Arzneimittel und Therapie

Stillen, Stall und STIKO? Empfehlungen zur Allergieprävention

Die Primärprävention von Heuschnupfen, Asthma und atopischem Ekzem gewinnt angesichts der steigenden Zahl an Betroffenen und eingeschränkter kausaltherapeutischer Ansätze an Bedeutung. In der überarbeiteten Leitlinie zur Allergieprävention wurden – neben der unveränderten Empfehlung, Tabakrauch zu meiden – neue Erkenntnisse zum Fischkonsum während Schwangerschaft und Stillzeit und zum Zusammenhang zwischen Übergewicht und dem Auftreten von Asthma berücksichtigt.
Ausgewogene Ernährung Aufgrund der aktuellen Datenlage werden weder für die Mutter noch für das Kind diätetische Restriktionen zur Allergieprävention empfohlen. Auch für einen präventiven Effekt durch eine Verzögerung der Beikosteinführung über den vollendeten vierten Lebensmonat hinaus gibt es keine gesicherten Belege. Sie kann deshalb nicht empfohlen werden.
Foto: Bavaria Bild VCL

Außerdem wird der Zusammenhang zwischen der Exposition mit Innenraumschadstoffen und dem Risiko für atopische Erkrankungen in die Empfehlungen aufgenommen.

Maßnahmen zur Prävention von Allergien haben zum Ziel, Ursachen für die Entstehung von Allergien – hier atopisches Ekzem, allergische Rhinokonjunktivitis sowie allergisches Asthma – zu verringern oder zu beseitigen. Dazu zählen ursächliche und prädisponierende Umwelt- und Arbeitsplatzfaktoren. Gleichzeitig soll die Immuntoleranz von Risikogruppen aufgrund genetischer Prädisposition gestärkt werden. Die Zielgruppe der primärpräventiven Maßnahmen sind Risikogruppen. Als allergiegefährdet gelten Kinder, wenn mindestens ein Elternteil oder ein Geschwisterkind von einer Allergie betroffen ist. Darüber hinaus wird eine gesamtbevölkerungsbezogene allergiespezifische Gesundheitsförderung angestrebt.

Ernährung: Keine allgemeine Diät zur Prävention

In den vergangenen Jahren stand in der Ernährung das Vermeiden potenziell allergener Lebensmittel im Vordergrund. Nach aktueller Studienlage gibt es derzeit keine Belege dafür, dass der Verzicht werdender oder stillender Mütter auf den Genuss allergener Lebensmittel wie beispielsweise Kuhmilchprodukte, Nüsse oder ähnliches, einen Einfluss auf die Entwicklung von Allergien bei Kindern hat (Evidenzgrad A). Hingegen gibt es Hinweise, dass regelmäßiger Fischgenuss der Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit vor einem atopischen Ekzems schützt (Evidenzgrad B). In den ersten vier Monaten sollte der Säugling ausschließlich gestillt werden; ein Verschieben der Einführung von Beikost über den vollendeten vierten Lebensmonat hinaus reduziert das Auftreten von Allergien nicht (Evidenzgrad A). Sowohl beim Säugling als auch nach dem ersten Lebensjahr ist der Verzicht auf potenziell allergene Lebensmittel aus primärpräventiver Sicht unnötig (Evidenzgrad A). Wenn ein Stillen während der ersten vier Monate nicht möglich ist, sollte bei allergiegefährdeten Kindern eine partiell oder extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung gefüttert werden. Säuglingsnahrungen auf Basis von Soja oder Ziegen-, Schafs- oder Stutenmilch zeigen keinen allergieprotektiven Effekt (Evidenzgrad A). Statt diätetischer Maßnahmen in Hinblick auf Vermeiden potenzieller Allergene sollte das Körpergewicht der Kinder den Speiseplan beeinflussen. Das Auftreten von Asthma, so belegen Studien, ist mit einem erhöhten Body-Mass-Index positiv assoziiert (Evidenzgrad A).

Hintergrundinformationen

Bereits im Jahr 2004 wurde eine S3-Leitlinie zur Allergieprävention der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) in Zusammenarbeit mit dem Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDGG) und der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie (GPA) verabschiedet. Die aktuelle Version wurde gemäß den nationalen und internationalen Standards für die Erstellung evidenzbasierter und konsentierter Leitlinien erarbeitet. Dafür wurden 217 Studien im Zeitraum von Februar 2003 bis Mai 2008 ausgewertet. Wegen der Zielsetzung Primärprävention wurden arzneimitteltherapeutische Studien ausgeschlossen. Da sowohl multiple Zielgrößen (atopisches Ekzem, Heuschnupfen und Asthma) als auch multiple Einflussgrößen, die sich wie Stillen oder Rauchverhalten nicht für randomisierte Studien eignen, in die Empfehlungen eingeflossen sind, wurden unterschiedliche Studientypen berücksichtigt. Neben vier Cochrane-Reviews, 14 Metaanalysen, 19 randomisiert kontrollierten Studien (RCT) wurden 135 Kohortenstudien und 45 Fall-Kontrollstudien einbezogen. Die Studien wurden hinsichtlich ihres Evidenzgrades und ihrer Studienqualität klassifiziert, was schließlich zu einzelnen Empfehlungen unterschiedlicher Evidenzgrade führte. Vertreter relevanter Fachgesellschaften und Selbsthilfegruppen haben die Empfehlungen in einem nominalen Gruppenprozess konsentiert.

Impfen: Auch Risikokinder impfen lassen

Sehr ausführlich wird seit vielen Jahren der Zusammenhang von Impfen und dem möglichen Auftreten von Allergien diskutiert. Die Auswertung der Studien hat diese Vermutung nicht bestätigt. Vielmehr ergeben sich Hinweise, dass die durch die STIKO empfohlenen Impfungen sogar einen gewissen Schutz vor dem Auftreten von Allergien bieten (Evidenzgrad A).

Umwelt: Tabakrauch erhöht das Allergierisiko

Mit dem Evidenzgrad B sind die folgenden Empfehlungen zur Primärprävention von Allergien kategorisiert worden: Kinder sollen vor der Exposition durch Innenraumschadstoffe wie Formaldehyd sowie Stickoxiden und Partikeln von Autoabgasen geschützt werden. Der Belastung durch Schimmelpilze soll durch Lüften und Reduktion der Luftfeuchtigkeit in Räumen konsequent vorgebeugt werden. Hingegen existiert kein Vorteil, primärpräventiv eine Hausstaubmilbenreduktion durchzuführen. Welchen Einfluss das Halten von Haustieren auf die Entwicklung einer Allergie hat, lässt sich bei allergiegefährdeten Kindern nur bedingt einschätzen. Für Katzen gibt es Hinweise, dass deren Haltung bei Risikokindern das Entstehen einer Allergie begünstigen; für Hunde gilt dies vermutlich nicht. Bei Kindern ohne eine Allergiegefährdung hat die Haustierhaltung keinen Einfluss auf das Auftreten von Allergien.

Hinweis auf Nutzen unspezifischer Immunmodulation

Diskutiert werden der Einfluss von Probiotika, unspezifischen Immunmodulatoren und Antibiotika auf das Immunsystem und die daraus resultierenden Folgen für das Auftreten von Allergien. Die derzeitige Datenlage reicht jedoch für evidenzbasierte Empfehlungen nicht aus. Probiotika zeigen nur in einigen skandinavischen Studien einen protektiven Effekt auf das Auftreten eines atopischen Ekzems. Die Hinweise, dass unspezifische Immunmodulatoren – dazu zählen u. a. Aufwachsen auf dem Bauernhof oder Besuch von Kindertagesstätten in den ersten beiden Lebensjahren oder viele ältere Geschwister – das Auftreten eines atopischen Ekzems verhindern, sind insgesamt kaum evident. Für das Auftreten von Allergien und der Einnahme von Antibiotika konnte ebenfalls kein kausaler Zusammenhang hergestellt werden.

 

Information für Schwangere, Stillende und junge Mütter

So schützen Sie Ihr Kind vor Asthma, Heuschnupfen und atopischem Ekzem (Neurodermitis)

  • Rauchen Sie nicht! Schützen Sie Ihr Kind vor Tabakrauch.
  • Ernähren Sie sich während Schwangerschaft und Stillzeit ausgewogen. Achten Sie auf eine ausreichende Nährstoffversorgung. Essen Sie ein- bis zweimal wöchentlich eine Fischmahlzeit. Ein Verzicht zum Beispiel auf Nüsse oder Kuhmilchprodukte bietet hingegen keinen Schutz vor Allergien.
  • Stillen Sie Ihr Kind in den ersten vier Lebensmonaten konsequent. Falls Sie als Eltern oder die Geschwister Ihres Säuglings Allergien haben und Sie nicht stillen können, geben Sie Ihrem Kind hydrolysierte Säuglingsnahrung. Säuglingsnahrung auf Sojabasis oder Ziegen-, Schafs- oder Stutenmilch bieten keinen Allergieschutz.
  • Ab dem fünften Lebensmonat gewöhnen Sie Ihr Kind an Beikost. Bieten Sie dabei Ihrem Kind auch regelmäßig kleine Mengen an Fisch an. Ein Verzicht auf Kuhmilchprodukte, Obst und dergleichen bietet keinen Schutz vor dem Auftreten einer Allergie.
  • Achten Sie darauf, dass Ihr Kind kein Übergewicht entwickelt.
  • Lassen Sie Ihr Kind impfen!
  • Lüften Sie regelmäßig die Wohnung.
  • Vermeiden Sie Innenraumschadstoffe – zum Beispiel Ausdünstungen neuer Möbel, Teppiche, frisch gestrichener Wände – und Autoabgase.
  • Falls Sie als Eltern oder die Geschwister Ihres Säuglings Allergien haben, sollten Sie bei der Auswahl eines Haustieres insbesondere Katzen und andere felltragende Tiere vermeiden. Hunde steigern vermutlich nicht das Risiko für eine Allergie.

Quelle

S3-Leitlinie Allergieprävention, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 061/016.

 

Apothekerin Dr. Constanze Schäfer

 

 

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