- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 51/2009
- Retaxfalle "Zuzahlungs-...
Praxis
Retaxfalle "Zuzahlungs-Falle"
Zuzahlungen der Versicherten für Leistungen der Krankenkassen sollen zwei Aufgaben erfüllen: zusätzliche Finanzierung und Steuerung der Nachfrage.
Eine erfolgreiche Steuerung setzt jedoch voraus, dass der Patient die Zuzahlungen für unterschiedliche Leistungen kennt und darauf reagieren kann. Angesichts der vielfältigen und verwirrenden Zuzahlungsregeln ist das längst nicht mehr möglich. So gibt es halbe und ganze Zuzahlungsbefreiungen, diese können sich aus Rabattverträgen, Bonusmodellen der Krankenkassen, verordneten Produkten oder dem Abstand des Arzneimittelpreises vom Festbetrag ergeben. Die ganze Dimension des Durcheinanders wird in den Rezeptaufdrucken "vermutlich zuzahlungsbefreit" deutlich – offenbar ist die Zuzahlungsfrage mit der Arztsoftware nicht zuverlässig zu beantworten. Umso größer ist dann die Enttäuschung der Patienten, wenn sie in der Apotheke erfahren, dass sie trotz des Aufdruckes zahlen müssen, weil sich irgendeine Regelung geändert hat.
Daher erschweren solche Aufdrucke die mühsamen Erläuterungen zur Zuzahlung teilweise noch weiter. Dies gilt erst recht für Hinweise in den Medien über entfallende Zuzahlungen, die nicht jede Einzelregelung für jede Krankenkasse und jedes Rabattarzneimittel berücksichtigen können. Solche Berichte wecken falsche Erwartungen bei den Patienten und machen den Apothekenteams zusätzliche Mühe.
Sonderregeln erschweren Datenverarbeitung
Doch auch der formal korrekte Umgang mit den relevanten Daten kann zu neuen Problemen führen: In manchen Bonusmodellen müssen Patienten für Rabattarzneimittel keine Zuzahlung leisten, wenn sie und ihr Arzt an einem Hausarztmodell teilnehmen. Die Arztpraxis soll dann statt der regulären Krankenkassennummer eine spezielle Nummer auf das Rezept drucken. Dies kann jedoch zu Abrechnungsproblemen führen, wenn auf dem Rezept zusätzlich nicht befreite, nicht rabattierte Arzneimittel verordnet werden. Außerdem fehlt dann in der Apotheke die eigentliche Krankenkassennummer. Diese ist aber ein wichtiger Informationsträger. Dies wurde bereits in früheren Folgen dieser Serie vielfach erläutert und wird auch in der Abbildung deutlich. Nur mit dieser Nummer können die Rabattverträge der jeweiligen Krankenkasse sicher berücksichtigt werden. Die Krankenkassennummer sollte daher nicht als Symbol für Zuzahlungsbefreiungen zweckentfremdet werden.
Mindestens ebenso problematisch sind Sonderregelungen einzelner Kassen mit variablen Bedingungen. So sichern einzelne Krankenkassen ihren Patienten pauschal zu, dass sie keine Zuzahlung für Rabattarzneimittel leisten müssen, wenn dazu vergleichbare Generika ohne Zuzahlung zu erhalten wären. Eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht muss aber stets ausdrücklich von der Krankenkasse ausgesprochen werden. Nicht einmal bei der "30 Prozent unter Festbetrag"-Regel gibt es eine automatische Zuzahlungsbefreiung. Gemäß § 31 Absatz 3 SGB V kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Zuzahlungsbefreiungen für diese Arzneimittel nur aussprechen, wenn daraus Einsparungen zu erwarten sind.
Zuzahlungsstatus – prüfen oder nicht?
Mit der Zahl der Regeln und Ausnahmen steigt auch die Zahl der Retaxationen im Zusammenhang mit Zuzahlungen. Nach den Erfahrungen aus dem Retaxforum werden Fehler bei den Zuzahlungen zunehmend retaxiert. Dabei wird den Apotheken auch der falsch gekennzeichnete Zuzahlungsstatus belastet. Um solche Retaxationen zu vermeiden, sollten folgende vertragliche Verpflichtungen in den Apotheken beachtet werden:
- Wenn kein Zuzahlungsfeld angekreuzt ist, muss der Zuzahlungsstatus des Patienten in der Apotheke anhand des Befreiungsausweises überprüft werden. Befreiungsdatum und Gültigkeit sollten auf dem Rezept vermerkt werden.
- Wenn beide Statusfelder angekreuzt sind, gilt die gleiche Regelung wie ohne ein Kreuz.
- Wenn der Zuzahlungsstatus eindeutig angekreuzt ist, ist die Apotheke nicht zur Prüfung verpflichtet.
Der Fall, dass ein Rezept, bevor es in der Apotheke vorgelegt wird, manuell von "geb. pflichtig" auf "frei" geändert wurde, ist in den einschlägigen Verträgen nicht ausdrücklich geregelt. Nach Erfahrungen des Retaxfallen-Autors Dieter Drinhaus stellen sich einige Prüfzentren jedoch auf den Standpunkt, in der Apotheke müssten solche Fälle überprüft werden. Falls der Patient zum Abgabezeitpunkt dennoch (wieder) gebührenpflichtig war, werden die nicht erhobenen Zuzahlungen retaxiert. Um dies zu vermeiden, müssten Apotheker ihre Patienten befragen, wer das Rezept geändert hat. Dies könnte zu äußerst peinlichen Situationen führen.
Retaxiert wurde sogar ein Rezept, bei dem das ursprüngliche "geb. pflichtig"-Kreuz in der Arztpraxis maschinell unkenntlich gemacht und manuell "geb. frei" angekreuzt wurde. Auch in diesem Fall erwartete die Prüfstelle eine Prüfung in der Apotheke. Dagegen kennt der Retax-Experte Dieter Drinhaus keinen Fall, in dem eine Prüfstelle eine Zuzahlung zurückerstattet hätte, weil für einen befreiten Patienten irrtümlich "geb. pflichtig" angekreuzt war.
Typische Problemfälle
Eine wichtige Ursache für falsch erhobene Zuzahlungen ist die Kundenkarte. Denn die gespeicherten Angaben können sich schnell ändern und sollten daher immer wieder überprüft werden (siehe Retaxfalle Kundenkarte in DAZ 17, Seite 61). Doch nicht nur der Befreiungsstatus von Patienten kann sich ändern, sondern auch die produktbezogenen Befreiungsregeln. Darum sind Retaxationen zuzahlungsbefreiter Arzneimittel bei gebührenpflichtigen Patienten aus Apothekensicht besonders tückisch. Obwohl sich der Zuzahlungsstatus seit der Abgabe geändert haben könnte, denken Apotheker häufig an einen eigenen Fehler. Doch sollten sie genau überprüfen, ob das Produkt zum Zeitpunkt der Abgabe möglicherweise doch gebührenfrei war.
Apotheken sind nicht zum nachträglichen Gebühreneinzug bei irrtümlich als frei gekennzeichneten Rezepten verpflichtet. Wenn die Apotheke allerdings retaxiert wird, liegt es jedoch nahe, den Patienten zu informieren und die Zuzahlung nachträglich zu erheben, rät Retax-Experte Dieter Drinhaus. Die Lieferverträge sprechen jedenfalls nicht dagegen, weil es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene bzw. vertraglich vereinbarte Zahlung handelt.
Tückische Sonderfälle
Ein weiteres Problem sind nicht einbringbare Zuzahlungen. Retaxfallen-Autor Dieter Drinhaus betont, dass die Krankenkasse solche Zuzahlungen selbst erheben muss, berichtet aber über einen solchen Fall, der von der Krankenkasse dennoch retaxiert wurde. Die Apothekerin hatte auf dem Rezept vermerkt, dass die Zuzahlung trotz Mahnung und Einschaltung eines Rechtsanwaltes nicht einzutreiben war. Bereits zwei Adressen des Patienten hätten sich als falsch erwiesen. Die Krankenkasse lehnte den Einspruch gegen die Retaxation dennoch ab.
Darüber hinaus können einige Sonderfälle erfahrungsgemäß zu Verwirrung im Apothekenalltag führen. So sind Impfstoffe für öffentlich empfohlene Schutzimpfungen gebührenfrei. Die Impfstoffe werden meist als Sprechstundenbedarf abgerechnet, manchmal aber auch als Einzelverordnungen. Dann müssen insbesondere die Altersgrenzen beachtet werden. Denn einige Impfungen sind nur für bestimmte Altersgruppen empfohlen und nur für diese Altersgruppen dann auch von der Zuzahlung befreit. Diese feine Unterscheidung kann üblicherweise in der Apotheken-EDV nicht dargestellt werden und muss daher überprüft werden. Falls daraufhin die Zuzahlung manuell auf "frei" geändert werden muss, empfiehlt es sich, einen diesbezüglichen Vermerk auf dem Rezept anzubringen, um eventuellen Retaxationen vorzubeugen.
Eine Besonderheit unter den Impfungen bildet die HPV-Impfung, die nur bis zum vollendeten 17. Lebensjahr öffentlich empfohlen wird. Bis zum 18. Lebensjahr ist die Patientin ohnehin gebührenfrei, später müsste sie die Zuzahlung leisten. Doch ab dem 17. Lebensjahr ist die Krankenkasse nicht mehr zur Zahlung des Impfstoffes verpflichtet. Da hierzu mitunter Sondervereinbarungen mit den Patientinnen bestehen, empfiehlt sich die Rücksprache mit der Krankenkasse oder die Abrechnung als Privatrezept, das die Kundin dann selbst mit der Krankenkasse abrechnen kann.
Einen weiteren Sonderfall bildet die Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz). Bei angeblich gebührenfreien Rezepten zulasten der Bundespolizei rät Apotheker Dieter Drinhaus zur Vorsicht, denn für Versicherte dieses Kostenträgers gibt es keine Zuzahlungsbefreiung für Arzneimittel. Hilfsmittelverordnungen können hingegen befreit sein.
Zuzahlungen für Hilfsmittel
Bei gebührenpflichtigen Patienten ist die Zuzahlung für Hilfsmittel auf 10 Euro pro Monat begrenzt. Nach Auskunft der Apothekerverbände bezieht sich diese Grenze auf den Kalendermonat. Doch ist das Erreichen der Grenze im Apothekenalltag schwer zu überprüfen. Offensichtlich ist der Sachverhalt nur, wenn die Grenze bereits mit einem Rezept überschritten wird. Ob der Versicherte hingegen in dem betreffenden Monat schon weitere Hilfsmittel aus der jeweiligen Apotheke bezogen hat, kann nur überprüft werden, wenn er zuvor der Speicherung seiner Daten zugestimmt hat. Auch dies würde nicht weiterhelfen, wenn der Patient in mehreren Apotheken Rezepte eingelöst hat. Daher sollten Patienten stets eine Quittung über Hilfsmittelzuzahlungen erhalten. Dann können die Versicherten selbst bei ihrer Krankenkasse eine Rückerstattung beantragen.
Wegen der Monatsgrenze von 10 Euro kann die Zuzahlung bei Quartalsrezepten bis zu 30 Euro betragen. Entsprechende Anzeigen der Apothekencomputer sind also keineswegs EDV-Fehler. Leider sind etliche Fälle bekannt, bei denen die vermeintlich fehlerhaften EDV-Angaben irrtümlich auf 10 Euro korrigiert wurden. Dies hat nach Erfahrungen aus dem Retaxforum schon häufiger dazu geführt, dass der Apotheke die fehlenden 20 Euro retaxiert wurden.
Für die Milchpumpen-Miete und die dazugehörigen Verbrauchsmaterialien fällt grundsätzlich keine Zuzahlung an. Auch wenn das Rezept auf den Namen der Mutter ausgestellt sein sollte, gilt dies als Versorgung des Kindes und ist damit zuzahlungsfrei.
Praxistipp
Grundsätzlich – ob bei Arzneimitteln oder Hilfsmitteln – empfiehlt Retaxfallen-Autor Dieter Drinhaus, Zuzahlungen nicht aufgrund von mündlichen Patientenangaben zu reduzieren. Denn es gilt der vertraglich festgelegte Grundsatz: Wenn der Patient seine Befreiung nicht nachweisen kann, gilt er im Zweifel als gebührenpflichtig. Die Prüfstellen würden nach den aus Apotheken bekannten Erfahrungen in solchen Fällen retaxieren.
LiteraturRetaxfallen: eine Sammlung aus der Praxis Dies ist die letzte Folge der DAZ-Serie Retaxfallen. Noch mehr Retaxbeispiele erfahren Sie in dem neuen Loseblattwerk Retaxfallen von Dieter Drinhaus und Johann Fischaleck, das ab Februar 2010 beim Deutschen Apotheker Verlag lieferbar ist. Wenn Sie das Werk kaufen möchten, können Sie es jetzt schon bestellen. ISBN: 978-3-7692-5000-8, Preis: 59,– Euro Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart oder im Internet unter: www.dav-buchhandlung.de oder per Telefon unter: (07 11) 25 82 - 3 41 oder - 3 42 |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.