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DAZ aktuell
Kontrolle außerordentlich schwierig
Vertreter aus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), dem Zentrallaboratorium der Deutschen Apotheker, der Universität und der Industrie diskutierten die Probleme und Herausforderungen der qualitätssichernden Analytik und der Auditierung von asiatischen Produktionsstätten.
Fälschungen lassen sich, so Holzgrabe, wie folgt kategorisieren:
- Fälschungen von Umverpackung/Beipackzettel,
- Fälschungen, die eine geringere als die deklarierte Menge Wirkstoff (active pharmaceutical ingredient, API) oder auch einen falschen oder gar keinen Wirkstoff enthalten.
- Arzneimittelfälschungen sind nicht nur ein Problem der Dritten Welt.
So fand der deutsche Zoll im Jahr 2008 vier mal so viele Fälschungen wie in 2006.
Wirkstoffe hauptsächlich aus China und Indien
Wurden in den 1990er Jahren noch 80% der Wirkstoffe in Europa bzw. Amerika hergestellt, so entfällt dieser Anteil heute auf die Länder China und Indien. Während die Erzeuger-Regionen Europa und USA jahrzehntelange Erfahrungen mit US/FDA, EDQM und GMP-Inspektionen vorweisen können und über ein auf dem neuesten Stand befindliches Qualitätsmanagement verfügen, ist in China wegen mangelnder Kontrollen davon auszugehen, dass von ca. 4500 Herstellern pharmazeutischer Wirkstoffe rund zwei Drittel der Fabrikationsstätten minderwertige Produkte auf den Markt werfen.
Todesfälle durch Fälschungen
Als Beispiele für Todesfälle durch verunreinigte Arzneistoffe führte Holzgrabe den Vorfall aus dem Jahr 1990 an, in dem Paracetamol-Sirup über das enthaltene Glycerin mit Diethylenglykol kontaminiert war, darüber hinaus die Tryptophan-Affäre, bei der ein Wechsel in der Produktion zu zusätzlichen Verunreinigungen führte, die ein eosinophiles Myalgie-Syndrom (EMS) auslösten, anaphylaktoides, übersulphatiertes Heparin, das im Jahr 2007 für etwa 100 Todesfälle in den USA verantwortlich war, und last not least die dramatischen Ereignisse in China durch das Melamin-verseuchte Milchpulver.
Was tun gegen Fälschungen?
Die Möglichkeiten der Zulassungsbehörde, hinsichtlich Arzneimittelfälschungen präventiv einzugreifen, sind begrenzt, wie aus den Ausführungen von Dr. Thorsten Gumz und Dr. Uwe Lipke, beide Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), deutlich wurde. Der Prüfauftrag der Behörde im Rahmen des Zulassungsverfahrens erstreckt sich neben der GMP-gerechten Herstellung des "Arzneimittel-Modells” zwar auch auf die Wirkstoff-Synthese, die Strukturaufklärung und Charakterisierung von Verunreinigungen, auf Spezifikationen und Analysenverfahren, sowie auf Chargenergebnisse, Referenzstandards und deren Qualifizierung bis hin zur Packmitteleignung und Haltbarkeitsuntersuchungen, damit wird der Prüfauftrag jedoch auch eingeschränkt. Zwar können gegebenenfalls zusätzliche Identifikationsprüfungen und weitergehende Prüfungen gefordert werden, jedoch gibt es hier Überschneidungen mit GMP-Belangen, das heißt, die Überwachungsbehörden sind gefordert. Außerdem erfasst die präventive Kontrolle im Rahmen des Zulassungsverfahrens lediglich die legale Vertriebskette für Arzneimittel und Wirkstoffe.
Überwachung der Hersteller in China und Indien
Einigkeit bestand unter den Diskussionsteilnehmern darin, dass geeignete Auditierungsstrukturen der API-Hersteller für eine wirksame Bekämpfung von Wirkstofffälschungen unerlässlich ist, aber genau hier liegt offenbar das Problem, wie der Vertreter der pharmazeutischen Industrie bei der Diskussion, Priv.-Doz. Dr. Martin Tegtmeier, Salzgitter, hervorhob. Zwar sind die Pharmaunternehmen dazu verpflichtet, ihre API-Hersteller zu auditieren, jedoch ist in China und Indien an die Hersteller vielfach überhaupt nicht heranzukommen. Nach seiner Erfahrung hat Indien im Übrigen schon höhere Standards vorzuweisen, aber selbst die Inder beziehen mittlerweile Arzneistoffe bereits aus China, weil die eigene Produktion zu teuer ist.
Weltweit große Intransparenz
Ähnliches zeigen die Erfahrungen der Überwachungsbehörden. Nicht nur die große Intransparenz in der Herstellungs- und Vertriebskette der Wirkstoffe, die bereits bei den Ausgangsstoffen für die Wirkstoff- und Hilfstoffherstellung beginnt, verhindert deren konsequentes Vorgehen, sondern auch die mangelnde Befugnis der Länderbehörden, etwa über Testbestellungen im Internet, verdeckte Ermittlungen durchzuführen.
Auf europäischer und internationaler Ebene scheint zwar auf den ersten Blick alles ausreichend geregelt zu sein, um Fälschungen zu verhindern, zum Beispiel über GMP und Good Distribution Practice (GDP), in der Praxis jedoch gelten die Regelungen weltweit nicht einheitlich, und die geregelten Märkte sind im globalen Handel nicht abzuschotten, weshalb auch der deutsche und andere gut regulierte Märkte sich nur schwer vor Fälschungen schützen können. Tegtmeier forderte an dieser Stelle mehr Transparenz hinsichtlich der Hersteller, die schon einmal durch Mängel aufgefallen sind. Aus seiner Sicht wäre es bereits eine große Hilfe für alle Beteiligten, wenn diese etwa in Listen öffentlich gemacht würden.
Einsatz orthogonaler Analysemethoden
Als mögliche Maßnahmen der Qualitätssicherung und damit im Sinne des Patientenschutzes schlägt Holzgrabe zur Identifizierung von Fälschungen zusätzlich zu den Arzneibuchmethoden (HPLC) den Einsatz orthogonaler, das heißt auf einem anderen physikalischen Prinzip beruhende Analysemethoden vor, z. B. der Raman- und NIR-Spektroskopie, der NMR-Spektroskopie oder der Röntgendiffraktometrie.
Auch Dr. Mona Tawab vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker hält die Arzneibuchmethoden und firmeneigenen Spezifikationen nicht für ausreichend, um Fälschungen zu erkennen. Orthogonale Methoden sind nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft durchaus vorhanden, jedoch erfordert deren schneller und routinemäßiger Einsatz entsprechende Spektrenbibliotheken – und genau an diesen fehlt es noch. Tegtmeier hält es für einen gangbaren Weg, aus Kostengründen zunächst die gefährdesten Wirkstoffe herauszufiltern und für diese eine gemeinschaftlich genutzte Spektrenbibliothek aufzubauen (siehe auch Beitrag im Kasten zur Röntgendiffraktrometrie Seite 37).
Fazit für den Umgang mit Wirkstoffen in der Offizin
Bei Analysenzertifikaten für Wirkstoffe muss der Apotheker überprüfen, ob der Wirkstoffhersteller eine Herstellungserlaubnis besitzt. Ist kein Analysenzertifikat verfügbar, sind Prüfungen nach dem Arzneibuch durchzuführen. Sollten Zweifel an der Qualität des Wirkstoffs aufkommen, so ist die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker zu benachrichtigen. Diese wird ggf. veranlassen, dass der Wirkstoff beim ZL überprüft wird.
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