- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 7/2009
- Irrweg Pick-up-...
Seite 3
Irrweg Pick-up-Betriebsordnung
Ist die ABDA im Begriff, sich in der "Pick-up-Frage" zu verrennen? In einem Brief, der in der AZ, der Montagsausgabe der Deutschen Apotheker Zeitung, veröffentlicht wurde, stimmte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf gegenüber Staatssekretär Rolf Schwanitz vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einer gesetzlichen Regelung von Arzneimittel-Pick-up-Stellen zu. Zuvor hatte die ABDA in einer Stellungnahme "im Interesse einer sicheren und für den Verbraucher transparenten Versorgung" (!) ihre Vorschläge zur Ausgestaltung der Arzneimittelabgabe via Pick-up-Stationen formuliert. Mit seinem überraschenden Placet sorgte Wolf für Irritationen, Kopfschütteln und zum Teil helle Empörung. Die ABDA-Hütte in der Jägerstraße brennt – zu den Motiven, beim "Pick-up-Kompromiss" mitzuwirken, äußert sich der ABDA-Präsident in einem Interview in dieser Ausgabe.
Aber auch Gesundheitspolitiker, die sich bislang in Übereinstimmung mit der offiziellen ABDA-Linie generell gegen die Zulassung von Arzneimittel-Pick up-Stellen ausgesprochen hatten, verstehen die offizielle Berufspolitik nicht mehr. Sie fühlen sich verschaukelt, zumal sie in den letzten Monaten in ihren Fraktionen nachdrücklich für ein Ende des "Systems Pick up" geworben hatten – und dies durchaus mit Erfolg: Noch Ende Juni letzten Jahres bestand im Bundestag fraktionsübergreifend Einigkeit, in den entstandenen Pick-up-Stellen für Arzneimittel einen "politisch ungewollten Auswuchs des Versandhandels" zu sehen. Unisono hatten Wolf Bauer (CDU/CSU), Marlies Volkmar (SPD), Daniel Bahr (FDP), Martina Bunge (Die Linke) und sogar Biggi Bender (Die Grünen), wahrlich keine Freundin inhabergeführter Apotheken, vor einer Banalisierung des Arzneimittelgebrauchs und der Aufhebung der Apothekenpflicht durch die Hintertür gewarnt. Und noch auf dem letzten Apothekertag war Staatssekretär Schröder mit seiner Forderung, Pick-up-Abholstellen anzuerkennen und rechtlich auszugestalten, bei Politikern und ABDA-Funktionsträgern gleichermaßen auf Ablehnung gestoßen. Das soll jetzt alles Schnee von gestern sein? Fest steht: Durch die Etablierung einer wie auch immer gearteten "Pick-up-Betriebsordnung" würde ein weiterer apothekenfremder Vertriebsweg für Arzneimittel zementiert und legalisiert – mit für Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit kaum mehr umkehrbaren Konsequenzen. Natürlich ist es perfide, wenn Staatssekretär Schwanitz der ABDA die Pistole auf die Brust setzt und mit Schreiben vom 29. Januar 2009 ankündigt, der Ausbreitung von Pick-ups weiterhin freien Lauf zu lassen, falls die ABDA den Vorgaben des BMG nicht bis spätestens 2. Februar (!) zustimmen sollte. Aber darf man vor diesem "Friss oder stirb" wirklich einknicken?
Gerade in der Pick-up-Frage waren (und sind?) noch längst nicht alle politischen Optionen ausgereizt. Die Opposition dagegen reicht weit über den Kreis derer hinaus, die den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln insgesamt ablehnen. Sie sollen jetzt alle vor den Kopf gestoßen werden, weil sich einige Hardliner als faktenresistent erweisen und auf stur schalten? Die nächste Wahl kommt bestimmt und sicherlich dürfte es den Ländern bitter aufstoßen, dass sie – neben der Apothekenaufsicht – jetzt auch noch die Kontrolle von Tausenden von Pick-up-Stellen bei Schlecker, dm & Co. aufgebürdet bekommen sollen. Spätestens mit Einführung des elektronischen Rezepts – so es denn kommt – wäre das Rezeptsammelverbot in der "Pick-up-Betriebsordnung" ohnehin nicht mehr das Papier wert, auf dem es steht. Und schließlich: Wie müssen sich unsere "Bündnispartner" in der Politik behandelt fühlen, wenn ihr Engagement gegen Pick-ups nunmehr von der ABDA ad absurdum geführt wird? "Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die ABDA den Versandhandel als solchen auch mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln und Abholstellen in Gewerbebetrieben nicht mehr in Frage stellt", freut sich Schwanitz in seinem Brief an die ABDA. Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Auf Unverständnis muss die Wolfsche Kehrtwende auch deshalb stoßen, weil die ABDA mit ihrem jetzigen Statement von einem Extrem ins andere fällt. Noch vor Jahreswechsel hatte sie – zumindest nach außen – die kompromisslose These gestützt, dass die Etablierung von Arzneimittelabholstellen außerhalb der Apotheke ausschließlich durch ein generelles Verbot des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verhindern sei. Kritikern dieser rigiden Linie (bei der Pick-ups für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel weiterhin akzeptiert werden sollten) warfen insbesondere die ABDA-Juristen immer wieder vor, der Standesvertretung in den Rücken zu fallen und die rechtlichen Konsequenzen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach dem dm-Urteil außer Acht zu lassen. Diese Alles-oder-nichts-Position war von Anfang an äußerst fragwürdig, zumal Anträge im Bundesrat, den Rx-Versandhandel zu verbieten, nach Intervention des BMG bei den Ländern kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen wurden. Aber auch rechtlich war die bisherige ABDA-Linie, die durch den präsidialen Briefwechsel mit dem BMG vollends konterkariert wird, nie plausibel. Unabhängig von einem Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel war und ist es nämlich durchaus möglich, Rezeptsammel- und Arzneimittelabholstellen außerhalb der Apotheke verfassungsfest zu verbieten. Auch das – inhaltlich wenig überzeugende – dm-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht dem, wie die Ausführungen von Hilko J. Meyer auf Seite 19 zeigen, nicht entgegen. Meyer ist ein anerkannter Experte auf dem Gebiet des Gesundheitsrechts. Seine berufliche Vita prädestiniert ihn, Stellung zu beziehen: Zunächst Leiter der ABDA-Rechtsabteilung, danach u. a. Justitiar beim Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) unterrichtet Meyer heute an der Fachhochschule Frankfurt/Main im Fachbereich Wirtschaft und Recht mit dem Schwerpunkt "Recht und Management im Gesundheitswesen". Sein Nein zu einer Legalisierung von Pick-up-Stellen kombiniert Meyer mit einem konkret ausformulierten Gesetzgebungsvorschlag, der im Rahmen der 15. AMG-Novelle Eins zu Eins umgesetzt werden könnte. Ob seine Warnung noch erhört wird? Und ob die Zeit noch reicht, dem Pick-up-Spuk ein Ende zu bereiten? Unser DAZ spezial versucht hierfür einen Beitrag zu leisten.
Christian Rotta
DAZ 7/2009, S. 3
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.