Aus Kammern und Verbänden

Apotheken im Konzept der Gesundheitsförderung

Wie können Apotheken besser in Netzwerken zur Gesundheit der Bevölkerung vor Ort mitarbeiten? Welche Voraussetzungen bringen Apotheken mit, um die Gesundheitsförderung nach der Ottawa-Charta voranzubringen? Das waren die Themen eines Workshops auf dem 15. Kongress "Armut und Gesundheit", der am 4. und 5. Dezember in Berlin stattfand. Jährlich veranstalten die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und "Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V." diesen Kongress, bei dem es um die Gesundheitsförderung sozial benachteiligter Menschen geht.

In diesem Jahr hatte sich erstmals ein Workshop auf dem Kongress mit dem Potenzial der Apotheken für dieses Thema auseinandergesetzt. Ausgangspunkt waren die Aktivitäten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) in Nordrhein-Westfalen. Als Einstieg in das Thema referierte Dr. Udo Puteanus vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit (LIGA.NRW) über die Beweggründe in diesem Bundesland, sich mit dem Thema Gesundheitsförderung und Apotheken verstärkt auseinanderzusetzen. Das Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ÖGD-Gesetz) überträgt dort den Amtsapothekerinnen und Amtsapothekern die Sozialpharmazie als Pflichtaufgabe, damit sie die Arzneimittelversorgung verbessern und den Arzneimittelmissbrauch bekämpfen. Das Potenzial der Apotheken für Prävention und Gesundheitsförderung soll stärker genutzt werden.

Die Niederschwelligkeit, das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Apotheken sowie die Verankerung der Apotheken in Stadtteilen oder Kleinstädten bieten beste Voraussetzungen, gesundheitliche Probleme der Bevölkerung zu erkennen bzw. Menschen auf Aktionen zur Prävention und Gesundheitsförderung hinzuweisen. Auch die Apotheken profitieren durch eine engere Zusammenarbeit mit örtlichen, meist vom ÖGD koordinierten Netzwerken zur Gesundheitsförderung, denn dort können sie ihr heilberufliches Agieren als Teil des öffentlichen Gesundheitswesens unter Beweis stellen und zeigen, dass sie im Gegensatz zu anderen "Geschäften" ihren öffentlichen Auftrag (§ 1 Apothekengesetz und § 1 Bundesapothekerordnung) ernst nehmen.

Kommunale Gesundheitskonferenz

In einigen Bundesländern bieten runde Tische oder kommunale Gesundheitskonferenzen den Apotheken die Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Dr. Ute Stapel, Amtsapothekerin der Stadt Hamm, zeigte, wie dies konkret vor Ort umgesetzt werden kann. Die Kommunale Gesundheitskonferenz (KGK) in Hamm richtet zur Beratung und Bearbeitung von einzelnen Themen Arbeitsgruppen ein. Im Bereich Sozialpharmazie werden derzeit die beiden Themen "Arzneimittelsicherheit im ambulanten und stationären Pflegebereich" und "Verbesserung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom, ADHS" behandelt. Stapel ist Sprecherin beider Arbeitskreise und berichtet der KGK über den Stand der Arbeit.

Beim ersten Thema konnten Risikoschwerpunkte im ambulanten und stationären Pflegesektor erkannt und abgestellt werden. Beim Thema ADHS wurden die Daten von Methylphenidat-Verordnungen aus Hammer Apotheken analysiert. Die Ergebnisse belegen eine "sorgsame" Verschreibungspraxis der behandelnden Ärzte. Auch konzentrieren sich die Methylphenidat-Verordnungen auf eine relativ kleine Anzahl von Ärzten, die überwiegend Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Kinder- und Jugendmedizin sind. Solche Daten können dazu beitragen, Defizite der Versorgung in einzelnen Stadtteilen zu erkennen. Die Arbeit dient aber auch dazu, ggf. bestehende Unsicherheiten in der Bevölkerung bezüglich der Therapie mit Methylphenidat durch sachliche Informationen zu beseitigen.

Erweiterte Sicht durch Public Health

Elisabeth Nieder, Apothekenleiterin in Hamm, legte dar, dass das Pharmaziestudium allein nicht ausreicht, Apothekerinnen und Apotheker in öffentlichen Apotheken auf die Arbeit in Public-Health-Netzwerken vorzubereiten. Das Verständnis von Krankheit und Gesundheit werde durch das naturwissenschaftliche Studium sehr einseitig und unvollständig geprägt. Die tägliche Arbeit in den Apotheken mache aber jedem Berufstätigen sehr schnell deutlich, wie sehr Gesundheit und Krankheit von unter schiedlichsten Determinanten abhängen. Das Konzept der Gesundheitsförderung nach der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (1986) bietet eine Fülle von Ansätzen, wie Gesundheit und Krankheit beeinflusst werden können. Arzneimittel sind zwar ein sehr wichtiges, aber nicht immer ausreichendes Mittel, um Gesundheit zu stärken und Krankheit zu bekämpfen.

Die seit den 90er Jahren aufgebauten Studiengänge im Bereich Public Health bieten allen Heilberufen die Möglichkeit, ein vertieftes Verständnis von Krankheit und Gesundheit zu entwickeln. Ein solches Aufbaustudium hat es Nieder erleichtert, in kommunalen Netzwerken zur Gesundheit mitzuarbeiten. Sie engagiert sich in einer Grundschule für die Gesundheitsförderung; dort ist sie nicht nur als Arzneimittelexpertin gefragt, sondern hat auch (zusammen mit "Klasse2000", einem Partner aus dem Bereich Gesundheitsförderung) eine Struktur für eine kontinuierliche Beschäftigung mit dem Thema Gesundheitsförderung aufgebaut.

Netzwerke mit Kontinuität

In der Diskussion zweifelte der eine oder andere Teilnehmer – auch vonseiten der Krankenkassen – daran, ob sich Apotheken mehr als bisher im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung verankern könnten, da im Apothekenalltag die Arzneimittelversorgung im Vordergrund stehe. Problematisch sei die Situation des Apothekers deshalb, weil er über den Verkauf von Produkten seine Existenz und sein Einkommen zu sichern habe. Unter diesen Umständen bleibe nicht immer genügend Raum für einen erweiterten Umgang mit Gesundheit und Krankheit. Prävention und Gesundheitsförderung und die Zusammenarbeit in Netzwerken könnten nicht in dem Ausmaß umgesetzt werden, wie es eigentlich wünschenswert wäre.

Positiv vermerkt wurde, dass einige Bundesländer eine kontinuierliche Zusammenarbeit in Public-Health-Netzwerken organisieren. Diese Kontinuität sei notwendig, denn unorganisierten Zusammenkünften ohne auf Langfristigkeit aufgebaute Strukturen ist in der Vergangenheit oft zu schnell die Luft ausgegangen. Es sei notwendig, dass sich die Heilberufe in diese Diskussion einbringen, denn ihr Expertenwissen und ihre Nähe zur Bevölkerung müssen genutzt werden. Das Beispiel Sozialpharmazie in Hamm zeigt, wie Apotheken erfolgreich in Public-Health-Netzwerken mitarbeiten können.


Dr. Udo Puteanus

udo.puteanus@liga.nrw.de

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