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Praxis aktuell
Katzenkrallenwurzel – ein Antirheumatikum aus Peru
Vor 50 Jahren kam eine österreichische Bergsteiger-Expedition im Dschungel am Osthang der Anden von Peru zufällig in Kontakt mit einem indianischen Stamm, der zur Behandlung von Infektionen und rheumatischen Beschwerden die Wurzeln einer bestimmten Liane anwendete. Dabei handelte es sich um die Katzenkralle (Übersetzung von spanisch "uña de gato"; Uncaria tomentosa) aus der Familie Rubiaceae (Rötegewächse), die vorwiegend in den Tropen und Subtropen verbreitet ist und zahlreiche Alkaloiddrogen liefert. In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) findet sich eine verwandte Art, U. rhynchophylla, die jedoch heute weltweit nicht die Rolle spielt wie U. tomentosa. Auch eine andere südamerikanische Art, U. guianensis, ist nicht so populär, weil ihr Alkaloidgehalt geringer ist.
In den USA zählen Katzenkralle-Präparate inzwischen zu den meistverkauften pflanzlichen Heilmitteln, obwohl keine wissenschaftlich ausreichenden Studien über sie vorliegen [2].
Die Werbung stützt sich auf die traditionellen Anwendungen und auf die wenigen Laboruntersuchungen, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden. Sie zeigten
• eine Stärkung des Immunsystems,
• die Verhinderung von entzündlichen Prozessen,
• die Hemmung des Wachstums von Tumoren sowie
• die Unterdrückung der viralen Replikation.
Kontraindikationen und Nebenwirkungen von Katzenkralle-Präparaten sind – abgesehen von einer Erhöhung der Harnsäurewerte und von leichten Herz-Kreislauf-Beschwerden – nicht bekannt.
Die Pflanze und ihre Inhaltsstoffe
Die Katzenkralle ist eine Liane und kann eine Stammlänge von bis zu 100 m und einen Durchmesser von mehr als 20 cm erreichen. An Kurztrieben wachsen die gegenständigen Blätter, in deren Achseln sich scharfe, leicht sichelförmig gekrümmte Dornen befinden. In der Blütezeit werden anstelle der Dornen rispenförmig angeordnete weißliche bis gelbe Blütendolden gebildet.
Als Arzneidroge dient die Wurzelrinde (Uncariae tomentosae radix, Abb. 1). Das mikroskopische Bild zeigt die typische Faserstruktur der Droge und nach Anfärbung mit Phloroglucin-Lösung die verholzten Wände (Abb. 2).
Es gibt offensichtlich zwei Chemotypen von U. tomentosa:
Der pentazyklische Chemotyp enthält neben Alkaloidvorstufen vorwiegend sechs stereoisomere pentazyklische Oxindolalkaloide, während der tetrazyklische Chemotyp vier stereoisomere tetrazyklische Oxindolalkaloide enthält (Abb. 3). Die Droge kann bis zu 2% dieser Indolalkaloide enthalten.
Daneben wurden Triterpene (hauptsächlich Glykoside der Chinovasäure syn. Chonovinsäure; Abb. 4), Procyanidine und Steroide (u. a. β-Sitosterol, Stigmasterol, Campesterol) nachgewiesen.
Neben den Untersuchungen, die sich vorwiegend auf die Wirkungen der isolierten Alkaloide beschränken, gibt es auch verschiedene Studien, die mit kommerziellen wasserlöslichen Zubereitungen durchgeführt wurden.
In den USA sind zwei Präparate (AC-11 von Optigenix Inc. und Protectagen von ProThera Inc.) auf dem Markt, die durch erschöpfende Extraktion mit heißem Wasser und Sprühtrocknung hergestellt werden und auf einen Gehalt von 8 bis 10% bzw. 16 bis 20% (nicht näher bezeichneter) Carboxyalkylester eingestellt sind [2].
Pharmakologische Studien
Es sind nur wenige Studien zur pharmakologischen Wirkung und klinischen Wirksamkeit der Katzenkralle durchgeführt worden, die hier kurz zusammengefasst werden [1– 5].
Als allgemein anerkannt gilt eine antiinflammatorische Wirkung der wässrigen Extrakte, wobei Chinovasäureglykoside offensichtlich die aktiven Verbindungen darstellen. Die klinische Prüfung eines Präparates bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zeigte eine Reduktion der Schmerzen und der Morgensteifigkeit. Zudem war es als begleitende (adjuvante) Medikation bei einer konventionellen Therapie wirksam, sodass die Dosis der Standardmedikation verringert werden konnte [2]. Das geprüfte Präparat ist in Österreich als apothekenpflichtiges Arzneimittel mit der Indikation "rheumatoide Arthritis" zugelassen (Krallendorn von Immodal Pharmaka).
In vitro stimulierte der Extrakt konzentrationsabhängig die Interleukin-1- und IL-6-Produktion. Diese immunmodulierende Wirkung ist auf die genannten Oxindolalkaloide zurückzuführen. Die beiden in den USA erhältlichen Präparate sollen sowohl die DNA-Reparaturmechanismen als auch die zelluläre Immunantwort verbessert haben.
Umstritten ist, ob die Katzenkralle eine Antitumor-Wirkung hat. Die amerikanischen Präparate leiteten in vitro die Apoptose von Tumorzellen ein, was durch charakteristische morphologische Veränderungen und internukleosomale Fragmentierung der DNA nachgewiesen wurde. Auch im Test mit der Leukämie-Zelllinie HL-60 sowie mit einer durch das Epstein-Barr-Virus transformierten Burkitt-Lymphom-Zelllinie erwiesen sie sich als zytotoxisch. In Tierversuchen wurde die Antitumor-Wirkung nicht geprüft.
Für die Triterpenglykoside wurde in vitro eine selektive antivirale Wirkung nachgewiesen. Sie hemmten das Vesicular-Stomatitis-Virus, das zu den RNA-Minusstrang-Viren zählt, nicht hingegen Rhinoviren (RNA-Plusstrang-Viren).
Bei 13 HIV-positiven Personen, die mit einem auf pentazyklische Oxindolalkaloide standardisierten Präparat behandelt wurden, war nach wenigen Monaten die Anzahl der Lymphozyten deutlich angestiegen (bei unveränderter Anzahl der Leukozyten insgesamt), was auf eine Immunstimulation hinweist [2].
Wenn der Patient nachfragt …Unter den Patienten hat es sich herumgesprochen, dass Ärzte nicht allwissend und schon gar nicht allmächtig sind. Gerade Patienten mit chronischen Krankheiten und einem hohen Leidensdruck sind oft unzufrieden mit der vom Arzt verordneten Therapie, weil sie sich einen größeren Heilerfolg erhofft haben. Sie wechseln dann gern den Arzt oder suchen nach alternativen Therapien, die ihren Gesundheitszustand spürbar verbessern könnten. Ihr Ansprechpartner ist dann oft, nachdem sie sich im Internet einige Informationen geholt haben, die Apotheke. Was sagen Sie dann z. B. dem Rheumapatienten, der zusätzlich zu dem verordneten Basistherapeutikum die Krallenwurzel haben möchte?
Nun, es ist gut, dass der Patient Sie überhaupt um Ihren Rat fragt und nicht gleich ein nutzloses Präparat per Internet bestellt hat. Sie haben jetzt eine Chance und sollten beim Beratungsgespräch folgende Punkte bedenken.
• In der Phytotherapie gibt es generell große Unterschiede bei der Qualität von Drogen und Zubereitungen. Als Apotheker empfehlen Sie Präparate, die als Arzneimittel zugelassen oder registriert sind, weil deren Wirksamkeit nachgewiesen ist oder aufgrund der traditionellen Anwendung wahrscheinlich ist.
• Im Fall der Katzenkralle gibt es ein Arzneimittel, das allerdings nur in Österreich zugelassen ist. Sie können es für Ihren Patienten gemäß § 73 Abs. 3 AMG importieren, wenn der Arzt ein entsprechendes Rezept ausstellt. Dies setzt allerdings voraus, dass der Patient dem Arzt ebenso vertraut wie Ihnen und dass der Arzt diese Begleittherapie befürwortet. Außerdem muss der Patient die Kosten selbst zahlen, weil sie von der Krankenkasse nicht erstattet werden.
• Viele Patienten erhoffen sich von einer Begleitmedikation zusätzlich zum Heilerfolg, dass sie die Dosierung des Basismedikaments reduzieren können. Dies darf der Patient jedoch nicht nach eigenem Ermessen tun, sondern nur in Absprache mit dem Arzt (Stichwort "Compliance"). Insofern ist die ärztliche Verschreibung der Begleitmedikation durchaus sinnvoll und nicht als bürokratische Hürde zu verstehen.
• Wenn der Patient sich das Präparat nicht vom Arzt verschreiben lassen will, können Sie ihn auf rezeptfreie Phytopharmaka hinweisen, die bei rheumatischen Erkrankungen indiziert sind. Wenn der Patient darauf eingeht, ermahnen Sie ihn, dass er die Dosis des Basismedikaments nicht eigenmächtig reduzieren soll, sobald er eine Besserung verspürt.
• Raten Sie dem Patienten davon ab, ein Präparat per Internet zu bestellen. Die Qualität solcher Präparate ist zweifelhaft und erst recht der Nutzen, den man von ihnen erwarten kann.
Wolfgang Caesar
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Aktuelle Beurteilung
Die Wurzel der Katzenkralle (Uncariae tomentosae radix) ist von der Kommission E nicht bearbeitet worden, da die Droge zum Zeitpunkt der Monographiebearbeitungen in der Phytotherapie keine Bedeutung hatte. Da sich dies inzwischen geändert hat, haben Schilcher und Mitarbeiter 2007 eine vorläufige Monographie erstellt, in der die Wirkungen wie folgt zusammengefasst sind [3]:
• immunmodulierend,
• antiinflammatorisch,
• antileukämisch (in vitro),
• antiviral (kontrovers diskutiert),
• zytostatisch (kontrovers diskutiert).
Die Wirkmechanismen werden dort als "nicht bekannt" bzw. als "bislang noch nicht verifiziert" bezeichnet. Doch "sollten die vorhandenen experimentellen und klinischen Ergebnisse, auch wenn sie noch mangelhaft sind, die Wissenschaft zu vertiefenden klinischen und experimentellen Studien animieren" [3].
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Datenlage für die Droge Katzenkrallenwurzel und die meisten daraus hergestellten Produkte recht dünn ist. Apotheker sollten ihren Patienten von der Selbstmedikation mit Präparaten, die nicht als Arzneimittel zugelassen sind, abraten.
Danksagung
Die Autoren danken Aga Bohn und dem Kräuterhaus Hamburg für die Bereitstellung von Drogenmaterial.
Literatur
[1] Länger R. Eine südamerikanische Heilpflanze, wissenschaftlich erforscht. Uncaria tomentosa (Willd.) DC., Katzenkralle. Österr Apoth Ztg 2002;56(4):168-171.
[2] Erowele GI, Abolanle AO. Pharmacology and therapeutic uses of cat’s claw. Am J Health-Syst Pharm 2009; 66(11):992-995.
[3] Schilcher H, Kammerer S, Wegener T. Leitfaden Phytotherapie. 3. Aufl. Urban & Fischer, München 2007.
[4] Blaschek W, et al. Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen. 6. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2007.
[5] Brendler T, Grünwald J, Jänicke C. Handbuch Phytotherapie. Wissenschaftl. Verlagsges., Stuttgart 2003.
Korrespondenzautor
Dr. Hans-Peter Hanssen, Universität Hamburg, Institut für Pharm. Biologie und Mikrobiologie, Bundesstr. 45, 20146 Hamburg, hans-peter.hanssen@hamburg.de
Koautoren
Dr. Angelika Koch,
Sebastian Mahnke und Markus Schmitz-Hübsch,
Hamburg
1 Kommentar
Katzenkralle
von Heidi Wassmer am 29.11.2019 um 23:20 Uhr
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