Arzneimittel und Therapie

Deutlich mehr Infektionen auf Intensivstationen

Trotz aller Bemühungen zur Eindämmung nosokomialer Infektionen hat sich die Zahl der infizierten Patienten auf Intensivstationen weiter erhöht. Das ergab die bislang weltweit größte Studie, deren Ergebnisse jetzt im US-amerikanischen Fachjournal JAMA veröffentlicht wurden [1]. Von den mehr als 14.000 Patienten, zu denen Angaben gemacht wurden, litten etwa die Hälfte an einer Infektion, deutlich mehr als 1995. Seinerzeit wurde von weniger als 45% Infizierten berichtet. Auch das Erregerspektrum hat sich in diesem Zeitraum erheblich verändert.
Nosokomiale Infektionen Trotz vielfacher Bemühungen hat sich die Situation auf Intensivstationen eher verschlechtert: Jeder zweite Intensivpatient hat Infektionen. Sorgen bereiten vor allem Infektionen mit gramnegativen Bakterien, da bei diesen Erregern die Resistenzbildung stetig zu nimmt.
Foto: DAK

Seit langem sind Infektionen im Krankenhausbereich ein erhebliches Problem. Trotz aller Bemühungen, die Ausbreitung resistenter Erreger durch verstärkte Hygienemaßnahmen einerseits und zum anderen durch die Entwicklung neuer Therapeutika einzudämmen, sind die jetzt erschienenen Ergebnisse einer weltweiten Umfrage zum Vorkommen von Infektionen auf Intensivstationen besorgniserregend [1].

Mehr Infektionen und geändertes Erregerspektrum

Die erste größere Studie war im Jahre 1995 veröffentlicht worden: Im Rahmen der sogenannten EPIC-I (European Prevalence of Infection in Intensive Care Study)-Studie wurden die Daten zu etwa 10.000 Patienten aus 17 westeuropäischen Ländern veröffentlicht, von denen 45% unter Infektionen litten und 62% antimikrobielle Medikamente erhielten [2]. Deutlich war seinerzeit die Prävalenz methillinresistenter Erreger (60%) und der Staphylococcus aureus-Infektionen (30%).

In der jetzt veröffentlichten EPIC-II-Studie (Extended Prevalence of Infection in the ICU) wurden die Daten für 14.414 Patienten von Medizinern aus 75 Ländern ausgewertet. Danach litten 51% unter einer Infektion. 71% der Patienten wurden mit antimikrobiellen Medikamenten versorgt. Auffällig war weiterhin eine Korrelation der Mortalität nach einer Infektion mit mehrfach resistenten Keimen, darunter Acinetobacter- und Pseudomonas-Stämmen, und Pilzinfektionen. Gleichzeitig sind die Dauer der Behandlung auf Intensivstationen und der Schweregrad der Erkrankungen gestiegen.

Auch das Spektrum der Erreger hat sich zum Teil deutlich verändert. Während der Anteil der Pilzinfektionen mit 19% gegenüber 17% relativ konstant geblieben ist, ist die Zahl der Infektionen mit Staphylococcus aureus insgesamt deutlich zurückgegangen. Diese Entwicklung ist allerdings nicht überall zu beobachten. In Nordamerika ist S. aureus weiterhin der wichtigste Infektionserreger auf Intensivstationen; die Mehrzahl der Isolate sind methicillinresistent. Sorgen bereiten vor allem Infektionen mit gramnegativen Bakterien. Die Resistenzbildung nimmt bei diesen Erregern stetig zu, und ihr Anteil ist auf 62% gestiegen gegenüber 39% in EPIC I. Gleichzeitig stehen kaum neue Medikamente gegen diese Organismen zur Verfügung, wie in einem Kommentar in derselben Zeitschrift angemerkt wird [3]. Bemerkenswert ist weiterhin, dass der Anteil schwerer Infektionen mit Viren als Erreger mit unter 1% auch weiterhin (noch) sehr gering ist.

Die Entwicklung der Ausbreitung nosokomialer Infektionen im Intensivbereich fordert besonders für die Bereitstellung neuer Therapeutika und Maßnahmen gegen gramnegative Infektionserreger vermehrte Anstrengungen.

 

Quelle

[1] Vincent, J.-L.; et al.: International Study of the Prevalence and Outcomes of Infection in Intensive Care Units. J Am Med Ass (2009) 302(21): 2323-2329.

[2] Vincent, J.-L.; et al.: The Prevalence of Nosocomial Infection in Intensive Care Units in Europe. Results of the European Prevalence of Infection in Intensive Care (EPIC) Study. EPIC International Advisory Committee. J Am Med Ass (1995) 274(8): 639-644.

[3] Opal, S.M. u. Calandra, T.: Antibiotic Usage and Resistance: Gaining or Losing Ground on Infections in Critically Ill Patients? J Am Med Ass (2009) 302(21): 2367-2368.

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

 

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