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Aus Kammern und Verbänden
Neue Herausforderungen durch Verträge
Es gebe weiterhin wichtige gesellschaftliche Kräfte gegen die inhabergeführte Apotheke. "Der politische Kampf ist noch lange nicht vorbei", so Pudimat. Etliche Ökonomen und jüngst auch die Konrad-Adenauer-Stiftung würden mehr Wettbewerb fordern. Daher müssten die Apotheker erklären, dass zu viel Wettbewerb auch schaden könne und vernünftige Regeln oft besser seien. Die Kernaufgaben der Apotheken würden in der Öffentlichkeit noch immer zu wenig beachtet. Die wichtigen Leistungen im normalen Apothekenalltag sollten stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.
Marktentwicklung
Im Gesundheitsmarkt konstatierte Pudimat problematische Entwicklungen. Einige Produkte, beispielsweise einfache Blutzuckermessgeräte, würden bei Discountern verramscht. Auch das "Geldverdienen auf Rezept", also Boni für verordnete Produkte, laufe weiter, teilweise sogar "mit dem Segen der Kassen", so Pudimat. Der OTC-Markt sei erkennbar in Bewegung, in manchen hochpreisigen Produktgruppen betrage der Marktanteil der Versandapotheken bereits etwa 20 Prozent.
Das Liefervertragssystem für Hilfsmittel sei komplett neu geregelt worden. Der Gesetzgeber wolle den Wettbewerb und gestehe den Krankenkassen viel mehr Macht zu. "Die Schöpfer dieses Systems haben aber nicht bedacht, dass der Hilfsmittelmarkt kein normaler Gütermarkt ist, bei dem sich die Marktpartner auf Augenhöhe treffen", kritisierte Pudimat. Trotz der kaum überschaubaren Regelungen sollten die Apotheker sich aber nicht generell verweigern. Eine Übersicht über die neuen Verträge gab Verbandsgeschäftsführer Dr. Heinz Weiß (siehe Rubrik DAZ aktuell).
Sicht der Krankenkassen
Viel unproblematischer erscheinen diese Entwicklungen dagegen aus der Krankenkassenperspektive. Für Tim Steimle, Leiter des Fachreferats Arzneimittel in der Hauptverwaltung der Techniker Krankenkasse, liegt es nahe, dass Wettbewerb zu einer differenzierten Vertragslandschaft führt. Er gestand zu, dass steigende Ausgaben für Arzneimittel auch eine Folge des Fortschritts sind und den Patienten großen Nutzen bieten können. Doch könnten Apotheker noch mehr leisten, wenn sie öfter unaufgefordert beraten, Wechselwirkungen bei Polymedikation aufspüren und erkennbaren Arzneimittelmissbrauch verhindern, erklärte Steimle. Die Bereitschaft der Apotheker, Verantwortung für die arzneimittelbezogenen Probleme der Patienten zu übernehmen, sei unverzichtbar für eine optimale Therapie. Insgesamt werde die Bedeutung der Apotheker weiter wachsen.
Rabattverträge betrachtet Steimle als weitgehend unproblematisch. Falls eine Substitution nicht sachgerecht sei, könnten Apotheker pharmazeutische Bedenken geltend machen. Er plädierte für die Anwendung des Kartellrechts auf die Krankenkassen. Auch das "Geldverdienen auf Rezept" sah er als unproblematisch an, sofern es den Wünschen der Kunden entspreche. Dagegen beklagte er, dass es keine Lösung gegen die Kostendynamik bei patentgeschützten Arzneimitteln gebe, obwohl auch diese Produkte im Wettbewerb stünden. Abhilfe verspricht sich Steimle eher von Hinweisen an den Arzt und weniger von neuen Vertragsformen wie Cost- oder Risk-Sharing-Verträgen. Diese seien vielfach nicht zielführend und in den USA schon wieder "out".
In neuen Vertragsformen für Apotheken, beispielsweise für besondere Einzelleistungen, sieht Steimle deutlich mehr Chancen als Risiken. Für eine Krankenkasse seien Angebote über besondere Leistungen der Apotheken ein wichtiges Differenzierungsinstrument im Wettbewerb. Pudimat stellte klar, dass auch der Apothekerverband dies so sehe, warnte aber entschieden vor zu komplizierten Regelungen, die nicht funktionieren und mehr Bürokratie erzeugen. Die Apotheken würden viele solche Leistungen bereits erbringen, zumal der Alltag viel komplexer sei als die jeweils in Verträgen vorgesehenen Angebote.
Ärztliche Versorgung
Oliver Kahl, Hauptabteilungsleiter bei der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern, berichtete über die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung. Besonders in Mecklenburg-Vorpommern stehe ein großer Teil der Ärzte knapp vor dem Pensionsalter, doch sei es in vielen Regionen schon heute sehr schwer, einen Nachfolger zu finden – auch wegen der Sorgen um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Furcht vor Regressen. "Wir kämpfen um jeden einzelnen Arzt", erklärte Kahl. Dazu gehören Investitionskostenzuschüsse, Unterstützung bei bürokratischen Abläufen und Förderungen für die Weiterbildung.
Ein weiteres Problem sei die ärztliche Bedarfsplanung, die als Abwehrplanung gegen die frühere Ärzteschwemme konzipiert worden sei und nicht mehr in die heutige Zeit des Ärztemangels passe. Diese Planung berücksichtigt viele wichtige neue fachliche Differenzierungen und die Verteilung der Ärzte innerhalb der Kreise nicht. Außerdem werden die Bedarfszahlen nicht an die demografische Entwicklung und an neue Aufgaben wie Disease-Management-Programme und ambulante Operationen angepasst. Demnächst solle mit regional unterschiedlichen Punktwerten versucht werden, die Niederlassung zu steuern, erklärte Kahl. Erst danach, so die politische Vorgabe, könnte überlegt werden, die Bedarfsplanung möglicherweise abzuschaffen.
tmb
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