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Kongress
Apotheke bleibt Qualitätsmarke
Hoffnung schöpft der Apothekerstand aus dem Schlussantrag des Generalstaatsanwaltes im Verfahren zum Fremd- und Mehrbesitzverbot am Europäischen Gerichtshof. Es sei positiv zu bewerten, dass der Qualität der Arzneimittelversorgung des Patienten eine höhere Priorität als marktwirtschaftlichen Interessen gegeben werde. Die Leistung der Apotheker ist persönlich, wohnortnah, qualitätsgesichert und patientenorientiert. Allerdings wird, so kritisierte Preis, diese Leistung seit 2004 durch den Versandhandel empfindlich gestört. Das aktuelle Bestreben, in der AMG-Novelle Regelungen zu Pick-up-Stellen aufzunehmen, wird deshalb von den Apothekern begrüßt und zugleich kritisch und konstruktiv begleitet werden. Als eine der wichtigsten Herausforderungen nannte Preis die Prävention insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Gemeinsam mit den Ärzten und Krankenkassen bieten sich die Apotheker der Politik als konstruktive Ansprechpartner für diese wichtige Zukunftsaufgabe an.
Grußworte zur Veranstaltung sprachen die Bürgermeisterin der Stadt Wuppertal, Sylvia Kaut, und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Dr. Peter Hintze (MdB).
Apotheke: Pfeiler der Gesundheitsversorgung
Dr. Hintze versicherte, dass die Apotheker und die Bundesregierung an einem Strang ziehen. Schließlich ist die öffentliche Apotheke aus Sicht der Bundesregierung ein Pfeiler der Gesundheitsversorgung und zugleich ein wichtiger Bestandteil der urbanen Kultur. Die Vielgliedrigkeit des öffentlichen Apothekenwesens zeigt gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise ein hohes Maß an Stabilität. Sicher sei vieles im Apothekenmarkt in Bewegung. Genauso wie die Apotheker sehe auch die Bundesregierung im Plädoyer des Generalstaatsanwaltes ein gutes Omen für die Beibehaltung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes.
Hinsichtlich der Einschätzung des Versandhandels und der Pick-up-Stellen-Problematik schloss sich Dr. Hintze Preis an. Die wohnortnahe Versorgung durch die Apotheke stößt auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Wegen fachlicher Kompetenz, guter Beratung und verlässlichem Service genießt der Apotheker ein hohes Vertrauen. Außerdem, so Hintze, tragen die Gespräche in der Apotheke zur Gesundung der Patienten bei und vielfach bieten Apotheker in einem immer komplexer werdenden Gesundheitssystem eine zusätzliche Begleitung. Die Qualitätsmarke der inhabergeführten Apotheke sei wirtschaftlich stabil. Dafür spreche auch, dass trotz des Versandhandels die Zahl der Apothekenbetriebe im Jahr 2008 angestiegen ist und das Modell der Filialisierung sowohl von Inhabern als auch Angestellten angenommen wird.
Neue Zielgruppe: 80 plus
Professor Dr. Adelheid Kuhlmey erläuterte in ihrem Vortrag, welche Herausforderungen der demografische Wandel an die Arzneimittelversorgung zukünftig stellen wird. So fehlt bislang eine Beschreibung, was Gesundheit und angemessenes Leben im Alter – insbesondere hochaltriger Menschen über 80 Jahre – bedeute. Diese Gruppe stellt inzwischen den am schnellsten wachsenden Bevölkerungsteil in Deutschland dar. Vor allem Aspekte der Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit als typische Probleme dieser Altersgruppe werden bislang kaum berücksichtigt. Zukunftsaufgaben der Apotheker sind deshalb, kumulative Arzneimittelanwendungen bei dieser sensiblen Patientengruppe zu vermeiden, Ältere bei der Entwicklung subjektiver Gesundheitsvorstellungen zu unterstützen und Versorgungsdefizite zum Beispiel im Bereich Schmerzen auszugleichen. Gesundheit im Alter, so Kuhlmey, bedeutet die Lebensqualität zu erhalten.
Rabattverträge unter der Lupe
Herzstück der Veranstaltung war die Podiumsdiskussion zum Thema "Rabattverträge auf dem Prüfstand – effizienter Kostendämpfer oder notwendiges Übel?", die Dr. Antje Höning, Leiterin der Wirtschaftsredaktion der Rheinischen Post, moderierte. Als Vertreter der Krankenkassen nahmen Cornelia Prüfer-Storcks von der AOK-Rheinland sowie Dr. Johannes Vöcking von der Barmer Ersatzkasse teil. Thomas Preis vertrat die Interessen des Apothekerverbandes Nordrhein und Dr. Klaus Enderer sprach für die Kassenärztliche Vereinigung. Als Vertreterin der Patienten saß Eleonore Köth-Feige von der Landesseniorenvertretung Nordrhein-Westfalen auf dem Podium. Die Frage, was die Krankenkassen durch die Einführung der Rabattverträge an Kosten einsparen, beantworteten beide Vertreter der Krankenkassen ausweichend. Man dürfe dazu keine Stellung nehmen, weil dies wettbewerbsrechtliche Interessen der Hersteller verletze. Die Rabattverträge seien aber ein großes Einsparungsinstrument, um gegen den Trend der steigenden Ausgaben anzukämpfen, wobei sich – so Prüfer-Storcks – die Krankenkassen dieses Instrument nicht ausgesucht hätten. Als Alternative verwies sie auf die von den Herstellern abgelehnte Positivliste.
Die Auswirkungen der Rabattverträge auf die Therapiefreiheit des Arztes und die Compliance des Patienten machten die Ausführungen von Dr. Enderer und Köth-Feige deutlich. Für die Ärzte sei mit Einführung der Rabattverträge die Unübersichtlichkeit in der Preisgestaltung weiter gewachsen, wobei die ärztliche Therapiefreiheit davon kaum berührt werde. Aus Patientensicht kommt es vor allem bei älteren Patienten zu einer größeren Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Arzneimittel, was teilweise dazu führt, dass Arzneimittel wegen des häufigen Präparatewechsels gar nicht oder falsch angewandt werden.
Dass Retaxationen aufgrund der Rabattverträge gegenüber den Apotheken vorgenommen werden, schlossen sowohl Prüfer-Storcks als auch Dr. Vöcking für ihre Krankenkassen aus. Beide Krankenkassen erwarten keine 100-prozentige Umsetzung der Rabattverträge. Zum einen haben die Ärzte die Möglichkeit über die Aut-idem-Regelung, die Apotheker im Notfall, bei Nichtlieferfähigkeit des Herstellers oder aus pharmazeutischen Bedenken mit Begründung sich gegen eine Rezeptbelieferung gemäß Rabattvertrag zu entscheiden. Dies sei nach den bisherigen Erfahrungen in einem vernünftigen Umfang genutzt worden. Hier betonte Dr. Enderer, wie wichtig die heilberufliche Entscheidung des Apothekers sei, um keinen unnötigen Bürokratieaufwand in den Arztpraxen auszulösen. Preis sicherte die aktive Mitarbeit der Apotheker zu. Diese heilberufliche Verantwortung übernähmen die Apotheker gerne, wenn auf Seiten der Krankenkassen auf unnötige Retaxationen – wie im Falle von Barmer und AOK – verzichtet werde. Zum Erhalt des Gesundheitswesens müsse sparsam mit den vorhandenen Ressourcen umgegangen werden und dies wollen die Apotheker, so Preis, mittragen und aktiv mitgestalten.
Innovationen
Professor Dr. Hartmut Morck stellte Neues im Arzneimittelmarkt vor. Dabei machte er deutlich, dass die Idee, die Preisregulation über Innovationsgruppen zu regeln – Sprung-, Schritt- und Scheininnovationen – seit 2005 zu einem Paradigmenwechsel der Zulassungspolitik der Hersteller geführt hat. Dies sei der Grund, dass bei chronischen Erkrankungen wie HIV oder bei der Behandlung von Tumorerkrankungen neue Therapeutika auf den Markt kämen. Der Zuwachs an orphan drugs lasse sich ebenfalls auf politische Gründe zurückführen. So fördere einerseits die EU die Hersteller durch finanzielle Unterstützung, zum anderen bevorzuge die EMEA orphan drugs bei der Zulassung.
Wird 2010 ein schlechtes Jahr?
Rückblickend ist das Betriebsergebnis einer durchschnittlichen Apotheke in 2008 gegenüber 2007 um 1,8 Prozent gesunken und beträgt jetzt 6,2 Prozent vom Umsatz, wie Dr. Frank Diener von der Treuhand Hannover in seinem Vortrag berichtete. Die Ursachen dafür liegen im Rückgang des OTC-Markts um 1,9 Prozent gegenüber 2007, in der deutlichen Steigerung im Wareneinsatz um 3,3 Prozent und im Anstieg der Personalkosten um 4,9 Prozent. Sowohl der GKV Umsatz (plus 4,4 Prozent) als auch der PKV-Umsatz (plus 2,3 Prozent) haben sich in 2008 positiv entwickelt. Für die kommenden beiden Jahre – Dr. Diener fasste diese ausdrücklich als Ereignisrahmen 2009/2010 zusammen – prognostizierte er für das Jahr 2009 im Bereich des PKV-Umsatzes ein weiteres Plus. Für das Jahr 2010 bestehe jedoch das Risiko politischer Regulationen.
Auch im OTC-Bereich sei mit einem weiteren Umsatzrückgang von etwa zwei bis drei Prozent zu rechnen. Die Einkaufskonditionen werden für den verschreibungspflichtigen Sektor brutto stabil bleiben, aber netto dürfte eine Reduktion durch verschiedene Gebührenmaßnahmen zu erwarten sein. Die Personalkosten, so Diener, werden wegen der Tariferhöhung sowie wegen einer zunehmenden Lohndrift aufgrund der Personalknappheit weiter ansteigen. Insbesondere die Rabattverträge werden als Dauerphänomen den Arbeitsaufwand in den Apotheken steigern. Deshalb sind eine sinnvolle Personaleinsatzplanung oder auch die Anschaffung eines Kommissionierers sicherlich in 2009 und 2010 zu beachtende Aspekte.
Während bei der Rahmenvereinbarung für die Arzneimittelausgaben im Bereich der GKV für 2008 eine Anpassung um 5,2 Prozent und für 2009 in Höhe von 6,6 Prozent besteht, wird für das Jahr 2010 nur eine minimale Anpassung erwartet. Zusätzlich werden die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof als auch die der deutschen Regierung zum Pro oder Contra Liberalisierung weitere Einflüsse auf die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken haben.
Besondere Aufmerksamkeit sollte die Apothekerschaft der 15. AMG-Novelle widmen. Diese kann apothekenrechtlich eine Reihe von Veränderungen im Bereich des SGB V, des Heilmittelwerbegesetzes oder auch der Preisverordnung nach sich ziehen. Einige dieser Novellierungen könnten für die Apotheken bedrohlicher werden als eine negative Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Als Beispiele nannte Diener die Vergütung von Spezialrezepturen im Zytostatikabereich, Veränderungen des pharmazeutischen Großhandels sowie eine mögliche Entscheidung zu den Pick-up-Stellen.
Einen weiteren Unsicherheitsfaktor birgt die ausstehende Anpassung des Kassenzwangsrabatts. Die Verhandlungen stockten derzeit bekanntlich wegen einer Intervention des BMG.
Darüber hinaus sei wegen der allgemeinen Rezession mit einem GKV-Spargesetz zu rechnen – hier ginge es nicht mehr um das "Ob", sondern lediglich um das "Wann".
Diener prognostizierte deshalb für das Jahr 2009 eine Verbesserung des Betriebsergebnisses einer durchschnittlichen Apotheke, während im Jahr 2010 eine Verschlechterung sehr wahrscheinlich sei. Er forderte deshalb die Apothekenleiter auf, sich mit der strategischen Ausrichtung ihres jeweiligen Betriebes auseinanderzusetzen und dabei die betrieblichen Wertschöpfungsprozesse aus Sicht der Apothekenkunden zu beurteilen.
Behindertensport
ABDA ab 2009 Förderer des Deutschen BehindertensportsDie Unterstützung der Paralympics durch die Apothekerschaft als Co-Förderer im vergangenen Jahr war ein großer Erfolg. Die Apotheker hatten durch Flyer und Plakate auf dieses wichtige Sportfest hingewiesen. Nie zuvor hatten so viele Zuschauer an den Bildschirmen die Wettkämpfe im Behindertensport verfolgt. Wie wichtig die Förderung des Behindertensports ist, bestätigte der aus Wuppertal stammende zweimalige Goldmedaillengewinner im Tischtennis, Jochen Wollmert: Auch Paralympicsteilnehmer sind Leistungs- und Spitzensportler, die für das Training von ihren Arbeitgebern freigestellt werden müssen, was vielfach erst durch die Unterstützung der Wirtschaft möglich ist. Jochen Wollmert, Professor Hartmut Morck und Thomas Preis nutzten die Gelegenheit anlässlich des ersten Zukunftskongresses in Nordrhein, die zukünftige Unterstützung der ABDA als Förderer des Deutschen Behindertensports zu verkünden.
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Laborgeflüster
Als Abschluss der Veranstaltung referierte der Amtsapotheker aus Wuppertal und Remscheid, Dr. Holger Goetzendorff, über die "Apotheke der Welt", das Bayerwerk in Elberfeld und das Apothekenlabor. Während die Labore in Elberfeld eine systematische Forschung erlaubten, werden die Labore in den Apotheken heute vorwiegend für die Identitätsprüfungen von Ausgangsstoffen für die Rezeptur genutzt werden. Dr. Goetzendorff rechnete dabei vor, dass in jeder der rund 21.500 Apotheken pro Jahr 80 Stoffe geprüft werden, das entspreche 1,7 Millionen Prüfungen pro Jahr. Veranschlagt man für jede Prüfung etwa eine Stunde, ist jede Apotheke zehn Tage im Jahr allein mit der Prüfung von Ausgangsstoffen beschäftigt. Er stellte deshalb die Frage, ob es nicht sinnvoll sei, Ausgangsstoffe wie Fertigarzneimittel zu behandeln, nur noch stichprobenartig Identitätsprüfungen durchzuführen und die Lieferung von Ausgangsstoffen nur durch autorisierte Hersteller zu gestatten. Dieses Modell gebe es bereits in Holland und habe sich dort bewährt.
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