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Schon Berufsanfängerinnen beim Verdienst benachteiligt

Berufsanfängerinnen mit bis zu drei Jahren Berufserfahrung verdienen im Schnitt 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Dieser geschlechtsspezifische Einkommensrückstand – englisch Gender Pay Gap (GPG) – wächst mit der Zahl der Berufsjahre. Das ergab eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) im Auftrag des Bundesfrauenministeriums.

Dass Frauen in Deutschland bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit erheblich weniger verdienen als Männer, ist bekannt. Trotz einiger Bemühungen von Politik und Tarifparteien hat sich daran in den letzten Jahren wenig geändert. Schon zu Berufsbeginn klafft die Schere weit – und öffnet sich mit den Jahren noch mehr, wie die neue Untersuchung ergab.

Diese geschlechterspezifische Ungleichbehandlung "lässt sich vollständig weder durch unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen noch durch eine spezifische Berufswahl erklären". Zu diesem Ergebnis kommen die Forscher des WSI nach der Analyse möglicher Einflussfaktoren. Unterschiedliche berufliche Präferenzen, Unterschiede in der Ausbildung, berufliche Unterbrechungen aufgrund von Kindererziehung sowie mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten spielen zwar auch eine Rolle, seien aber nur Teilerklärungen. Vielmehr müsse man vom Fortbestehen einer Lohndiskriminierung von Frauen ausgehen.

Die Ergebnisse im Überblick:

  • Der Einkommensrückstand steigt mit den Berufsjahren: Frauen mit Berufserfahrung von bis zu drei Jahren verdienen 18,7% weniger als ihre männlichen Kollegen. Der Abstand wächst auf 21,8% in der Gruppe mit vier bis zehn Jahren Berufserfahrung. Bei über zehnjähriger Berufserfahrung beträgt der Unterschied 20,8%.
  • In Westdeutschland fällt der Gender Pay Gap (GPG) höher aus als in Ostdeutschland.
  • Im Osten geht der GPG – anders als im Westen – mit wachsender Zahl der Berufsjahre zurück.
  • Im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen, Pflegedienstleistungen beträgt der GPG bei den Berufsanfänger/innen 21%, in der Gruppe mit vier bis zehn Jahren Berufserfahrung 24%. Der durchschnittliche Monatsverdienst lag für Frauen bei 2099 Euro, für männliche Kollegen bei 2658 Euro.
  • Je größer der Betrieb, desto größer ist der absolute Einkommensrückstand weiblicher Berufsanfänger. Relativ bleibt der Abstand jedoch weitgehend gleich.
  • Teilzeitbeschäftigte Berufsanfängerinnen mit bis zu drei Jahren Berufserfahrung verdienen rund 13% weniger als teilzeitbeschäftigte Männer. Diese Lücke verringert sich in der Gruppe mit vier bis zehn Jahren Berufserfahrung auf 10,3%.
  • Im Vergleich mit sieben anderen europäischen Ländern liegt Deutschland beim GPG im oberen Drittel. Die Spannweite des GPG bei Berufsanfänger/innen reicht von 9,4% in Belgien und 9,8% in Dänemark bis 26,0% in Polen und 30,4% in Spanien.

Das von der bisherigen Bundesregierung gesteckte Ziel, den geschlechtsspezifischen Lohnunterschied bis 2015 auf 10% zu verkleinern, dürfte nach Einschätzung von Expertinnen kaum erreicht werden.


Internet

"Modell Quebec" als Vorbild

Wege zur Entgeltgleichheit wurden auf der gleichnamigen Gleichstellungs-Fachtagung der Hans-Böckler-Stiftung Anfang Oktober in Berlin diskutiert. Es wurde bezweifelt, dass freiwillige Maßnahmen zu einer nachhaltigen Verbesserung führen werden. Als mögliche gesetzliche Lösung wurde das "Modell Quebec" vorgestellt:

In der kanadischen Provinz Quebec verpflichtet ein Lohngleichheitsgesetz seit 1997 alle Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten, geschlechtsspezifische Gehaltsdiskriminierung zu ermitteln und zu beseitigen. In Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten muss ein "Lohngleichheitskomitee" eingerichtet werden, das mindestens zur Hälfte mit Frauen und zu zwei Dritteln mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Die Umsetzung des Gesetzes wird von einer Kommission der Provinz kontrolliert.

Dr. Sigrid Joachimsthaler

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