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Herpes labialis
Lippenherpes: Tipps, damit die Lippen nicht "aufblühen"
Nach der Erstinfektion, die meist im Kindesalter stattfindet, verlässt das Virus über Nervenbahnen die Infektionsstelle und kann in den sensorischen Ganglien des Rückenmarks persistieren. Bei etwa 30 bis 40% der Infizierten kann es später durch verschiedene Faktoren reaktiviert werden. Dabei wandert das Virus wieder aus dem Ganglion zurück zur Haut, infiziert erneut Zellen der äußeren Hautschicht und löst die typischen Herpesbläschen an den Lippen oder in der Umgebung des Mundes aus. Zu den reaktivierenden Faktoren zählen vor allem Fieber, Infektionskrankheiten, Traumata, Stresssituationen, Klimaveränderungen (starke Sonneneinstrahlung!) und Hormonumstellungen. Ein erneuter Ausbruch der Infektion kündigt sich durch charakteristische Symptome wie Kribbeln, Brennen, leichtes Spannungsgefühl oder Schmerz und Hautrötung im Lippenbereich an (Prodromalstadium). Danach erscheinen gerötete Papeln, die sich zu flüssigkeitsgefüllten, hoch infektiösen Bläschen (Vesikeln) entwickeln (Erythem- und Bläschenstadium). Nach drei bis fünf Tagen platzen diese Bläschen auf und verkrusten und verschorfen anschließend. Diese beiden Stadien (Ulcerations- und Verkrustungsstadium) sind häufig mit Schmerzen und Juckreiz verbunden. Die verschiedenen Stadien können sich in der Dauer und im Schweregrad individuell sehr unterscheiden. Nach etwa sieben bis zehn Tagen sind die Hautläsionen ohne Narbenbildung abgeheilt. Schwerere Verläufe, die zum Beispiel mit Fieber und Nervenschmerzen verbunden sein können, sind möglich.
Lokale Therapie ist erste Wahl
Da eine kausale Therapie, das heißt eine vollständige Entfernung aus dem Organismus, gegen Herpes-simplex-Viren des Typs 1 heute noch nicht möglich ist, beschränken sich die Interventionsmöglichkeiten bei Lippenherpes auf die Linderung der Symptome und die Beschleunigung der Abheilung der zumeist unansehnlichen Läsionen. Rezeptfrei erhältlich sind Cremes oder Gele mit den Wirkstoffen Aciclovir, Penciclovir, Docosanol, Zinksulfat, Heparin und Trockenextrakt aus Melissenblättern (siehe Tab. 1). Lokale Zubereitungen mit den Wirkstoffen Foscarnet (Triapten®), Idoxuridin (Virunguent®) und Tromantadin (Viru-Merz® Sol Gel) sind verschreibungspflichtig.
Ein Blick auf die Zulassungsstudien von Präparaten mit Aciclovir, Penciclovir oder Docosanol zeigt, dass bei Anwendung dieser Wirkstoffe die Abheilungszeit einer akuten Episode um etwa einen halben Tag verkürzt werden kann.
Virusvermehrung durch Nukleosidanaloga gehemmt
Aciclovir und Penciclovir sind Guanosinanaloga, Idoxuridin ist ein Thymidin-Analogon. Nach intrazellulärer Aktivierung werden sie bei der Neusynthese der viralen DNA in den Strang eingebaut. Dadurch kommt es zur Hemmung der DNA-Polymerase und damit zum Abbruch der Virusreplikation. Tromantadin hemmt die Vermehrung des Virus durch Beeinträchtigung des Uncoatings. Foscarnet ist ein Pyrophosphat-Analogon, das die DNA-Polymerase nichtkompetitiv durch Bindung an die Akzeptorstellen von Pyrophosphat hemmt, welches bei der Anknüpfung eines neuen Nukleotids an die Nukleinsäurekette abgespalten wird.
Eindringen des Virus behindern
Bei dem kürzlich neu eingeführten Docosanol (Erazaban®) handelt es sich um einen aus 22 Kohlenstoffatomen bestehenden gesättigten aliphatischen Alkohol. Der Wirkstoff wird von den Hautzellen aufgenommen und zu Docosansäure metabolisiert. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht bekannt. In vitro-Untersuchungen zeigen, dass Docosanol die Fusion zwischen lipidumhüllten Viren wie HSV 1 und der Plasmamembran behindert. Daher nimmt man an, dass Docosanol seine Wirkung über eine Verhinderung des Eindringens der Viren entfaltet. Auch bei den Inhaltsstoffen von Melissenblätterextrakt soll die Wirkung darauf beruhen, dass sie an die Oberflächenrezeptoren der Hautzellen binden und dadurch das Eindringen der Viren behindern. Das bei Lippenherpes topisch eingesetzte Zinksulfat dagegen besitzt adstringierende Eigenschaften. Der Zusatz von Heparin (im Widmer Lipactin® Gel) soll die virustatische Wirkung einer Zinksulfat-haltigen Zubereitung gegen Lippenherpes noch verstärken.
Verhaltenstipps bei Lippenherpes
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Alternativen und Zusatzempfehlungen
Um eine bakterielle Superinfektion zu bekämpfen bzw. zu vermeiden, können bei Lippenherpes in der Selbstmedikation auch lokale Antiseptika angewendet werden. Empfehlenswert sind Clioquinol (Linola sept®), Tyrothricin (Tyrosur® Gel) und – bei Beachtung der Kontraindikation Hyperthyreose – Povidon-Iod (Betaisodona® Salbe). In der Abheilungsphase der Läsionen sind Echinacin® Madaus Salbe oder Echinacin® Lippenbalsam und in beschwerdefreien Zeiten LomaProtect® Lippenpflege eine mögliche Zusatzempfehlung. Auch die Homöopathie hält zahlreiche Mittel gegen bläschenartigen Hautausschlag im Bereich der Lippen bereit, wie z. B. Rhus toxicodendron, Dulcamara oder Hepar sulfuris. Zur Auswahl des passenden Mittels seien die entsprechenden Nachschlagewerke empfohlen.
Bläschen diskret abdecken
In vielen Fällen blühen die Lippen gerade dann auf, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann, zum Beispiel kurz vor einer Urlaubsreise, einer Party oder Familienfeier. Eine Möglichkeit, die Bläschen diskret abzudecken, bietet das Compeed® Herpesbläschen Patch, das nach Angaben der Hersteller in jedem Lippenherpes-Stadium aufgeklebt werden kann. Die auf dem kleinen unscheinbaren Pflaster befindliche Hydrokolloidschicht soll nach dem Prinzip der feuchten Wundheilung gute Bedingungen für eine rasche Abheilung der Läsionen bieten. Anwender berichten auch über eine Linderung von Schmerz und Juckreiz. Nicht zuletzt gibt es einige Hausmittel gegen Lippenherpes – vom Betupfen mit Alkohol über Honig oder Johanniskrautöl bis hin zu Zahnpasta, womit sicherlich im Einzelfall gewisse Effekte erzielt werden können.
Beim ersten Kribbeln schnell handeln!
Bei allen Lippenherpescremes und -gelen wird eine Anwendung bereits bei den ersten Anzeichen der Infektion, also bei Spannungsgefühl oder Kribbeln, empfohlen. Auch im Bläschenstadium kann noch mit der Behandlung begonnen werden. Im Verkrustungsstadium wird sie dagegen nicht mehr als sinnvoll erachtet. Der verschreibungspflichtige Wirkstoff Tromantadin darf nur bis zum Bläschen-Stadium aufgetragen werden. Im Allgemeinen beträgt die Behandlungsdauer fünf bis zehn Tage. Bei Abgabe eines Präparats in der Apotheke sollten Hinweise auf Verhaltensregeln bei Lippenherpes (siehe Kasten) nicht fehlen.
Creme ist nicht gleich Creme
Die meisten Cremes gegen Lippenherpes enthalten als Wirkstoff Aciclovir. Im Rahmen einiger Untersuchungen wurde der Frage nachgegangen, ob es bei Präparaten mit gleichen Aciclovir-Konzentrationen Wirksamkeitsunterschiede gibt. Eine In-vitro-Studie fand beispielsweise Unterschiede in der Geschwindigkeit der Hautpenetration bei verschiedenen Aciclovir-haltigen Formulierungen gegen Lippenherpes. Beim Originalpräparat Zovirax® Lippenherpescreme war die perkutane Verfügbarkeit des Wirkstoffs nach 24 Stunden 36-mal höher als bei den untersuchten generischen Zubereitungen. Diesen Unterschied führte man auf den deutlich höheren Gehalt am Penetrations-verbessernden Hilfsstoff Propylenglykol zurück (40% beim Originalpräparat, 15% bei den Generika). Allerdings scheinen neben dem Propylenglykolgehalt noch andere galenische Faktoren eine Rolle zu spielen – denn auch zwischen den untersuchten generischen Aciclovircremes zeigten sich Unterschiede.
Tab. 1: Lokal anzuwendende nicht-verschreibungspflichtige Wirkstoffe gegen Herpes labialis | ||
Wirkstoff | Präparat | Anwendungshäufigkeit pro Tag |
Aciclovir | z. B. Zovirax® | fünfmal |
Penciclovir | Fenistil® Pencivir bei Lippenherpes Creme | mindestens sechsmal |
Docosanol | Erazaban® Creme | fünfmal |
Melissenextrakt | Lomaherpan® Creme | zwei- bis viermal |
Zinksulfat | Virudermin® Gel Lipactin® Gel (Kombination mit Heparin-Na) | drei- bis sechsmal |
Aspekte bei der Präparatewahl
Bei einer Zubereitung, die an einer derart exponierten Stelle wie dem Lippenbereich aufgetragen wird, können bei der Präparatewahl auch kosmetische Aspekte eine Rolle spielen. So ist es beispielsweise manchen Kunden wichtig, dass die Creme möglichst schnell einzieht und "unsichtbar" bleibt, das heißt nach dem Auftragen weder einen fettigen Glanz noch einen weißen Film hinterlässt. Auch die nicht unerheblichen Preisunterschiede können bei der Auswahl eines Präparats von Bedeutung sein.
Das Magazin Ökotest hat kürzlich Lippenherpes-Cremes unter die Lupe genommen und im Aprilheft 2008 einen Test mit 17 Zubereitungen veröffentlicht (ohne das im Testzeitraum noch nicht zugelassene Erazaban®), wobei nur sechs der getesteten Präparate das Gesamturteil "gut" erreichten. Dies ergab sich dadurch, dass Wirkstoffe oder -kombinationen, deren Wirksamkeit nicht ausreichend belegt war (Zinksulfat, Heparin-Na, Melissenblätterextrakt) von Ökotest stark abgewertet wurden. Außerdem kam es zur Abwertung, wenn im Beipackzettel Hinweise darauf fehlten, dass die Zubereitungen möglichst frühzeitig und mit einem Wattestäbchen aufgetragen werden sollten, nicht länger als zehn Tage anzuwenden sind und ein Arztbesuch ratsam ist, wenn nach diesem Zeitraum noch keine Abheilung erfolgt ist. Bei den Hilfsstoffen führte ein Gehalt am dem potenziell allergieauslösenden Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid, ein Zusatz von Natriumdodecylsulfat (gilt als haut- und schleimhautreizend) sowie ein Gehalt von mehr als 1% Paraffinen oder paraffinähnlichen Erdölprodukten und/oder apolare Silikonverbindungen zur Abwertung. Hierzu argumentierte Ökotest, dass sich diese Substanzen weniger gut als natürliche Öle (wie sie in Naturkosmetik zum Einsatz kommen) "in das Gleichgewicht der Haut integrieren". Einen Überblick über die Testergebnisse gibt Tabelle 2.
Tab. 2: Beurteilung von Lippenherpescremes und -gelen durch Ökotest | |||
Gesamturteil | |||
gut | befriedigend | mangelhaft | ungenügend |
Acerpes® Creme bei Lippenherpes | Aciclo-CT® Creme | Lomaherpan® Creme | Lipactin® Gel Widmer |
Acic® Creme bei Lippenherpes | Aciclobeta® Lippenherpes Creme | Virudermin® Gel | |
Aciclovir® AL Creme | Aciclostad® gegen Lippenherpes Creme | ||
Aciclovir® Heumann Creme | Aciclovir® akut Creme 1A-Pharma | ||
Aciclovir-Hemopharm® Creme bei Lippenherpes | Aciclovir® -ratiopharm Lippenherpescreme | ||
Fenistil® Pencivir bei Lippenherpes Creme | Supraviran® Creme | ||
Virzin® Lippenherpescreme | |||
Zovirax® Lippenherpescreme |
Quelle
Lennecke, K.; Hagel, K.; Przondziono, K.: Selbstmedikation für die Kitteltasche, 3. Aufl., Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart (2007).
Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen, 9. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart (2008).
arznei-telegramm Nr. 5/2008, 39: 58-59.
Docosanol: Neue Arzneimittel, 8; 91-93 (2008).
Bultmann J. M., et al., Dtsch. Apoth. Ztg. 144 (17); 1975-1980 (2004).
Rote Liste online, www.rote-liste.de
Testbericht Herpescremes, Ökotest, April 2008.
Rosado, C.; Unknauf, M.: Dtsch. Apoth. Ztg. 146 (37) ; 3819-3821, Nr. 37 (2006).
Path, B.; Gross, G.: Dtsch. Apoth. Ztg. 146 (15), 1653-1658 (2006).
Eisele, M., et al. Homöopathie für die Kitteltasche, 4. Aufl., Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, (2008).
www.lomapharm.marcus-buchwald.de
Anschrift der Verfasserin
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
Dorfstr.
17291 Randowtal/ OT Schmölln
2 Kommentare
zovirax
von Helena Nauta am 13.04.2019 um 16:32 Uhr
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AW: zovirax
von Miez am 19.04.2019 um 15:05 Uhr
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