einer Reduktion des Infektionsrisikos um 60 bis 70% aus. Kritiker argumentieren, dass eine Präexpositionsprophylaxe niemals eine Aids-Impfung ersetzen könne. Auch seien die Nebenwirkungen nicht unerheblich: Die Medikamente können den Fettstoffwechsel stören, an Armen und Beinen nimmt das Unterhautfettgewebe ab, lagert sich aber an Bauch und Nacken an. Die Blutfettwerte können erhöht sein und möglicherweise auch das Risiko für einen Herzinfarkt. Laut US-Ärzten können die Arzneien sogar ein Nieren- und Leberversagen hervorrufen. Vor allem aber wird befürchtet, dass die neue Strategie die Angst vor ungeschütztem Sex nehmen und eher zu einer beschleunigten Verbreitung von HIV führen könnte. Auf jeden Fall sollte sie andere Mittel zur Prävention von HIV-Infektionen nicht ersetzen.
Quelle
García-Lerma, J. G.; et al.: Prevention of Rectal SHIV Transmission in Macaques by Daily or Intermittent Prophylaxis with Emtricitabine and Tenofovir. PLoS Medicine 2008, 5(2): 291– 299.
Dr. Hans-Peter Hanssen
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