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Ernährung aktuell
AGRP macht Appetit
Die Nahrungsaufnahme und das Körpergewicht werden beim Menschen durch sehr komplexe Prozesse gesteuert. Dabei ist eine Reihe von Hormonen von Bedeutung – das bekannteste von ihnen ist das Insulin, das bei einem Anstieg des Blutzuckerspiegels ausgeschüttet wird. Insulin sorgt nicht nur dafür, dass die hohe Zuckerkonzentration im Blut abgebaut wird, sondern signalisiert zugleich dem Körper, dass genügend Energie aufgenommen wurde – und hat damit einen appetithemmenden Effekt. Eine ähnliche Funktion besitzt auch das Melanocortinsystem: Melanocortine üben ihre Wirkung am Melanocortinrezeptor (MC-Rezeptor) im Hypothalamus aus – einer kleinen Region im Gehirn, die Vorgänge wie Körpertemperatur, Schlaf und Nahrungsaufnahme reguliert. "Ähnlich wie Insulin haben auch Melanocortine einen appetithemmenden Effekt", erläutert Studienautor Dr. Andreas Breit. "Dieser ist jedoch unabhängig vom Blutzuckerspiegel und reguliert das Körpergewicht eher im mittel- bis langfristigen Bereich. Im Prinzip sorgen Melanocortine dafür, dass das Gewicht über die ganze Lebenszeit konstant bleibt."
Kommt es aufgrund eines Gendefekts zur Fehlregulation des Melanocortinsystems, hat dies eine massive Fettleibigkeit zur Folge. "Man weiß, dass das System durch das Hormon Leptin beeinflusst wird, das von Fettzellen ausgeschüttet wird", so Breit. "Im Moment wird diskutiert, dass ein hoher Fettanteil des Körpers das Melanocortinsystem durcheinander bringt, so dass die natürliche Regulation des Appetits nicht mehr funktioniert." Daher ist dieser Regelkreis ein wichtiger Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Wirkstoffe, die Übergewicht entgegenwirken können. Die Forschergruppe um Dr. Andreas Breit und Professor Thomas Gudermann von der LMU München untersuchte, wie ein weiteres Hormon das Melanocortinsystem beeinflusst. Das Agouti-related Protein oder AGRP bindet ebenfalls an den MC-Rezeptor, hat jedoch die entgegengesetzte Wirkung der Melanocortine: Es wirkt appetitfördernd. "Bislang wurde angenommen, dass AGRP lediglich die Bindung der Melanocortine an den Rezeptor blockiert und daher den Appetit nur passiv reguliert", erklärt Breit. "Durch unsere Untersuchung ist es nun gelungen, neue Aspekte der Wechselwirkung zwischen Melanocortinen, AGRP und dem MC-Rezeptor aufzudecken."
In ihrer Studie verwendeten die Forscher eine Zelllinie, die aus dem Hypothalamus von Mäusen stammt und von Natur aus MC-Rezeptoren besitzt. Anhand dieser Zellen beobachteten sie, welche Proteine durch die Bindung der beiden unterschiedlichen Hormone an den Rezeptor aktiviert werden. "Bisher wusste man, dass Melanocortine beim Andocken an den Rezeptor G-Proteine aktivieren", sagt Breit. "Nach dem bestehenden Modell hätte AGRP den Rezeptor blockieren und damit die Aktivierung der G-Proteine verhindern müssen." Zur Überraschung der Forscher war jedoch genau das Gegenteil der Fall: AGRP war selbst in der Lage, G-Proteine zu aktivieren. Demnach verhindert AGRP nicht nur passiv die Wirkung der Melanocortine, sondern übt selbst eine aktive Funktion in der Zelle aus. "Die Ergebnisse legen nahe, dass das Melanocortinsystem beim Menschen sowohl appetithemmende als auch appetitfördernde Prozesse anstoßen kann", betont Breit. "Daraus ergibt sich in Zukunft möglicherweise die Chance, Medikamente zu entwickeln, die den Appetit und das Körpergewicht gezielt regulieren können."
lmu/ral
Quelle: Breit, A. et al.: J. Biol. Chem. 2009; 284 (39): 26411 – 26420
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