Arzneimittel und Therapie

Epigenetische Feinregulation der RNA-Synthese entschlüsselt

Viele Funktionen des Organismus werden durch epigenetische Regulationsmechanismen gesteuert. Diese sind nicht an die DNA-Grundstruktur der Zelle gebunden, können aber dennoch an folgende Generationen weitergegeben werden. Jetzt wurde ein weiterer wichtiger Mechanismus in diesem komplexen Puzzle aufgeklärt: das Enzym TFIIH-Kinase wurde als Regulator der RNA-Polymerase II, die die genetische Information der DNA in mRNA kopiert, identifiziert. Dieser Befund könnte zum besseren Verständnis der Entstehung von Krebs und anderen Erkrankungen beitragen.

Die Epigenetik befasst sich mit den Regulationsmechanismen der Zelle, die die Genaktivität "epi", das heißt neben oder über der DNA steuern. Dabei werden einzelne Gene oder Genabschnitte an- und abgeschaltet, ohne dass sich die Abfolge der DNA ändert. Es entstehen übergeordnete, nicht in der Gensequenz festgelegte Expressionsmuster, die von Zellen zu Tochterzellen weitergegeben werden können. Fehler in der Markierung (etwa durch Umwelteinflüsse) können schwerwiegende Folgen wie Krebs haben. Wie genetische und epigenetische Regulationsmechanismen zusammenspielen und wie sich die genetische Information unter dem Einfluss äußerer Signale auf die Entwicklung und das individuelle Profil eines Organismus auswirken, ist noch weitgehend unverstanden.

Regulation der genetischen Informationsübertragung

Ein deutsch-amerikanisches Team von Wissenschaftlern des Instituts für Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik des Helmholtz Zentrums München und der Universität Wisconsin-Madison/USA ist es jetzt gelungen, die Funktion des Enzyms TFIIH-Kinase für die epigenetische Feinregulation des Zellkernenzyms RNA-Polymerase-II aufzuzeigen. Die genetische Information der Erbsubstanz DNA wird durch das Enzym RNA-Polymerase-II in die messenger RNA (mRNA) übertragen, deren Sequenz die Basis für die Eiweißbiosynthese ist. Darüber hinaus hat die RNA-Polymerase-II aber zusätzlich die Funktion, kleinere RNA-Fragmente mit etwa 100 bis 300 Basenpaaren, die sogenannten snRNA ("small nuclear RNA"), zu synthetisieren, deren Sequenz nicht in Proteine "übersetzt" wird. Schon früher war bekannt, dass eine bestimmte Region der RNA-Polymerase II mitentscheidet, welche Art von RNA gebildet wird. Beim Menschen besteht diese sogenannte "carboxyterminale Domäne" aus 52 Wiederholungen einer Sequenz von sieben Aminosäuren. Die Modifizierung dieses Bereichs bestimmt die weitere RNA-Synthese: Soll snRNA synthetisiert werden, muss die Aminosäure Serin an Position 7 der sich wiederholenden Sequenz mit einer zusätzlichen Phosphatgruppe ausgestattet sein. Fehlt die Phosphatgruppe, wird keine snRNA hergestellt, sondern ausschließlich nur mRNA. Für die Bildung von snRNA ist weiterhin der sogenannte Integrator-Komplex essenziell und erst die Phosphatgruppe des Serins ermöglicht die Wechselwirkung mit diesem Proteinkomplex. Jetzt wurde nachgewiesen, dass das Enzym TFIIH-Kinase für die selektive Phosphorylierung der RNA-Polymerase-II verantwortlich ist und somit letztlich entscheidet, ob snRNA synthetisiert werden kann oder nicht. Diese snRNA spielen im genetischen Geschehen eine Schlüsselrolle bei der Erkennung der Introns und beim Spleißprozess. Krankheiten, die auf verändertes Spleißen zurückzuführen sind, reichen von neurodegenerativen Erkrankungen und Muskeldegeneration bis zu Krebs.

 

 

Quelle

Akhtar, M.S.; et al.: TFIIH Kinase Places Bivalent Marks on the Carboxy-Terminal Domain of RNA Polymerase II. Mol. Cell 2009, 34(3); 387 – 393.

Hanssen, H.-P.: Epigenetik, Biomodulatoren und Krankheiten. Dtsch. Apoth. Ztg. 2005, 145(41); 46 – 48.

 

 Dr. Hans-Peter Hanssen

 

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