Arzneimittel und Therapie

Rosiglitazon und das kardiovaskuläre Risiko

Rosiglitazon steht seit einiger Zeit in dem Verdacht, das Herzinfarktrisiko bei Typ-2-Diabetikern zu erhöhen. Der Hersteller von Rosiglitazon, GlaxoSmithKline, hat immer wieder die kardiovaskuläre Sicherheit von Rosiglitazon beteuert und hierzu auf die Record-Studie verwiesen, die dies belegen sollte. Nun liegen die Endergebnisse vor. Ein im Vergleich zur Sulfonylharnstoff- und Metformin-Therapie erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unter Rosiglitazon ist nicht zu erkennen. Doch Kritiker halten die Studie nicht für aussagekräftig.

Glitazone senken nicht nur effektiv den Blutzucker, sie können auch der Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes entgegen wirken. Diese positiven Wirkungen werden begleitet von einem erhöhten Knochenbruchrisiko. Zudem muss mit einer Gewichtszunahme, Flüssigkeitsretention und einem zweifach erhöhten Herzinsuffizienzrisiko gerechnet werden.

Wie der Verdacht aufkam

Ergebnisse einer Metaanalyse legten darüber hinaus nahe, dass unter Rosiglitazon das Herzinfarktrisiko steigt. Die 2007 im New England Journal of Medicine publizierte Analyse wurde anhand von 42 Studien mit mehr als 28.000 Patienten durchgeführt. Es handelte sich dabei um Studien, in denen Rosiglitazon bei Typ-2-Diabetikern mit Placebo oder anderen Therapien verglichen worden war und die eine Mindestdauer von 24 Wochen hatten. In den Rosiglitazon-Gruppen wurden 86 Herzinfarkte registriert, in den Kontroll-Gruppen 72. Danach hatten mit Rosiglitazon behandelte Patienten ein signifikant erhöhtes Risiko für einen Myokardinfarkt von 43% und ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle von 64%, dessen Signifikanz im Grenzbereich lag.

Zweifel an Aussagekraft

Ob diese Ergebnisse tatsächlich die Realität widerspiegeln, war immer wieder bezweifelt worden. Auch die Autoren der Metaanalyse hatten auf Schwachstellen hingewiesen: So seien Daten von Studien gepoolt worden, die nicht dazu angelegt waren, Zusammenhänge zwischen der Therapie und kardiovaskulären Ereignissen aufzuzeigen. Die Studien variierten zudem in ihrer Länge, der Patientenpopulation und in den Behandlungsregimen. Die Ergebnisse basierten auf einer geringen Zahl von Ereignissen, geringfügige Änderungen hätten auch zu anderen Resultaten führen können.

Record-Studie sollte Fragen klären

Von allen Seiten wurde damals betont, dass nur große, langfristig angelegte Endpunktstudien klare Aussagen zum kardiovaskulären Sicherheitsprofil von Rosiglitazon geben könnten. Vor diesem Hintergrund wurden die Ergebnisse der seit 2001 laufenden Record-Studie (Rosiglitazone Evaluated for Cardiac Outcomes and Regulation of Glycaemia in Diabetes) mit Spannung erwartet. Sie sind nun im Lancet publiziert worden. An dieser Multicenterstudie nahmen 4447 Typ-2-Diabetiker teil, die mit einer Metformin- oder Sulfonylharnstoff-Monotherapie nur einen durchschnittlichen HbA1c -Wert von 7,9 erreichen konnten. Sie erhielten randomisiert entweder zusätzlich Rosiglitazon (n = 2220) oder eine Metformin-/Sufonylharnstoff-Kombinationstherapie (n = 2227). Die mittlere Behandlungsdauer betrug 5,5 Jahre.

Primärer Endpunkt der Studie war eine Klinikeinweisung aufgrund kardiovaskulärer Komplikationen oder kardiovaskulärer Tod. Dieser Endpunkt wurde von 321 Patienten der Rosiglitazon- und 323 Patienten der Kontrollgruppe erreicht. Danach ist die Rosiglitazon-Behandlung mit keinem höheren kardiovaskulären Risiko verbunden als eine kombinierte Metformin-/Sulfonylharnstoff-Therapie. Mit einer Hazard Ratio von 0,99 wird das Kriterium der Non-Inferiorität (Nicht-Unterlegenheit) erfüllt.

Die Auswertung der sekundären Endpunkte zeigte für die Rosiglitazon-Gruppe unter anderem folgende nicht statistisch signifikante Ergebnisse:

  • niedrigere Gesamtsterblichkeit (Rosiglitazon: 136 Fälle; Kontrolle: 157 Fälle),
  • geringeres Auftreten eines kombinierten Endpunkts, der Fälle von kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall zusammenfasst (154 vs. 165 Fälle),
  • mehr Herzinfarkte in der Rosiglitazon-Gruppe (Rosiglitazon-Gruppe 64 Fälle; Kontrolle 56 Fälle),
  • weniger Schlaganfälle (46 Fälle vs. 63 Fälle).

Nebenwirkungen bestätigt

HbA1c -Werte und damit die glykämische Kontrolle waren unter Rosiglitazon signifikant besser als in der Kontrollgruppe. Bestätigt hat die Record-Studie, dass unter Rosiglitazon das Herzinsuffizienzrisiko, das Gewicht, die Ödembildung und auch das Knochenbruchrisiko signifikant steigen. So entwickelten 61 Patienten der Rosiglitazon-Gruppe eine Herzinsuffizienz, in der Kontrollgruppe waren es nur 29. Das Knochenbruchrisiko nahm unter Rosiglitazon bei Frauen um 87% zu, bei Männern dagegen nur um 23%.

Verfälschtes Ergebnis durch Statine?

Während der Hersteller von Rosiglitazon in den Ergebnissen der Record-Studie eine Bestätigung für die kardiovaskuläre Sicherheit von Rosiglitazon sieht, werden in einem zeitgleich im Lancet publizierten Kommentar von Ravi Retnakaran und Bernard Zinman Zweifel an der Aussagekraft geäußert. Sie kritisieren das Open-label-Studiendesign, bei dem im Gegensatz zu Doppelblindstudien Prüfer und Studienteilnehmer über die Studienmedikation informiert sind. Darüber hinaus merken sie an, dass die kardiovaskuläre Ereignisrate in der Record-Studie deutlich hinter der erwarteten zurückgeblieben sei. Bezüglich des Parameters Herzinfarkt seien die Ergebnisse nicht schlüssig. Denn in dem sekundären Endpunkt Herzinfarkt schneidet die Rosiglitazon-Gruppe schlechter ab als die Kontrollgruppe. Dass der Unterschied nicht statistisch signifikant war, kann nach Ansicht der Kommentatoren an der Begleitmedikation gelegen haben. Denn unter Rosiglitazon seien höhere LDL-Cholesterin-Werte verzeichnet worden, die zu einem verstärkten Einsatz von Statinen in der Rosiglitazon-Gruppe geführt hätten. Das könnte das Ergebnis verfälscht haben. Bei gleicher Begleitmedikation, also dem Verzicht auf Statine, hätte der Herzinfarktanstieg in der Rosiglitazon-Gruppe durchaus höher ausfallen können.

Ist Pioglitazon das bessere Glitazon?

Die Kommentatoren verweisen darauf, dass Pioglitazon, ein weiterer Vertreter der Glitazone, zwar ein ähnliches Nebenwirkungsprofil wie Rosiglitazon habe, aber im Hinblick auf Lipidwerte und kardiovaskuläre Risiken günstiger abschneiden würde. So sei in der Proactive-Studie mit Pioglitazon kein Einfluss von Pioglitazon auf kardiovaskuläre Erkrankungen festgestellt worden. Zudem würde sich unter Pioglitazon das Lipidprofil bessern.

Vergleichsstudie Tide soll Fragen beantworten

Ob nun Pioglitazon tatsächlich Rosiglitazon überlegen ist oder nicht, das soll eine im April 2009 begonnene Vergleichsstudie, die sogenannte Thiazolidinedione Intervention With Vitamin D Evaluation Study (Tide), zeigen. Sie wird der Frage nachgehen, welche kardiovaskulären Auswirkungen eine Langzeitbehandlung mit Pioglitazon oder Rosiglitazon als Teil einer Standardbehandlung im Vergleich zu einer Glitazon-freien Standardbehandlung bei Typ-2-Diabetikern hat, die schon eine kardiovaskuläre Erkrankung haben oder ein hohes Risiko dafür aufweisen. Die zweite Frage betrifft den Einfluss von Vitamin D auf Tod, Krebserkrankungen und Frakturrate. Mit Ergebnissen wird 2015 gerechnet.

 

Quelle

 Home PD et al.: Rosiglitazone evaluated for cardiovascular outcomes in oral agent combination therapy for type 2 diabetes (Record): a multicentral, randomised, open-label trial. Lancet 2009; Early online publication vom 5. Juni 2009.

 Retnakaran R, Zinman B: Thiazolidinediones and clinical outcome in type 2 diabetes. Lancet 2009; Early online publication vom 5. Juni 2009.

 Nissen SE, Wolski K. Effect of rosiglitazone on the risk of myocardial infarction and death from cardiovascular causes. N Engl J Med 2007; 356:2457-71.

 

du

Zum Weiterlesen

EMEA: Rosiglitazon nach Herzinfarkt kontraindiziert
Herzinfarkt: Rosiglitazon unter Verdacht

BfArM: Beendigung der Behandlung nicht notwendig
Rosiglitazon-Diskussion: "Eine definitive Antwort steht noch aus "
Stellungnahme von Prof. Dr. Markolf Hanefeld, Dresden DAZ 2007, Nr. 27 S. 43–44

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