- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 51/2009
- Patientenindividuelles ...
Aus Kammern und Verbänden
Patientenindividuelles Stellen von Arzneimitteln
Von den Altenheimen wird es immer öfters gefordert: die versorgende Apotheke nach § 12a ApoG soll die Arzneimittel für die Heimbewohner patientenindividuell stellen. Unabhängig von der Kostenfrage für die Apotheke stellt sich die Frage nach den rechtlichen Bestimmungen, nach der Qualität dieser Versorgung und nach der Arzneimittelsicherheit. Welche Vorteile und Nachteile hat das patientenindividuelle Stellen von Arzneimitteln? Soll der Markt zukünftig auch auf die Chronikerversorgung ausgeweitet werden, zentral von einzelnen Lieferanten aus? Ist die Haftungsfrage geklärt? Welche Anforderungen an die Qualität dieser Form der Arzneimittelversorgung sind zu fordern und zu beachten? Hierzu wurde von der APD am Ende der Tagung eine Resolution erarbeitet und einstimmig verabschiedet (s. Kasten).
Grußworte sprachen für die Staatsregierung Nordrhein-Westfalen Ministerialrat Walter Frie und für die Apothekerkammer Westfalen-Lippe die neugewählte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening. Frie betonte die Funktion der Tagung als wichtigen Beitrag zur Harmonisierung der Apothekenüberwachung und hinterfragte kritisch das Erscheinungsbild mancher Apotheken als "Kaufladen" und nicht als Gesundheitseinrichtung.
Auch Overwiening forderte die stärkere Ausrichtung des Apothekers als Heilberuf und verwies dabei auf die Qualitätsoffensive der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Über aktuelle Änderungen in der Apothekengesetzgebung berichtete die Leiterin des Referates "Arzneimittelzulassung und ‑qualität, Apothekenbetrieb" im BMG, Ministerialrätin Dr. Dagmar Krüger. Sie stellte die wesentlichen Änderungen der 15. AMG-Novelle vor. So wird die Arzneimittelherstellung durch Ärzte jetzt auch vom AMG erfasst, Großhändler werden in den öffentlichen Versorgungsauftrag mit einbezogen, und bei Nutzung der Standardzulassungen gilt ab 01. 01. 2010 eine Anzeigepflicht.
Ministerialrat Walter Frie, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, berichtete über die Tätigkeit der Arbeitsgruppe "Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen" (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG). Das wichtigste Thema war natürlich die Pandemieprophylaxe mit den Modalitäten der Impfstoffverteilung.
Besonders freuten sich die Tagungsteilnehmer, die neue Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Erika Fink, begrüßen zu dürfen. Fink zeigte sich sehr zufrieden mit dem EuGH-Urteil und forderte die Apotheken auf, jetzt klar zu machen, dass sie unersetzbar für den Verbraucher sind. Dazu gehört eine gute qualitätsgesicherte Beratung mit dem Apotheker als Gesundheitsmanager. Der Apotheker verkauft keine Ware, sondern Problemlösungen.
Die APD dankte ausdrücklich dem Geschäftsführer der ABDA für Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht, Lutz Tisch, für seinen immensen Einsatz beim EuGH-Verfahren. Tisch beleuchtete die aktuelle Gesetzgebung aus der Sicht der ABDA. Er betonte, dass der Staat dem freien Heilberuf Apotheker Aufgaben und Gemeinwohlpflichten und als Gegenleistung zur Erfüllung dieser Aufgaben auch Rechte übertragen hat, die auch für ein erträgliches Auskommen des freien Heilberufes sorgen sollen. Die Preisfreigabe der OTC-Produkte ist dafür kontraproduktiv, ebenso der Versandhandel mit den Auswüchsen Pick-up-Stellen.
Wolfgang Wagner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin, stellte kurz das neue Handbuch "Notfall- und Katastrophenpharmazie" vor, das die Notwendigkeit und die Aufgaben der Apotheke in einem Katastrophenfall beschreibt.
Erwin Zattler, Bereichsleiter IT Orga und Logistik beim Pharmagroßhandel, beleuchtete den sensiblen Bereich Kühlwarenmanagement in der Arzneimittellogistik. Er zeigte anhand von Untersuchungen, dass beispielsweise die Fa. Sanacorp durch spezielle Gel-Akkus einen ordnungsgemäßen Transport von temperaturempfindlichen Arzneimitteln von minus 10 °C bis plus 50 °C sicherstellen kann.
Amtsapothekerin Dr. Ute Stapel, Gesundheitsamt Stadt Hamm, gab Informationen zum künftigen Gefahrstoffrecht (GHS-Verordnung) und stellte die neuen Piktogramme, Gefahren- und Sicherheitshinweise vor. Da eine neue Kennzeichnung erst ab 01. 12. 2010 zwingend ist und für Lagerbestände noch längere Übergangsfristen bestehen, empfahl sie, derzeit abzuwarten, bis entsprechende Handlungshilfen von den Fachgremien erarbeitet worden sind.
Verblisterung von Arzneimitteln
Ein großer Teil der Tagung war dem Schwerpunktthema "Patientenindividuelles Stellen von Arzneimitteln" gewidmet. Dr. Andreas Schieweck, Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern, ging ausführlich aus Sicht einer Überwachungsbehörde auf die rechtlichen und technischen Aspekte und der damit verbundenen Problematik v. a. beim maschinellen Verblistern ein. Für die gewerbliche Herstellung von Arzneimittelblistern in einer Apotheke besteht derzeit keine arzneirechtliche Zulassungspflicht. Verblistert eine Apotheke im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs für die eigenen Patienten und versorgten Heime mit Vertrag nach § 12a ApoG, so ist dazu keine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG nötig. Werden andere Apotheken beliefert, so ist dazu eine Herstellungserlaubnis erforderlich. An die Betriebsräume für eine maschinelle Verblisterung sind ebenso wie an die verwendeten Maschinen bestimmte Qualitätsanforderungen zu stellen, z. B. Reinraumklasse D. Ein großes Problem ist die Kreuzkontamination. Die Reinigungsverfahren müssen hohen Anforderungen genügen, ihre Eignung ist nachzuweisen. Es gibt kaum Daten über die Stabilität, Licht- und Feuchtigkeitsempfindlichkeit der verblisterten Arzneimittel. Bestimmte Arzneimittel wie Amlodipin, Zytostatika, Antibiotika oder Hormone sind für eine Verblisterung ungeeignet. Einen großen Teil der Arzneimittelhaftung trägt der Inhaber der Apotheke, vor allem für die Risiken, die sich aus der patientenindividuellen Verblisterung ergeben.
Aus der Praxis des Stellens von Arzneimitteln berichteten zwei Kollegen. Christian Buttenberg vom a.novum Blistercentrum Berlin/Brandenburg, einem apothekereigenen Unternehmen, zeigte, wie in einem modernen Blistercentrum ca. 2000 Arzneimittel für Apotheken maschinell in Schlauchblister verpackt werden. Es sind dazu umfangreiche und aufwendige Qualitätssicherungsmaßnahmen erforderlich – von Reinraum Klasse D über validierte Reinigungsverfahren bis hin zu optisch-digitalen Kontrollen der Blister. Die Kosten für einen Wochenblister liegen bei ca. 3,50 Euro.
Über das händische Stellen von Arzneimitteln in wiederverwendbare Behältnisse berichtete Dr. Horst W. Schuchmann, Fa. Konzepte für die Pharmazie, der Softwarelösungen mit Handlungsanweisungen zu diesem Zweck entwickelt hat. Diese umfassen die Bereiche Raum (abgeteilt), Gerätschaften, Verträge, umfangreiche Dokumentation, Beschriftung, personenbezogene Lagerung der Arzneimittel bis hin zum Vier-Augen-Prinzip beim Stellen und Endkontrolle durch einen Apotheker. Nach einer intensiven Diskussion erarbeiteten die Tagungsteilnehmer eine Resolution (s. Kasten), die Anforderungen an das patientenindividuelle Stellen von Arzneimitteln aus Sicht der APD festlegt.
Medizinische Nanotechnologie
Prof. Dr. Klaus Langer, Direktor des Instituts für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Universität Münster, referierte über das Hightech-Thema Medizinische Nanotechnologie. Langer arbeitet an der Erforschung nanostrukturierter Trägersysteme für unterschiedliche Arzneistoffgruppen und berichtete, dass schon Paul Ehrlich die Idee von "Zauberkugeln" hatte, die den Arzneistoff zielgenau an den Wirkort transportieren. Aussichtsreich ist hier die Forschung mit Nanopartikel für das zelluläre Targeting. Mithilfe der Nanotechnologie kann z. B. der schwer lösliche Wirkstoff Paclitaxel als wässrige Suspension verarbeitet werden.
Die Tagung war wieder ausgezeichnet vorbereitet worden von Dr. Winfried-G. Berger und wurde durch ein attraktives Rahmenprogramm abgerundet: Münster, die Stadt des Westfälischen Friedens und "lebenswerteste Stadt der Welt", und das Münsterland mit seinen Schlössern und Burgen boten viel Sehenswertes.
Um die finanziellen Belange kümmerte sich umsichtig und zuverlässig der Schatzmeister der APD, Dr. Walter Taeschner, Lörrach.
Die APD bedankt sich für die freundliche Unterstützung der Tagung bei: ABDA, Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Govi-Verlag, Sanacorp, VSA und Wepa.
Im Rahmen einer Feierstunde wurde Dr. Helger Buttle für seine herausragenden Verdienste um die Arbeitsgemeinschaft die Cosmas-und-Damian-Medaille verliehen. Buttle war von 1996 bis 2008 Schatzmeister der APD und hat in dieser Zeit die Finanzen der APD vorbildlich verwaltet. Dafür sei ihm und seiner Frau Isolde nochmals ganz ausdrücklich im Namen der APD gedankt.
Ein herzliches Dankeschön auch dem gesamten Vorstand der APD, Dr. Ute Stapel, Dr. Winfried-G. Berger, Dr. Walter Taeschner und Dr. Wolfgang Kircher, für die Vorbereitung und Durchführung der Tagung.
Die nächste Arbeitstagung der APD findet vom 17. bis 20. Oktober 2010 in Leipzig statt.
Christian Bauer, Vorsitzender der APD
Resolution zum patientenindividuellen Stellen von Arzneimitteln*Nach § 1 ApoG obliegt in Deutschland den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Dies gilt für alle Teilbereiche - auch für die Versorgung mit patienten-individuell gestellten Arzneimitteln.
Die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands fordert daher, dass die Versorgung der Patienten mit patientenindividuell gestellten Arzneimitteln nur über eine wohnortnahe öffentliche Apotheke erfolgt.
Nur die wohnortnahe öffentliche Apotheke kann die notwendige hohe Versorgungsqualität zeitnah sicherstellen. Dies gilt insbesondere für die rasche Reaktionsfähigkeit bei Änderungen, den Interaktionscheck, die lückenlose Medikationsdatei oder die unverzügliche Kontaktaufnahme mit Arzt oder Heim.
Zur ordnungsgemäßen Versorgung von Patienten mit patientenindividuell gestellten Arzneimitteln sind nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) dazu folgende Punkte zu berücksichtigen:
1. Eine schriftliche Einverständniserklärung des Patienten bzgl. patientenindividuell gestellter Arzneimittel muss vorliegen. Der Patient ist dabei über die Konsequenzen aufzuklären.
2. Die Ärzte sind darüber zu informieren, dass ihre verordneten Arzneimittel von der Apotheke patientenindividuell gestellt werden.
3. Bei einer Heimversorgung nach § 12a ApoG sind mit dem Heimträger vertragliche Regelungen über das patientenindividuelle Stellen von Arzneimitteln zu treffen. Insbesondere sind die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche, die Haftungsaspekte, die patientenbezogene Lagerung der Arzneimittel, die Dokumentation des Stellens und der Informationsfluss zu regeln. Das patientenindividuelle Stellen darf nach § 3 UWG und den jeweiligen Berufsordnungen nicht kostenlos erfolgen.
4. Die Eignung der Arzneimittel für ein patientenindividuelles Stellen ist zu prüfen. Z. B. sind folgende Arzneimittel auszuschließen: oxidations-, licht- oder feuchtigkeitsempfindliche Arzneimittel, Zytostatika, Betäubungsmittel, Antibiotika sowie Arzneimittel, die mit dem Material der neuen Primärpackung oder mit einem mitverpacktem Arzneimittel inter-agieren können.
5. Beim patientenindividuellen Stellen von Arzneimitteln ist das manuelle Stellen durch das Personal der Apotheke und das maschinelle Verblistern zu unterscheiden. Das maschinelle Verblistern durch die Apotheke im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes kann nur in den Räumen der Apotheke erfolgen. Externe Betriebsräume für das maschinelle Verblistern durch die Apotheke sind nach der derzeitig gültigen ApBetrO nicht zulässig.
6. Beim manuellen Stellen von Arzneimitteln in der Apotheke sind die Vorgaben der Leitlinie der Bundesapothekerkammer "Stellen von Arzneimitteln" vom 14.11.2006 zu beachten. Das sind insbesondere ein räumlich abgetrennter Arbeitsbereich in der Apotheke, zeitliche Freistellung eines geeigneten Mitarbeiters, das "Vier-Augen-Prinzip" und die Beachtung der erforderlichen Hygiene- und Arbeitsschutzvorschriften. Die verwendeten Fertigarzneimittel sind bewohnerbezogen und getrennt von anderen Arzneimitteln aufzubewahren.
7. Ein maschinelles Verblistern kann entweder in der Apotheke ohne Herstellungserlaubnis im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes ausschließlich für die eigene Apotheke oder mit Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG auch für andere Apotheken erfolgen. Die Apotheke kann auch einen Betrieb mit Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG (Lohnhersteller für die Apotheke) mit der Verblisterung beauftragen. Die Abgabe der Blister hat jedoch ausschließlich durch die verantwortliche Apotheke zu erfolgen. Bei einer maschinellen Verblisterung sind an die Sicherheit, Qualität und Unbedenklichkeit der verblisterten Arzneimittel immer die gleichen Anforderungen zu stellen, unabhängig vom herstellenden Betrieb. Eine Arzneimittelqualität ist unteilbar. Das bedeutet für die verblisternde Apotheke insbesondere:
- Herstellungsraum mit Schleuse und geeigneter Einstellung von Temperatur und Feuchte sowie Belüftung nach Reinraumklasse D; Vorrichtung zum Monitoring und zur Dokumentation dieser Parameter;
- Nachweis der Eignung des eingesetzten Blisterautomaten;
- QMS-System, das den gesamten Bereich der Verblisterung umfasst;
- Validierte Prozesse auch hinsichtlich Reinigung, Hygiene, Kontaminationsschutz, Kalibrierung und Wartung. Eine Kreuzkontamination ist zu vermeiden;
- Mitarbeiterschutz;
- Ordnungsgemäße Kennzeichnung der Blister nach § 10 Abs. 8 AMG Satz 1 und § 14 Abs. 1 ApBetrO mit Namen des pharmazeutischen Unternehmers (Apotheke), Bezeichnung des Arzneimittels, Chargenbezeichnung, Verfalldatum, Name des Patienten; Aushändigung der aktuellen Packungsbeilage nach § 11 Abs. 7 AMG an den Patienten;
- Prüfung, Endkontrolle und lückenlose Dokumentation der verblisterten Arzneimittel.
8. Wird das Verblistern im Auftrag durchgeführt, muss zwischen der Apotheke als Auftraggeber und dem Herstellungsbetrieb als Auftragnehmer ein schriftlicher Vertrag mit Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und des Datenschutzes bestehen. Die Verantwortung der Apotheke als pharmazeutischer Unternehmer ist klarzustellen.
9. Jeder Beteiligte haftet für sein Verschulden. Für Risiken, die sich aus der patientenindividuellen Verblisterung ergeben (z. B. Stabilitätsmängel), haftet der Inhaber der Apotheke.
In folgenden Bereichen sieht die APD Probleme beim Verblistern:
|
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.