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Codierungsfehler mit Folgen

BERLIN (ks). Der Gesundheitsfonds und der mit ihm verbundene morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) sorgt einmal wieder für negative Schlagzeilen. Wie der "Spiegel" diese Woche meldete, haben falsche Codierungen dazu geführt, dass den Krankenkassen mehrere Millionen Euro für HIV-Infizierte überwiesen wurden, die es in Wahrheit nicht gibt.
Fehler im Morbi-RSA Krankenkassen erhielten Millionen Euro aus dem Morbi-RSA für HIV-Infizierte, die es nicht gibt. Grund: ein Codierungsfehler im Morbiditäts-Risikostrukturausgleich der Kassen.
Foto: DAK

Die Extra-Zuweisungen, die die einzelnen Kassen seit Jahresbeginn über den Morbi-RSA für ihre Versicherten mit besonders aufgeführten Erkrankungen bekommen, haben dem "Spiegel" zufolge für erstaunliche Bewegung in der Diagnosestellung gesorgt. Dass Kassen und Ärzte zum gemeinsamen finanziellen Vorteil für neue Codierungen sorgen, ist keine neue Anklage. Doch hinzu kommen laut "Spiegel" nun auch denkwürdige neue Diagnosen, die nicht auf bewusstes Handeln sondern auf technische Probleme zurückzuführen sind.

So stellten Abrechnungsexperten bei den Kassen einen sprunghaften Anstieg von HIV-Infektionen fest. Für Verwunderung sorgte dabei, dass die Diagnose durch die Bank weg Augenärzte erstellten – und das bei Patienten, die älter als 65 Jahre alt sind. Sämtliche Ärzte nutzten die gleiche Praxis-Software, die fehlerhafterweise bei vielen Patienten die Codierziffer für "sonstige näher bezeichnete Krankheitszustände infolge HIV-Krankheit" anhängte. Nach Einschätzung der Hanseatischen Krankenkasse (HEK) belaufen sich die Fehlzuweisungen für die gesamte GKV auf "etwa 160 Millionen Euro". Der Hersteller der Praxis-Software sieht sich laut "Spiegel" nicht in der Schuld und spricht von einem "Anwendungsfehler". Dieser sei zum zweiten Quartal dieses Jahres aber vollständig behoben worden. Dennoch fragt man sich nun, ob derartige Codierungsfehler in der Software auch bei weniger auffälligen Patientengruppen und Krankheitsbildern auftreten und somit zu einer ungerechtfertigten Geldumverteilung innerhalb des Morbi-RSA führen, ohne dass sie jemandem auffallen.

Beim AOK-Bundesverband regte sich nach dem "Spiegel"-Bericht prompt Protest. Vorstandsvize Jürgen Graalmann wies die Behauptung zurück, niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte überzeichneten die Krankheitsbefunde ihrer Patienten absichtlich, um so mehr Geld von den Krankenkassen zu erhalten. "Ebenso abstrus" seien die Unterstellungen gegenüber den Kassen. Diese drängten darauf, dass Ärzte Krankheiten korrekt dokumentieren, damit das Geld aus dem Gesundheitsfonds zielgenau dorthin gelange, wo es für die Behandlung von Kranken tatsächlich gebraucht wird, betonte Graalmann. Zudem lasse sich der Gesundheitsfonds nicht über den Morbi-RSA "ausplündern", wie der "Spiegel" behaupte. Sollten Versicherte wirklich fälschlich zu Kranken deklariert werden, würden die durchschnittlichen Kosten einer Krankheit pro Patient sinken, argumentiert der AOK-Vorstand. Denn die falsch deklarierten Kranken verursachten nicht die Behandlungs- und Arzneimittelkosten der tatsächlich Kranken. Die Folge wäre, dass die Krankenkassen in diesem Fall für die tatsächlich anfallenden Behandlungen zu wenig Geld erhielten. Graalmann warnte davor, "den Gesundheitsfonds als Mutter aller Kostensteigerungen verkleiden und zum Scheiterhaufen führen zu wollen".

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