Arzneimittel und Therapie

Placeboeffekt im Rückenmark messbar

Die Schmerzwahrnehmung kann über psychologische Faktoren gesteuert werden. Für einen Placeboeffekt hatten Neurowissenschaftler bislang folgende Erklärung: Der Glaube an die Wirksamkeit eines Schmerzmittels veranlasst die Ausschüttung endogener Opiate im Gehirn. Jetzt wurde mithilfe der Kernspintomographie nachgewiesen, dass das Schmerzempfinden mit einer verringerten Nervenzellaktivität im Rückenmark einhergeht. Wenn ein Mensch keinen oder weniger Schmerz erwartet wird also bereits der Übergang von der Haut ins Rückenmark geblockt.
Psychologische Faktoren besonders die Placeboanalgesie, bestimmen auch wesentlich die Schmerzwahrnehmung. Ein Placeboeffekt ist bereits im Rückenmark messbar.
Foto: Wyeth Pharma GmbH

Placeboanalgesie ist ein wesentliches Beispiel für die Bedeutung psychologischer Faktoren der Schmerzwahrnehmung. Es gibt auch andere Wege, über die psychologische Faktoren unsere Schmerzwahrnehmung beeinflussen können, z. B. die Lenkung der Aufmerksamkeit oder Hypnose. In diesem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, welche neurobiologischen Mechanismen dafür sorgen, dass die Schmerzempfindung reduziert wird.

Wo wirkt der Placeboeffekt?

Bislang waren Neurowissenschaftler davon ausgegangen, dass die von einem Analgetikum erwartete Schmerzminderung im Gehirn zur Ausschüttung von Endorphinen führt. Beim Menschen passiert dies besonders in der ausgeprägten frontalen Großhirnrinde, aber auch in evolutionär älteren Arealen im Hirnstamm. Die Freisetzung der endogenen Opiate geht mit einer entsprechend geringeren Antwort von Nervenzellen in Schmerz verarbeitenden Hirnarealen und damit einer verminderten Schmerzwahrnehmung einher. Wie diese Opiatausschüttung und die Reduktion der schmerzrelevanten Nervenzellaktivität zusammenhängen, war bisher ungeklärt.

Bereits in einer früheren Studie konnten Wissenschaftler des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg zeigen, dass eine verringerte Schmerzwahrnehmung trotz physikalisch gleicher Stimulation – also der charakteristische Placeboeffekt – mit einer verstärkten endorphinergen Kopplung zwischen frontalen Arealen der Großhirnrinde und dem Hirnstamm einhergeht. Die Forschungsgruppe um Dipl.-Psych. Falk Eippert vom Institut für Systemische Neurowissenschaften des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) setzten ihre Untersuchungen jetzt mit einem relativ neuartigen Verfahren fort: Die Kernspintomographie oder Magnetresonanztomographie (MRT) erlaubt auch zwei- oder dreidimensionale Darstellungen des Gehirns und Rückenmarks. Mithilfe solcher hochauflösenden kernspintomographischen Aufnahmen des menschlichen Rückenmarks konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass ein Placeboeffekt mit einer verringerten Nervenzellaktivität im Rückenmark, der ersten Station des Zentralnervensystems, einhergeht. Offensichtlich sind also psychologische Faktoren der Schmerzmodulation tief im Hirn verwurzelt. Auch für klinische Studien zur Testung neuer Medikamente sind die Ergebnisse dieser Untersuchungen von Bedeutung: Effektivität und Wirkungsort lassen sich somit genauer untersuchen.

 

Quelle

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Pressemitteilung, 16.10.2009.

Eippert, F.; et al.: Activation of the Opioidergic Descending Pain Control System Underlies Placebo Analgesia. Neuron 2009, 63(4): 533 – 543.

Eippert, F.; et al: Direct Evidence for Spinal Cord Involvement in Placebo Analgesia. Science 2009, 326 (5951): 404.

 

 

Dr. Hans-Peter Hanssen

 

 

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