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DAZ aktuell
AOK kontert mit eigenen Rechtsgutachten
Es ist nichts Neues: Treffen zwei Juristen aufeinander, gibt es mindestens drei verschiedene Meinungen. In Berlin gibt es zwei Rechtsanwälte, die nicht nur den Professor sondern auch sowohl den Dr. jur. als auch den Dr. med. im Titel tragen: Christian Dierks und Alexander Ehlers. Beide werden bei strittigen Fragen im Gesundheitswesen immer wieder gern um Rat und Gutachten gebeten. Vor wenigen Wochen trat Dierks mit den Pharmaverbänden vor die Presse, um sein Gutachten vorzustellen, das die Auffassung der Hersteller bestätigte (siehe DAZ Nr. 30/2009, S. 17). Bei der AOK war und ist die Verärgerung groß. Sie sieht ihre Rabattverträge durch windige Strategien der Hersteller torpediert und wirft der Industrie vor, Patienten zu verunsichern.
Schwierig: Indikationsbereich und Packungsgröße
Nun kontert die Kasse ebenfalls mit Rechtsprofessoren an ihrer Seite. Am 29. August legte sie in Berlin gleich zwei Gutachten vor: Ehlers präsentierte das Seinige zum Tatbestandsmerkmal "gleicher Indikationsbereich", AOK-Chef-Rabattverhandler Christopher Hermann skizzierte den Inhalt des Gutachtens des nicht anwesenden Medizinrechtlers Prof. Thorsten Kingreen, Universität Regensburg, zur Auslegung der "identischen Packungsgröße". Denn nicht nur die Anwendungsgebiete, sondern auch der mengenmäßige Inhalt der Präparate macht Probleme bei der Substitution. Konkret: Kann eine verordnete 100er-Packung Omeprazol gegen die für die AOK rabattierte KSK-Variante mit lediglich 98 Pillen pro Packung ausgetauscht werden?
Keine Probleme mit der weiten Auslegung
Kurz zusammengefasst kommen beide Gutachten zu dem Ergebnis, dass wirkstoffgleiche Arzneimittel weitreichend austauschbar sind. Weder muss das Indikationsspektrum völlig identisch sein, noch müssen numerisch identische Packungsgrößen vorliegen. Ehlers argumentiert, dass auf der Grundlage des derzeitigen Standes der Wissenschaft angenommen werden könne, dass Generika die gleiche Wirksamkeit in allen Anwendungsgebieten aufweisen, für die das Referenzarzneimittel zugelassen wurde und zudem ein gleiches Sicherheitsprofil besitzen. Daher sei es nicht zwingend, das Tatbestandsmerkmal "gleicher Indikationsbereich" eng auszulegen, wenn das preisgünstige, qualitativ dem Original entsprechende Generikum für das fragliche Anwendungsgebiet nicht zugelassen sei. Keine der klassischen juristischen Auslegungsmethoden der einschlägigen Vorschrift kommt Ehlers zufolge zu einem anderen Ergebnis. Eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals konterkariere vielmehr das Wirtschaftlichkeitsgebot in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Auch das Vertrauen der Patienten sieht der Jurist nicht beeinträchtigt. Ihnen werde es in erster Linie darum gehen, ein äquivalentes Arzneimittel zu bekommen. Dass sie nicht an einer bestimmten Packungs- oder Tablettenfarbe hängen, zeigten die Erfahrungen mit Festbeträgen: Als Hersteller glaubten, Patienten würden für ihre bisher eingenommenen Arzneimittel, deren Preis plötzlich über dem Festbetrag lag, aufzahlen, wurden sie eines besseren belehrt. Die Patienten ließen sich gerne auch ein anderes Medikament geben, für das sie nicht mehr bezahlen mussten, so Ehlers. Sein Kollege Kingreen kommt hinsichtlich der Frage, wann Packungsgrößen "identisch" sind, zu dem Schluss, dass dies für alle Packungen zutreffe, die zu einer der Gruppen N1, N2 oder N3 gehören – egal ob beispielsweise die N3-Packung 56, 98 oder 100 Tabletten enthält. Folglich, so Hermann, sei es auch unproblematisch, statt einer verordneten 100er Packung Omeprazol eine 98er-Packung abzugeben.
DAV und GKV-Spitzenverband sind gefordert
Auch wenn für Hermann und seine zu Rate gezogenen Juristen nun alles klar scheint: Es steht Gutachten gegen Gutachten. Und auch wenn sich Ehlers in seiner Präsentation sehr überzeugt gerierte, heißt es im letzten Absatz seines Gutachtens, es bedürfe der "ausdrücklichen Klarstellung, dass für beide Auslegungsvarianten gewichtige Gründe sprechen". Damit ist auch für die Apotheker im Grunde nichts geklärt. Sie stehen weiterhin zwischen den Fronten. Hermann und Ehlers ist das bewusst. Sie betonten daher, dass es nach wie vor erforderlich sei, Rechtsklarheit zu schaffen; entweder vom Gesetzgeber oder – noch besser, weil theoretisch wesentlich schneller realisierbar – von den Rahmenvertragspartnern, dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband. Bislang wurden sich diese in diesem Punkt allerdings noch nicht einig. Die AOK setzt dennoch einige Hoffnung auf das nächste Treffen, das am 7. September stattfinden soll. "Sie sollten die Probleme schnell aus dem Weg räumen, alles andere ist nicht zielführend", betonte Hermann.
Dritte Rabattvertragsrunde mit "super Quoten"
Allzu große Austausch-Probleme scheint es bei den im Juni neu angelaufenen AOK-Rabattverträgen allerdings nicht zu geben. Wie Hermann berichtete, konnten bereits im ersten Monat "super Quoten" erreicht werden. 70 bis 80 Prozent der Verordnungen würden durch Rabattarzneien substituiert, bei etwa 15 Prozent der Verordnungen stehe das Aut-idem-Kreuz dem Austausch entgegen und in den übrigen Fällen hätten die Apotheker pharmazeutische Bedenken angemeldet.
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