Arzneimittel und Therapie

Herpes-zoster-Risiko unter TNF-α-Inhibitoren erhöht?

Eine Behandlung der rheumatoiden Arthritis mit den TNF-α-Antikörpern (Infliximab, Adalimumab) ist im Vergleich zu einer Behandlung mit herkömmlichen Basismedikamenten mit einem moderat erhöhten Risiko für das Auftreten einer Herpes zoster-Infektion verbunden. Für das TNF-Rezeptor-Fusionsprotein Etanercept ist ein derartig erhöhtes Risiko unklar. Dies ergab die Analyse von Daten eines deutschen Registers für Biologika.

Die Hemmung von TNF α hat sich sowohl bei rheumatoider Arthritis als auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen wie beispielsweise chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen als wirksam erwiesen, wenn herkömmliche Basismedikamente nicht ausreichend wirken. Über die Langzeitverträglichkeit und Sicherheit dieser Wirkstoffe, die nach einem neuen Wirkprinzip in das komplexe Immunsystem des Organismus eingreifen, ist jedoch noch recht wenig bekannt. Zulassungsrelevante klinische Studien wurden mit ausgewählten Patienten über relativ kurze Zeiträume durchgeführt, so dass selten auftretende unerwünschte Wirkungen nicht erfasst werden konnten. In diesen Studien war die Behandlung mit diesen als "Biologika" bezeichneten Substanzen mit einer erhöhten Infektionsanfälligkeit verbunden. Ob bei einer Behandlung mit TNF-α-Inhibitoren vermehrt Herpes zoster (Gürtelrose) auftritt, ist dagegen bisher unklar. Bei Herpes zoster handelt es sich um eine Reaktivierung einer früher stattgefundenen Infektion mit Varizella-zoster-Viren (Windpocken).

Deutsches Biologika-Register

Ob eine Behandlung mit TNF-α-Inhibitoren das Risiko für eine Reaktivierung des Varizella-zoster-Virus bei Patienten mit rheumatoider Arthritis erhöht, wurde nun anhand von Daten eines deutschen Biologika-Registers analysiert. Dieses Register namens Rabbit (Rheumatoide Arthritis – Beobachtung der Biologikatherapie) wurde 2001 zur Langzeitbeobachtung der Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Therapie mit Biologika im Vergleich zu herkömmlichen Basistherapeutika bei Patienten mit rheumatoider Arthritis etabliert und soll bis 2011 kontinuierlich geführt werden. Verantwortlich für das Rabbit-Register ist das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum in Berlin; finanziert wird das Register von den Herstellern der Biologika.

In dieses Register wurden Patienten von mehr als 150 ambulanten rheumatologischen Kliniken und Praxen, die entweder mit Infliximab, Etanercept, Adalimumab oder Anakinra oder mit einem zweiten herkömmlichen Basismedikament nach Versagen eines ersten (Kontrollen) behandelt wurden, aufgenommen. Inzwischen wurde zusätzlich eine zweite Kohorte eingeschlossen, die mit Rituximab oder Abatacept behandelt wird.

In regelmäßigen Abständen wird die Art und Dauer der Behandlung (Biologika- oder konventionelle Basistherapie), die Krankheitsaktivität, Begleiterkrankungen sowie unerwünschte Ereignisse durch den behandelnden Arzt dokumentiert. Zusätzlich bewerteten die Patienten anhand von Fragebögen ihren Gesundheits- und Funktionszustand, die Stärke ihrer Schmerzen und machten Angaben zu unerwünschten Ereignissen.

Für die vorliegende Analyse wurden bis einschließlich Oktober 2007 alle als Herpes zoster deklarierten unerwünschten Ereignisse herangezogen. Das Auftreten von Herpes zoster wurde als "unter der Therapie mit TNF-α-Inhibitor aufgetreten" angesehen, wenn zum Zeitpunkt des unerwünschten Ereignisses ein TNF-α-Inhibitor eingenommen wurde oder wenn eine derartige Therapie innerhalb der letzten vier Wochen beendet worden war.

In die Analyse wurden 3266 Patienten (mittleres Alter rund 54 Jahre), die mit Etanercept (n = 1252), Infliximab (n = 591) oder Adalimumab (n = 1423) behandelt worden waren, sowie 1774 Kontrollpatienten, die mit herkömmlichen Basismedikamenten behandelt worden waren, eingeschlossen.

Bei 82 Patienten wurden 86 Fälle von Herpes zoster registriert: 39 ereigneten sich unter der Behandlung mit Adalimumab oder Infliximab, 23 unter der Behandlung mit Etanercept und 24 unter Kontrollbedingungen. 18 Fälle von Herpes zoster wurden als schwerwiegend eingestuft, bei zwölf war eine Krankenhauseinweisung notwendig. Postherpetische Neuralgie wurde bei zwei Patienten registriert. Auffällig ist, dass in der beobachteten Population zwar relativ viele schwere Herpes zoster-Fälle auftraten, dagegen sehr wenige Fälle einer postherpetischen Neuralgie. Der Grund für das geringe Auftreten dieser gefürchteten Komplikation könnte einerseits eine Nicht-Erfassung sein oder aber die Substanzen beeinflussen die Entstehung von neuropathischen Schmerzen.

Die Inzidenzrate eines Herpes zoster (siehe Tab.) unterschied sich bei Behandlung mit Infliximab/Adalimumab signifikant von der unter Kontrollbedingungen. Zusätzlich traten unter Behandlung mit Infliximab/Adalimumab mehr schwere Fälle (multidermatomaler Herpes zoster und Zoster ophthalmicus) auf.

Nach Adjustierung bezüglich Alter, Krankheitsschwere und Glucocorticoidgebrauch ergab sich immer noch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Herpes zoster für die Behandlung mit einem TNF-α-Antikörper (adjustiertes HR = 1,82; 95%-KI: 1,05 bis 3,15), nicht für eine Behandlung mit Etanercept (adjustiertes HR = 1,36; 95%-KI: 0,73 bis 2,55). Das gefundene adjustierte Hazard Ratio von 1,82 erreichte allerdings nicht die der Studienplanung zugrunde gelegte, klinisch relevante 2,5-fache Erhöhung. Dagegen war der Gebrauch von hochdosierten Glucocorticoiden (≥ 10 mg) auch nach Adjustierung auf Alter und Krankheitsaktivität mit einem signifikant erhöhten Risiko für das Auftreten von Herpes zoster verbunden (adjustiertes HR = 2,52; 95%-KI: 1,12 bis 5,65).

Bei einer Subgruppe von Patienten (n = 1344) erhöhte sich das Risiko für das Auftreten eines Herpes zoster signifikant, wenn die Patienten von herkömmlichen Basismedikamenten auf Adalimumab oder Infliximab umgestellt wurden (adjustiertes HR = 2,91; 95%-KI: 1,35 bis 6,30), aber nicht, wenn sie auf Etanercept umgestellt wurden (adjustiertes HR = 1,09; 95%-KI: 0,39 bis 3,06).

Fazit

Die Auswertung der bis einschließlich Oktober 2007 dokumentierten Daten von 5040 Patienten, die unter "normalen" Verordnungsbedingungen erhoben wurden, ergab, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis, die mit den TNF-α-Antikörpern Infliximab oder Adalimumab behandelt werden, ein moderat erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Herpes zoster haben. Die beobachtete erhöhte Inzidenz an Herpes zoster (elf Fälle pro 1000 Patientenjahre) war deutlich niedriger als bei anderen immunsupprimierten Patienten (Aids-Patienten: 30 bis 50 Fälle pro 1000 Patientenjahre, organtransplantierte Patienten: 25 bis 40 Fälle pro 1000 Patientenjahre). Für Patienten, die mit Etanercept behandelt wurden, wurde lediglich eine nummerisch erhöhte Herpes-zoster-Rate gefunden. Möglicherweise kann die noch nicht erreichte Signifikanz bei Behandlung mit Etanercept mit einem nicht ausreichend langen Beobachtungszeitraum erklärt werden (2588 Patientenjahre unter Etanercept, 3524 Patientenjahre unter Infliximab/Adalimumab). Andererseits wäre es aber auch denkbar, dass das TNF-Rezeptor-Fusionsprotein Etanercept, das im Unterschied zu den TNF-α-Antikörpern Infliximab und Adalimumab nicht bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen therapeutisch wirksam ist, sich neben diesem Wirksamkeitsunterschied auch in seinem Sicherheitsprofil von den TNF-α-Antikörpern Infliximab und Adalimumab unterscheidet. Bis alle Sicherheitsaspekte dieser neuen Substanzen erfasst sind, wird es noch einige Zeit dauern. Die Beobachtung und Registrierung im Rabbit-Register ist bis 2011 geplant.

 

Quelle

 Strangfeld A et al. Risk of Herpes Zoster in patients with rheumatoid arthritis treated with anti-TNF-alpha agents. JAMA 2009; 301: 737-744.

 Rabbit-Homepage: www.biologika-register.de/index.php? page=home &lang=de.

 Whitley RJ und Gnann Jr JW. Herpes zoster in the age of focused immunosuppressive therapy. JAMA 2009; 301: 774-775. 

 

 

Apothekerin Dr. Birgit Schindler

 

 

Nicht-adjustierte Inzidenzraten von Herpes zoster pro 1000 Patientenjahre (95%-KI)
 EtanerceptInfliximab/
Adalimumab
TNF-α -Inhibitoren gesamtKontrollen

Herpes zoster

(alle Fälle)

8,9 (5,5 bis 13,3)

11,1 (7,9 bis 15,1)

p < 0,05 (im Vergleich zu Kontrollen)

10,1 (7,8 bis 13,0)

p < 0,05 (im Vergleich zu Kontrollen)

5,6 (3,6 bis 8,3)

Herpes zoster

(schwere Fälle)

0,8 (0,009 bis 2,8)3,7 (2,0 bis 6,3)2,5 (1,4 bis 4,0)0,9 (0,3 bis 2,4)

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