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- DAZ 51/2009
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DAZ aktuell
Transparenz gefordert
Erneut hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, dass von einigen Arzneimittelherstellern Erkenntnisse über Arzneimittel unter Verschluss gehalten werden. Diese Hersteller nehmen damit bewusst in Kauf, dass Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln ohne Nutzen – möglicherweise aber mit Schaden – behandelt werden. Die ÄrztInnen und PharmazeutInnen im VDÄÄ und VDPP protestieren auf das Schärfste gegen diese Praxis.
Offensichtlich haben Leben und Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten bei diesen pharmazeutischen Herstellern eine niedrigere Priorität als die Vermarktung ihrer Produkte. Der Pharmakonzern Pfizer hat zur Bewertung des Antidepressivums Reboxetin (Edronax®) lediglich einen kleineren Teil der vorhandenen Daten eingereicht. Die überwiegende Zahl der Studien wurde zurückgehalten. Nur unter öffentlichem Druck sind die lange vorliegenden wissenschaftlichen Daten endlich herausgegeben worden. Nach Auswertung der Daten konnte kein Nutzen von Reboxetin bei Depressionen belegt werden. Im Gegenteil, Patientinnen und Patienten brachen die Therapie mit Reboxetin häufiger wegen unerwünschten Nebenwirkungen ab. Reboxetin ist bereits seit 1998 in Deutschland auf dem Markt. Wie viele Menschen sind also erfolglos mit dem Wirkstoff Reboxetin behandelt worden?! Auch für andere Arzneimittel, etwa gegen die Alzheimer-Krankheit oder Diabetes, ist bekannt, dass Daten aus wissenschaftlichen Studien von Herstellern zurückgehalten werden. Wir halten dies für eine skandalöse Situation. Sie besteht in Deutschland seit Jahren unverändert – im Unterschied zu den USA, wo öffentliche Studienregister inzwischen eingeführt sind und für Transparenz sorgen. Der VDÄÄ und VDPP sehen auch diejenigen Patientinnen und Patienten betrogen, die oft unter Appell an ihr soziales Verantwortungsgefühl eingewilligt haben, sich an klinischen Arzneimittelstudien zu beteiligen, wenn die Studienergebnisse dann nicht oder unvollständig veröffentlicht werden.
Die Arzneimittelbewertung durch das IQWiG ist eine längst überfällige, notwendige Qualitätsvoraussetzung in der Arzneimittelversorgung. ÄrztInnen und ApothekerInnen sind für ihre Arbeit in der Versorgung und der Beratung von Patientinnen und Patienten, in der Auswahl der Arzneimitteltherapie und in der Beurteilung der Therapieerfolge darauf angewiesen, über Kenntnisse aus der bestmöglichen und aktuellsten Studienlage zu verfügen. Nur so können sie den Patientinnen und Patienten die für sie am besten geeignete Therapie angedeihen lassen.
VDÄÄ und VDPP fordern den Bundesminister Dr. Rösler auf, dafür Sorge zu tragen, dass alle Arzneimittelstudien in öffentlich zugänglichen Registern erfasst und alle Studienergebnisse veröffentlicht werden. Die Erfüllung dieser auch vom IQWiG formulierten Forderungen ist im Sinne der Therapiesicherheit und der professionellen Ansprüche auf höchstmögliche Versorgungsqualität essenziell.
Stattdessen ist zu befürchten, dass mit der nach Medienberichten bevorstehenden Ablösung des Leiters des IQWiG, Prof. Sawicki eine gezielte Schwächung des Instituts als industrieunabhängige Instanz erfolgen soll.
Prof. Dr. Wulf Dietrich (Vorsitzender des VDÄÄ) Florian Schulze (Mitglied im Vorstand des VDPP)
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