DAZ aktuell

Unmut über Sonderweg in Baden-Württemberg

STUTTGART (du). Nach langem Ringen steht jetzt endlich ein nichtadjuvantierter Influenza-A/H1N1-Spaltimpfstoff der Firma CSL Biotherapies für die Impfung von Schwangeren zur Verfügung. Wie der Impfstoff zu den Gynäkologen kommt, ist Sache der Länder. In der Regel wird auf bewährte Systeme unter Einbeziehung von pharmazeutischem Großhandel und Apotheke zurückgegriffen. In Baden-Württemberg sorgt allerdings die vorgesehene Verteilung über den Fahrdienst der Laborärzte unter Umgehung des bewährten Vertriebswegs Apotheke für Unmut.

Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen nichtadjuvantierten Influenza-A/H1N1-Spaltimpfstoff mit dem Namen CSL H1N1 Pandemic Influenza Vaccine. Er wird mithilfe von Hühnereiern gewonnen. Von ihm sollen bundesweit 150.000 konservierungsmittelfreie Einmalfertigspritzen zur Verfügung gestellt werden (s. Kasten "Wichtiges aus der Fachinfo"). Damit steht eine nichtadjuvantierte Spaltvakzine zur Verfügung, wie sie die STIKO zur Impfung von Schwangeren ab dem zweiten Trimenon empfohlen hatte.

Grundlage für die Aufteilung unter den einzelnen Bundesländern sind die Geburtenzahlen des vergangenen Jahres. Wie sicherstellt wird, dass der begehrte Impfstoff auch tatsächlich bei den Gynäkologen zur Impfung von Schwangeren ankommt, ist Ländersache.

Bewährte Vertriebswege

In Thüringen habe man, so Apotheker Stefan Fink, Vorsitzender des LAV Thüringen, den bewährten Weg über Großhandel und Apotheken gewählt. Gynäkologen verordnen dort auf einem Sonderrezept den Impfstoff, die Schwangere löst dieses Rezept in einer Apotheke ihrer Wahl ein. Die Apotheke bezieht den Impfstoff vom Großhandel und stellt ihn der Schwangeren zur Abholung zum Impftermin bereit. Auch in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern sind Großhandel und Apotheken eingebunden.

Wie bei dem Pandemieimpfstoff Pandemrix® sind in Niedersachsen der Großhandel und die Pandemieimpfstoff-Bezugsapotheken für die Lieferung der insgesamt ca. 14.200 Impfstoffdosen an die Gynäkologen zuständig.

In Nordrhein-Westfalen greift man ebenfalls auf die guten Erfahrungen mit der Verteilung von Pandemrix® zurück. Etwa 33.000 Dosen des CSL-Impfstoffs werden über die unteren Gesundheitsbehörden (Gesundheitsämter) und ausgewählte Apotheken an die Gynäkologen verteilt. Zu Beginn einer Woche melden die Gynäkologen unter Nennung des Namens der Schwangeren dem zuständigen Gesundheitsamt den Bedarf für Impfungen der nächsten Woche. Das Gesundheitsamt ordnet die Bestellungen den Apotheken zu, die dann über den Pharmagroßhändler Phoenix den Impfstoff besorgen. Die Apotheken stellen den gynäkologischen Praxen die Impfstoffe zu und erhalten von diesen die Sprechstundenbedarfs-Verordnungen (Muster 16) zulasten des "Impffonds Nordrhein-Westfalen" mit den von den unteren Gesundheitsbehörden festgelegten Mengen.

In Bayern konnten Apotheken Pandemrix® zunächst nur über eine auf 500 Dosen begrenzte Bezugsberechtigung erhalten. Sie ist seit dem 14. Dezember 2009 nicht mehr notwendig. Den CSL-Impfstoff kann jede Apotheke bei Vorliegen einer Individualverordnung durch einen Gynäkologen über den Großhandel beziehen. Die Menge ist auf 10 Einzeldosen pro Apotheke und Tag begrenzt. Es wird empfohlen, die Bestellungen zu sammeln. Insgesamt stehen Bayern etwa 22.900 Impfstoffdosen der CSL-Vakzine zur Verfügung.

Experiment Laborärzte-Fahrdienst

Auf die Nutzung solcher bewährten Systeme hat man in Baden-Württemberg verzichtet. Wie eine Sprecherin des Sozialministeriums Baden-Württemberg gegenüber der DAZ erklärte, werden etwa 20.000 Impfstoffdosen vom Landesgesundheitsamt an die Gesundheitsämter verteilt, die dann das weitere Vorgehen koordinieren. Dabei wird nicht auf die Apotheken, sondern auf den Fahrdienst der Laborärzte zurückgegriffen. Im Detail sieht das Vorgehen so aus, dass Schwangere sich sowohl bei ihrem niedergelassenen Gynäkologen als auch in einer Klinik impfen lassen können. Die impfenden Ärzte oder Kliniken melden den Gesundheitsämtern ihren Impfstoffbedarf mittels Rezeptverordnung. Sofern die Gesundheitsämter aus Kapazitätsgründen den Impfstofftransport selbst nicht durchführen können, sollen die Fahrdienste der niedergelassenen Laborärzte diese Aufgabe übernehmen. Dieses Vorgehen stößt bei dem Präsidenten der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Dr. Günther Hanke, auf massive Kritik (s. Interview). Es sei nicht verständlich, dass plötzlich ein bewährter Weg der Arzneimittelsicherheit nicht mehr beschritten wird. Die Apotheker hätten keine Mühen gescheut, um den Mangel bei Pandemrix® mit großem Aufwand abzufedern. Das Impfstoffbestandsportal auf der Internetseite der Landesapothekerkammer funktioniere sehr gut.

Und auch auf einen wichtigen Aspekt zum Thema Arzneimittelsicherheit wies Hanke hin: Die Rückmeldung von Nebenwirkungen über Apotheken werde bei dem vorgesehenen Weg nicht mehr möglich sein.

Wichtiges aus der Fachinfo

Die Zulassung für den Impfstoff CSL H1N1 Pandemic Influenza Vaccine wurde am 25. November 2009 durch das Paul-Ehrlich-Institut erteilt. Zulassungsinhaberin ist die CSL Biotherapies GmbH in Marburg.
Zusammensetzung: Die A/H1N1-Spaltvakzine wird mit Hilfe von Hühnereiern gewonnen und enthält 15 Mikrogramm Hämagglutinin. Sie ist zugelassen zur Immunisierung von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab einem Alter von 10 Jahren. Es wird eine einmalige Immunisierung mit 0,5 ml Suspension empfohlen. Der Impfstoff steht in Deutschland jedoch nur zur Immunisierung von Schwangeren ab dem 2. Trimenon zur Verfügung.
Liste der sonstigen Bestandteile
Natriumchlorid
Dinatriumphosphat (wasserfrei)
Natriumdihydrogenphosphat-Dihydrat
Kaliumchlorid
Kaliumdihydrogenphosphat
Kalziumchlorid
Wasser für Injektionszwecke
Schwangerschaft: Zur Anwendung in der Schwangerschaft heißt es in der Fachinformation:
Daten über Impfungen bei Schwangeren mit verschiedenen inaktivierten, saisonalen trivalenten Impfstoffen weisen nicht auf Missbildungen oder fötale oder neonatale Toxizität hin.
Eine Reproduktionsstudie bei Tieren mit CSL trivalentem Impfstoff hat keine Toxizität des Impfstoffs für die Mutter und/oder die Entwicklung der Föten gezeigt.
Nebenwirkungen: Zu den zu erwartenden Nebenwirkungen heißt es:
Es ist davon auszugehen, dass die Nebenwirkungen ähnlich denen sein werden, die nach der Impfung mit saisonalen trivalenten Influenza Impfstoffen spontan gemeldet wurden.
Dauer der Haltbarkeit
1 Jahr
Aufbewahrung
Im Kühlschrank lagern (2 °C bis 8 °C). Nicht einfrieren. Die Spritze im Umkarton aufbewahren, um den Inhalt vor Licht zu schützen.
Behältnis
0,5 ml Suspension in einer Fertigspritze, (Glas, Typ I) mit Stopfen (Chlorbutyl-Injektionsstopfen) und fester Nadel.
Packungen mit 1 oder 10 Stück.
Es werden möglicherweise nicht alle Packungsgrößen in den Verkehr gebracht.
Handhabung
Der Impfstoff sollte vor Verabreichung auf Raumtemperatur gebracht werden. Vor Gebrauch schütteln. Nach dem Schütteln sollte der Impfstoff als homogene Suspension erscheinen.
Quelle: Fachinformation CSL H1N1 Pandemic Influenza Vaccine. Stand 25. November 2009

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.