Testkäufe

Pseudo-Customer, Beratungschecks und Testkäufe

Noch vor einigen Jahren wurden jegliche Testkäufe in Apotheken als unangemessene Überwachungsmaßnahmen kritisiert und vielfach abgelehnt. Inzwischen ist das Pseudo-Customer-Konzept als zeitgemäßes Instrument des Qualitätsmanagements etabliert. Neben freiwilligen Tests sind auch unangemeldete Überprüfungen durch die Apothekerkammern mittlerweile üblich. Doch ist dies oft eine Gratwanderung zwischen konstruktiver Hilfe und lästiger Überwachung in einem ohnehin überregulierten Berufsalltag. Nahezu jede Apothekerkammer wählt dafür einen eigenen Weg. Die Vielfalt der Varianten macht deutlich, wie schwierig hier ein Kompromiss zu finden ist und wie viele Aspekte zu beachten sind.
Beratung in der Selbstmedikation Die Apothekerkammern sind im Interesse ihrer Mitglieder bestrebt, die Beratungsqualität weiter zu verbessern. Dazu haben sie eine Anzahl recht unterschiedlicher Konzepte erarbeitet, die in Zukunft sogar noch vielfältiger werden dürften.
Foto: DAZ/ekr

Tests sind "in". Verbraucherzeitschriften, Fernsehmagazine und Radiosender überprüfen alles und jedes, natürlich auch die Beratungsqualität in Apotheken. Über die inhaltlichen Kriterien solcher Überprüfungen lässt sich immer streiten, aber die Grundidee ist aus der modernen Medienwelt nicht mehr wegzudenken. Dies hat auch die Einschätzung der Apotheker gegenüber Tests aus den eigenen Reihen verändert. Noch vor einigen Jahren galt es in manchen Apothekerkammern als kaum vorstellbar, die Leistungen der eigenen Mitglieder durch verdeckte Überprüfungen zu testen.

Inzwischen prüfen aber fast alle Apothekerkammern die Beratungsqualität in den Apotheken. Dies liegt auch an der Qualitätsmanagementidee, die sich zunehmend durchsetzt. Denn die Tests sind nicht primär als Kontrollen konzipiert, sondern sie sollen helfen, Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen und auszuschöpfen.

Neue Pflicht für QMS-Apotheken

Für Apotheken mit einem Qualitätsmanagementsystem (QMS) ist es selbstverständlich, eine so zentrale Leistung wie die Beratung regelmäßig zu überprüfen, um die eigene Qualität einschätzen und optimieren zu können. Dies gehört zum Regelkreis der ständigen Qualitätsverbesserung und ist damit ein Standardinstrument in jedem QMS. Für kammerzertifizierte Apotheken wird die jährliche externe Überprüfung der Beratungsqualität künftig zur Pflicht werden, weil sie in der jüngsten Fassung der Anlage 1 zur Mustersatzung der Bundesapothekerkammer für das bundeseinheitliche Qualitätsmanagement als Anforderung an die zertifizierten Apotheken vorgeschrieben ist. Dies soll die herausragende Bedeutung der Beratung im Rahmen der Anforderungen an Apotheken verdeutlichen. Die Apothekerkammern passen derzeit ihre Satzungen an dieses neue Regelwerk an, um ihre Zertifikate künftig mit dem BAK-Siegel versehen zu können. Damit sind diese Überprüfungen auch eine Voraussetzung für die bundesweite Propagierung des apothekereigenen QMS-Konzepts.

Tests für alle, …

Doch das Thema betrifft nicht nur Apotheken mit einem QMS-Zertifikat, sondern alle – und dies sogar in zweifacher Hinsicht: Einerseits sind alle Apotheken eingeladen, freiwillig Besuche eines Pseudo-Customers bei der Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker (WuV), der wirtschaftenden Tochtergesellschaft der ABDA, zu buchen. Andererseits lassen fast alle Apothekerkammern auf eigene Kosten verdeckte Überprüfungen in irgendeiner Form durchführen. Alle Apothekenleiter und -mitarbeiter sollten daher mit solchen Tests rechnen.

… freiwillig …

Das Pseudo-Customer-Konzept ist weit mehr als eine Überprüfung der Beratungsqualität, sondern ein umfangreiches Instrument zur Qualitätsverbesserung. Denn wenige Minuten nach dem Test kommt der Testkunde in die Apotheke zurück und bietet ein Feedback-Gespräch an, bei dem die Stärken und Schwächen besprochen werden, die sich bei dem Test gezeigt haben. Der Pseudo-Customer ist immer ein in der Praxis erfahrener Apotheker. Der Apothekenleiter kann sich freiwillig für die Teilnahme an diesem Konzept entscheiden.

… oder unfreiwillig

Daneben nutzen viele Apothekerkammern das Pseudo-Customer-Angebot der WuV, um die Beratungsqualität in den Apotheken verdeckt zu prüfen. Diese "unfreiwillige" Variante des Pseudo-Customer-Konzepts wird von der ABDA Beratungscheck genannt. Daneben gibt es weitere Formen der "unfreiwilligen" Überprüfung, die von der ABDA als Testkäufe bezeichnet werden. Die Apothekerkammern, die solche Überprüfungen durchführen, verwenden teilweise abweichende Begriffe. Beim "klassischen" Testkauf gibt es kein Feedback-Gespräch als Rückmeldung, als Testkunden dienen typischerweise Laien. Außerdem existieren Mischformen zwischen den idealtypischen Konzepten. Der erstaunliche Variantenreichtum der unfreiwilligen Überprüfungen zeigt, dass die Kammern sehr bemüht sind, einen angemessenen Kompromiss zwischen Hilfestellung und Überwachung zu finden. Der Föderalismus erweist sich dabei offensichtlich als ideale Voraussetzung für die Suche nach einem geeigneten Weg.

Nachfolgend wird zunächst die Vorgehensweise bei den freiwilligen Pseudo-Customer-Besuchen dargestellt. Anschließend werden die vielfältigen Konzepte der Apothekerkammern für die "unfreiwilligen" Tests erläutert.

"Grenzen der Selbstmedikation"

Der Begriff "Grenzen der Selbstmedikation" hat sich im pharmazeutischen Sprachgebrauch verselbstständigt und wird auch in den Leitlinien der Bundesapothekerkammer benutzt. Aus ärztlicher Sicht ist eine Entscheidung über eine Medikation allerdings prinzipiell eine Sache des Arztes. Die Patienten dagegen haben letztlich das alleinige Recht, über ihren Körper zu bestimmen, und fühlen sich daher vielfach mündig, über ihre Medikation selbst zu entscheiden. Eine Grenze dafür zu definieren, ist eine individuelle Entscheidung. Die "Grenzen der Selbstmedikation" im pharmazeutischen Sprachgebrauch sind daher eher Grenzen der pharmazeutischen Kompetenz. Dabei ist zu fragen, wie weit Apotheker die Eigendiagnose eines Patienten hinterfragen, nachvollziehen und letztlich eine Selbstmedikation des Patienten mitverantworten können. Es geht also im Grunde um "Grenzen der Beratung zur Selbstmedikation".

Angesichts der praktischen Bedingungen der Arzneitherapie erkennen auch Ärzte die Notwendigkeit einer solchen Selbstmedikation an. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür stellt die interdisziplinäre Leitlinie der Gesellschaft für Dermopharmazie zur Behandlung der Tinea pedis dar, in der Ärzte und Apotheker gemeinsam Kriterien für eine Unterstützung der Selbstmedikation bei Fußpilz durch Apotheker aufgestellt haben.

Thomas Müller-Bohn

Leitlinie als Orientierung

Die Pseudo-Customer stützen sich bei ihrer Tätigkeit auf die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe der Bundesapothekerkammer. Dort werden die Szenarien für die Tests beschlossen und die Bewertungskriterien festgelegt. Die grundlegende Vorgabe für die sinnvolle Struktur eines Beratungsgespräches ergibt sich aus den Leitlinien der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung, insbesondere aus der Leitlinie zur "Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln – Selbstmedikation". Gemäß dieser Leitlinie soll zunächst die Eigendiagnose des Patienten hinterfragt werden. Dazu dienen insbesondere die Fragen:

  • Welche Beschwerden liegen vor?
  • Seit wann liegen die Beschwerden vor?
  • Wie häufig treten die Beschwerden auf?
  • Wann treten die Beschwerden auf?
  • Weitere Begleitsymptome?

Außerdem soll geklärt werden, was der Patient bereits gegen die Symptome unternommen hat. Um zu prüfen, ob die Grenzen der Selbstmedikation überschritten sind, können weitere Fragen erforderlich sein. Falls eine Selbstmedikation angebracht ist, sollen Informationen zur Anwendung des empfohlenen Arzneimittels gegeben werden. In der Leitlinie ist diese grundsätzliche Vorgehensweise sowohl für Patienten mit Präparatewunsch als auch bei der Präsentation von Symptomen vorgesehen.

Pseudo-Customer in der Praxis

Der Pseudo-Customer gibt sich in einer Apotheke als Kunde aus und äußert einen Wunsch, der einem Szenario entspricht, wie es von der Bundesapothekerkammer ausgewählt wurde. Dies kann ein Wunsch nach einem genau bezeichneten Präparat sein, oder der Tester gibt ein bestimmtes Symptom vor und fragt, ob es ein Mittel dagegen gibt. Der Tester stellt zunächst keine weiteren Fragen, weil die Leitlinien vorsehen, dass eine Beratung in der Apotheke aktiv angeboten werden soll. Nur wenn der Tester bis zum Ende des Kundengesprächs nicht gefragt wird, gibt er seinen Beratungsbedarf durch eine Nachfrage zu erkennen. Einige Minuten nach dem Test kehrt er in die Apotheke zurück und gibt sich als Tester zu erkennen. Dann bietet er ein Feedback-Gespräch mit dem Apothekenleiter und dem getesteten Mitglied des Apothekenteams an. Dieses Gespräch gilt als zentraler Bestandteil des Pseudo-Customer-Konzepts, weil es eine Hilfestellung zur Verbesserung bieten soll. Es verfolgt damit einen ähnlichen Gedanken wie Erfa-Gruppen. In beiden Fällen sollen Kollegen die eigene Leistung hinterfragen, Tipps geben und helfen, die mögliche "Betriebsblindheit" zu überwinden. Im Rahmen eines QMS gilt ein solches Vorgehen als selbstverständlich, um das Erreichen der eigenen Ziele zu dokumentieren und Anregungen für Verbesserungen zu gewinnen. Doch auch Apotheken ohne QMS können in ähnlicher Weise davon profitieren.

Auswertung des Besuchs

Der Pseudo-Customer bewertet die Leistung nach einem differenzierten Schema. Das wichtigste Kriterium ist die Struktur der Beratung, die sich möglichst an den Leitlinien der Bundesapothekerkammer orientieren sollte. Die schlechteste Bewertung lautet "keine Beratung". Dabei gelten Gespräche über formale Aspekte wie den Preis oder die Frage nach der gewünschten Darreichungsform nicht als Beratung. Bei einer "angemessenen" Beratung müssen mehrere Fragen an den Patienten gestellt und es müssen Informationen zur Anwendung des Arzneimittels gegeben werden. Zu einer "umfassenden" Beratung gehören auch Fragen nach der Einnahme anderer Arzneimittel und nach zusätzlichen Erkrankungen des Patienten. Ein weiteres Kriterium neben der Struktur der Beratung ist die Beratungsbereitschaft.

Bei Szenarien, in denen eine Interaktion zwischen Arzneimitteln erkannt werden soll, wird außerdem der Problemumgang bewertet. Dabei wird erfasst, ob der Beratende über die Interaktion informiert und welche Maßnahmen empfohlen werden. Bei einigen Szenarien wird bewusst die Grenze der Selbstmedikation überschritten, beispielsweise wenn der Tester eine lange Krankheitsgeschichte vorgibt. Dann soll der Beratende den Kunden mit dem nötigen Nachdruck zu einem Arztbesuch auffordern. Der gleichzeitige Verkauf einer großen Arzneimittelpackung würde diesen Nachdruck vermissen lassen.

Bisher haben knapp 1000 Apotheken einen oder mehrere solche Pseudo-Customer-Besuche bei der WuV gebucht, über 200 davon sind Dauernutzer. Inzwischen werden jährlich etwa 500 freiwillige Besuche durchgeführt. Ein Besuch kostet 180 Euro, zwei Besuche 325 Euro. Die Ergebnisse der freiwilligen Besuche bleiben geheim und werden nicht an die jeweiligen Apothekerkammern weitergeleitet.

Unfreiwillige Beratungschecks

Weitaus häufiger führt die WuV "unfreiwillige" Beratungschecks im Auftrag von Apothekerkammern nach dem gleichen Konzept durch. Durch diese jährlich etwa 3500 Tests wird das Pseudo-Customer-Konzept zu einem flächendeckenden Instrument der Qualitätssicherung. Nur so können die Apothekerorganisationen repräsentative Schlussfolgerungen ableiten, bei welchen Themen Fortbildungsbedarf besteht.

Derzeit nutzen die Apothekerkammern in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein, Sachsen und Sachsen-Anhalt dieses Konzept. In Niedersachsen wurden zwischen 2006 und 2008 alle Apotheken einmal besucht. In Baden-Württemberg sollen in diesem Jahr 400 Apotheken besucht werden. Die getesteten Apotheken werden jeweils in einem zufälligen Verfahren ausgelost.

Sonderfälle Sachsen und Brandenburg

Die Vorgehensweise in Sachsen weicht von den anderen Apothekerkammern insofern etwas ab, als dort jährlich etwa 150 Apotheken jeweils zweimal getestet werden. Nach Erfahrungen von Karin Berger, die bei der ABDA für das Pseudo-Customer-Projekt zuständig ist, lassen diese doppelten Überprüfungen derselben Apotheken innerhalb eines Jahres tendenziell Verbesserungen in den Ergebnissen erkennen. Dies wäre ein Beleg, dass das Konzept als Trainingsmaßnahme und nicht nur zur Erhebung des Ist-Zustandes dienen kann.

Einen weiteren Sonderfall bildet Brandenburg. Dort finden keine "unfreiwilligen" Tests statt, aber die Apothekerkammer finanziert den Apotheken im Land jährlich einen freiwilligen Pseudo-Customer-Besuch, sofern dies gewünscht ist. Statt der Beratungschecks werden dort Ringversuche als Instrumente zur Qualitätssicherung durchgeführt.

Berliner Erfahrungen

Ein Vorreiter bei den Beratungschecks und damit lange Zeit Stammkunde bei der WuV war die Apothekerkammer Berlin. Ende des Jahres 2002 vereinbarte die Kammer ein Pilotprojekt mit dem Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) der ABDA, das zu einer Keimzelle des heutigen Pseudo-Customer-Projekts wurde. Die Apothekerkammer Berlin hat das Konzept der WuV bis vor zwei Jahren angewendet. Bis dahin wurde etwa die Hälfte der Berliner Apotheken besucht. Statt der Beratungschecks lässt die Kammer nun Ringversuche zur Rezepturqualität durchführen. Dr. Stefan Wind, pharmazeutischer Geschäftsführer der Apothekerkammer Berlin, betont einen wichtigen Aspekt der Vorgehensweise in Berlin: "Die Ergebnisse bleiben anonym." Die Kammer hat nur anonymisierte Daten erhalten, sodass die Beratungschecks in Berlin keinen Überwachungscharakter haben. Aus der Sicht der Apotheken waren dies gewissermaßen gesponserte Pseudo-Customer-Besuche. Dies gilt auch für die Sächsische Landesapothekerkammer. Karin Berger erklärt den Unterschied zu den freiwillig gebuchten Besuchen: "Die Kammern sind Herr der Daten." Wenn die Kammern die Besuche in Auftrag geben und bezahlen, entscheiden sie auch, ob sie die Ergebnisse mit oder ohne Namen der Apotheken erhalten. Beide Varianten kommen vor.

Wenn die Kammer die Daten erhält, werden die Tests eher als Überwachungsmaßnahme empfunden. Manche Kritiker werfen den Testern vor, sie würden gezielt in eine Apotheke gehen, wenn diese besonders voll ist und wenig Zeit für eine ausführliche Beratung ist. Doch Karin Berger berichtet über eine ganz andere Empfehlung an die Tester. Wenn eine Apotheke voll ist, sollten sie besser noch eine Runde gehen und eine ruhigere Beratungssituation abwarten. Die Tester sollen offen für die Beratung wirken und nicht einsilbig antworten. Sie dürfen daher nicht abweisend auftreten, allerdings stellen sie gemäß ihrer Rolle bis kurz vor dem Ende des Gesprächs selbst keine Fragen.

Modell Westfalen-Lippe

Beratungschecks auf der Grundlage des Pseudo-Customer-Konzepts kann eine Kammer auch ohne die WuV mit eigenen Mitteln und eigenem Personal durchführen. Naturgemäß erfährt die Kammer dann, wie welche Apotheke bei dem Test abschneidet. Diese Variante praktiziert die Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Wie die WuV nutzt sie dabei die Szenarien, die von der Bundesapothekerkammer ausgewählt werden.

Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe war bundesweit die erste Kammer, die die Beratungsqualität systematisch überprüft hat. Seit 2002 fanden dort etwa 4500 Besuche statt, sodass fast jede Apotheke im Kammergebiet bereits zweimal getestet wurde. Die etwa 30 Tester werden dort pharmazeutische Fachprüfer genannt. Durch die Qualitätsoffensive, die die Kammerversammlung in Westfalen-Lippe im November 2008 beschlossen hat, erhalten die Beratungschecks dort einen besonderen Stellenwert als Instrument der Qualitätssicherung. Die Verantwortlichen der Apothekerkammer betonen den Fortbildungscharakter der Beratungschecks. Besonders wichtig sei dafür das partnerschaftliche Feedbackgespräch. Aus den Ergebnissen der Beratungschecks wurde in Westfalen-Lippe ein Programm für Beratungstrainer entwickelt, die das gesamte Team in der Apotheke schulen können. In einem Interview der DAZ erklärte Hans-Günter Friese, Präsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, dazu im November 2008: "Wir verstehen den pharmazeutischen Fachprüfer nicht als Kontrolleur, sondern eher als Partner des Apothekenteams innerhalb eines Verfahrens mit größtmöglicher Transparenz" (siehe DAZ 48/2008, S. 18).

Einfache Alternative: Testkäufe

Angesichts der guten Erfahrungen in so vielen Kammern wirken die Beratungschecks als überzeugendes Konzept – und doch gibt es Kritik an Details und dementsprechend auch abweichende Vorgehensweisen in anderen Bundesländern. Als Gegenargument wird angeführt, die Auswertung durch die WuV mit ihren vielfältigen Bewertungskategorien sei zu "aufgebläht". Außerdem wird in mehreren Kammern argumentiert, das Angebot der WuV sei teurer als die Durchführung der Tests mit eigenen Mitteln der Kammern. Daneben gibt es Kritik am Konzept. So setzen einige Kammern geschulte Laien als Tester ein, weil Kollegen als Testkäufer keine realistische Testsituation schaffen könnten.

Daher überprüfen einige Kammern die Beratungsqualität mit Verfahren, die in der ABDA-Diktion Testkäufe genannt werden, auch wenn in den Ländern teilweise andere Bezeichnungen üblich sind. Auch dabei gibt es wiederum einige Varianten. Recht große Ähnlichkeiten bestehen zwischen den Konzepten der Apothekerkammern in Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und des Saarlandes. Auch in diesen Ländern werden die Szenarien der Bundesapothekerkammer genutzt, aber die Testkäufer sind geschulte Laien, und die Tests werden nach eigenen Kriterien ausgewertet. Mit dem Einsatz von Laien entfällt das Feedback-Gespräch im Anschluss an die Überprüfung, weil eine kollegiale Diskussion so nicht möglich ist. Stattdessen erfahren die besuchten Apotheken meist im Abstand einiger Wochen, dass ein Test stattgefunden hat. Da dabei die Beratungssituation beschrieben wird, werden die Ergebnisse erst nach dem Abschluss einer größeren Testrunde mitgeteilt. Vermutlich können die meisten getesteten Apothekenmitarbeiter die Testsituation im Nachhinein rekonstruieren. Doch besonders in Apotheken mit viel Personal ist dies nicht sicher zu gewährleisten. Daher gilt in Bayern die Devise, die Ergebnisse "zeitnah" an die Apotheken zu übermitteln. Die Tester geben ihre Ergebnisse dort direkt nach den Apothekenbesuchen in Handheld-Computer ein.

In Bayern werden jährlich 500 zufällig ausgewählte Apotheken besucht, jeweils 250 im Frühjahr und im Herbst. In Rheinland-Pfalz wurden bisher etwa 600 Apotheken getestet. Im Saarland wurden in den Jahren 2006 bis 2008 Testkäufe durchgeführt, derzeit ruht das Projekt jedoch. In Schleswig-Holstein wurden seit 2005 in drei Runden insgesamt 360 Apotheken getestet, in diesem Frühjahr findet die vierte Runde statt. Dabei soll auch geprüft werden, ob die Beratung diskret erfolgt. Als Besonderheit arbeiten in Schleswig-Holstein speziell geschulte Pharmaziestudierende des achten Fachsemesters als Tester. Kritiker wenden dagegen ein, die meisten Apothekenkunden seien älter, sodass hier keine typische Situation getestet wird. Dagegen wird wiederum angeführt, dass eine Beratung auch bei jung und gesund wirkenden Kunden nötig ist. Auch solche Kunden können eine falsche Eigendiagnose stellen oder das Arzneimittel falsch anwenden.

Auch die Landesapothekerkammer Hessen plant, in diesem Jahr Testkäufe mit Laien durchzuführen. Dies wird voraussichtlich ein privater Anbieter übernehmen. Zuvor hatte die LAK Hessen das Verfahren der WuV genutzt.

Hamburger Erfahrungen

Für die Testkäufe spricht insbesondere die relativ einfache Durchführbarkeit, die zu relativ geringen Kosten für die Kammern führt. Allzu differenzierte Aussagen über einzelne Beratungsgespräche seien ohnehin nicht relevant, zumal jeder Besuch nur eine einmalige und zufällige Momentaufnahme ist, heißt es bei den Befürwortern. Das wichtigste Argument gegen diese Vorgehensweise ist das Fehlen der Feedback-Gespräche. Dies beschränkt den möglichen Lerneffekt und kann außerdem zu Irritationen bei den getesteten Apothekern führen. Letzteres war ein wesentlicher Grund für die Apothekerkammer Hamburg, die Vorgehensweise bei den Testkäufen zu variieren. Es sei bei vielen Kollegen nicht gut angekommen, wenn erst einige Wochen nach einem Test schriftlich die Ergebnisse mitgeteilt werden und dann keine Diskussion über die Vorgehensweise mehr möglich ist, heißt es bei der Apothekerkammer Hamburg. Die klassische Pseudo-Customer-Version kam jedoch für Hamburg nicht in Betracht, denn die Apotheker in einem dicht besiedelten Stadtstaat kommunizieren untereinander sehr gut, erklärt Kammergeschäftsführer Dr. Reinhard Hanpft. Daher wird es sehr schnell bekannt, wenn dort ein Pseudo-Customer unterwegs ist.

Daraufhin hat die Apothekerkammer Hamburg die bis vor zwei Jahren praktizierten einfachen Testkäufe aufgegeben und weitgehend das Konzept der Landesapothekerkammer Thüringen übernommen, das einen interessanten Kompromiss zwischen den idealtypischen Formen des Pseudo-Customers und des Testkaufs darstellt (s. u.). Zugleich haben die Hamburger ihr Engagement bei den Beratungstests deutlich verstärkt. Im Herbst 2008 erklärte Kammerpräsident Rainer Töbing, die Apothekerkammer Hamburg werde von nun an jährlich die Beratungsqualität in allen Apotheken des Stadtstaates prüfen.

Variante Thüringen

Bei der Variante der Landesapothekerkammer Thüringen dienen geschulte Laien als Tester. Wenn ein solcher Laie etwa 50 Apotheken mit einem Szenario getestet hat, geht anschließend ein erfahrener Apotheker in die Apotheken, um das Ergebnis mitzuteilen und ein kollegiales Feedback-Gespräch zu führen. Auch wenn das Gespräch nicht direkt nach dem Test stattfindet, ist die Erinnerung dann noch frisch genug, um einen Lerneffekt zu bewirken. Diese Vorgehensweise verhindert zugleich, dass der Tester erkannt wird und Apotheken in der Nachbarschaft "gewarnt" werden. Danny Neidel, Geschäftsführer der LAK Thüringen, ist fest überzeugt von den Vorteilen der Laien als Tester: "Die Laien haben uns gezeigt, dass viele Aussagen in der Beratung zu unspezifisch sind." So interpretiert ein Laie die Empfehlung, ein Arzneimittel "nicht zu lange" anzuwenden, möglicherweise ganz anders als ein Apotheker.

In Thüringen liegen mittlerweile große Erfahrungen mit dem Konzept vor. Dort wurden bereits etwa 4000 Tests durchgeführt, obwohl im Land nur etwa 570 Apotheken sind. Wie die anderen bisher genannten Länder nutzt auch Thüringen die Szenarien der Bundesapothekerkammer, es werden aber verstärkt Präparatewünsche geäußert und seltener Symptome präsentiert, weil im ersteren Fall mehr Verbesserungsbedarf festgestellt wurde.

Als vorrangiges Ziel betrachtet Neidel, die Struktur der Beratung zu verbessern. Seine Einschätzung ist: "Alle wollen beraten." Doch viele tun es ohne die nötige Systematik. Nach seinen Erfahrungen wird in den meisten Beratungsgesprächen gut über die Arzneimittel informiert, doch davor sollte die Eigendiagnose hinterfragt werden. Daher vermeidet die LAK Thüringen "Knock-out"-Szenarien bei ihren Überprüfungen. Die Beratungsqualität soll nicht daran gemessen werden, ob eine ganz bestimmte inhaltliche Aufgabe gelöst, beispielsweise ob eine Interaktion gefunden wurde. Dies ist häufig die Aufgabenstellung bei Tests von Verbrauchermagazinen, die ein möglichst klares Ergebniskriterium haben sollen. Bei der Auswertung solcher Tests wird dann meist intensiv über die inhaltliche Relevanz des jeweiligen Szenarios diskutiert, aber kaum noch über die Struktur der Beratung. Neidel erklärt dagegen: "Wir wollen helfen, nicht kontrollieren." Die besondere Betonung der Beratungsstruktur in Thüringen hängt wohl auch mit dem dortigen QMS-Konzept "ZetA" zusammen, denn auch das Qualitätsmanagement ist letztlich ein Instrument zur Optimierung von Strukturen.

Variante Bremen

Allerdings lässt sich einwenden, dass gerade die Identifikation von Interaktionen mit der Selbstmedikation ein wesentliches berufspolitisches Argument für den Stellenwert der Beratung in der Apotheke ist. Darum überprüft die Apothekerkammer Bremen schon seit etwa fünf Jahren besonders, ob solche Interaktionen in den Apotheken erkannt werden. Damit kommen in Bremen "eigene" Beratungsszenarien zum Einsatz und erfolgt auch die Auswertung mit einem kammereigenen Erhebungsbogen. Der formale Ablauf der Besuche in den Apotheken orientiert sich an den Beratungschecks, wie sie auch in vielen anderen Bundesländern stattfinden. Denn die Testkäufer sind ausgebildete Pseudo-Customer, die direkt nach dem Testbesuch ein Feedback geben. Darüber hinaus finden in Bremen verdeckte Testkäufe von Rezepturen statt, die beim ZL ausgewertet werden.

Variante Mecklenburg-Vorpommern

Einen weiteren Sonderfall bildete bis 2007 das Vorgehen der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern. Sie hatte das Institut für Pharmakologie der Universität Greifswald beauftragt, die Tests in Eigenregie mit Studenten des achten Fachsemesters als Testkäufern vorzunehmen. Es war eine Besonderheit des Konzepts, dass zwei Studenten jeweils im Abstand von etwa zehn Minuten dieselbe Apotheke besuchten. Aus diesen Tests folgert Dr. Falk Wilhelm, Geschäftsführer der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern: "Das Ergebnis ist personenabhängig." Denn wenn die Studenten dieselbe Person im Handverkauf antrafen, seien die Tests meist ähnlich verlaufen, bei verschiedenen Beratern hätte es aber in derselben Apotheke teilweise deutliche Unterschiede in der Beratungsqualität gegeben.

Auf die Tests folgte kein Feedback-Gespräch, sondern die getesteten Apotheken erhielten eine schriftliche Nachricht von der Universität Greifswald über den Verlauf des Tests, wobei auch das Testszenario beschrieben wurde. Die Apothekerkammer erhielt dabei nur anonymisierte Ergebnisse. Daher hat sie zwischenzeitlich Testkäufe mit Laien von einem externen Dienstleister durchführen lassen. Dabei wurden neben pharmazeutischen Inhalten auch die kommunikativen Aspekte des Beratungsgesprächs bewertet. Auch für 2009 hat die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern bereits Geld für Testkäufe in ihrem Haushalt eingeplant, doch steht die Vorgehensweise noch nicht fest. Möglicherweise wird dort künftig eine kleinere Zahl von Apotheken in einer begrenzten Region mehrmals innerhalb eines Jahres besucht, um eine Entwicklung beobachten zu können.

Testergebnisse in Schleswig-Holstein

Stellvertretend für die vielen Varianten der Überprüfungen sollen hier Ergebnisse der Apothekerkammer Schleswig-Holstein dargestellt werden. Bei den ersten Tests in 70 Apotheken im Frühjahr 2005 berieten dort die weitaus meisten Apotheken unaufgefordert, wenn Kopfschmerzen als Symptom vorgeführt wurden. Wenn die Tester ein bestimmtes Präparat wünschten, wurde dagegen in den meisten Apotheken nur auf Nachfrage beraten. Bei beiden Szenarien gab es damals aber einige Apotheken, in denen die Tester auch auf Nachfrage keine Informationen erhielten, die als Beratung gewertet werden konnten. Ein Jahr später zeigten sich bei Tests in 120 Apotheken tendenzielle Verbesserungen. Dieser Trend setzte sich im Jahr 2008 fort. Aus Sicht der Apothekerkammer verliefen besonders die Beratungsgespräche über Fußpilz erfreulich. In 78 von 85 Apotheken sei unaufgefordert beraten worden, in allen Apotheken seien Hinweise zur Anwendung des empfohlenen Arzneimittels gegeben worden, 60 Berater hätten auch nicht-medikamentöse Maßnahmen angesprochen. Auch die Beratungen nach der Angabe eines Präparatewunsches hätten sich inhaltlich verbessert, allerdings seien bei diesem Szenario nur 26 von 85 Testern unaufgefordert beraten worden.

Klare Trends

Damit zeigen sich zwei deutliche Trends in den Ergebnissen:

  • Erstens sind die Ergebnisse in den zurückliegenden Jahren besser geworden. Dies wird durch Erfahrungen der ABDA und der Kammern bestätigt.
  • Zweitens wird bei Symptompräsentationen deutlich besser beraten als bei Patienten, die einen genau bezeichneten Präparatewunsch äußern. Die letztgenannte Erfahrung kann als bundesweit übereinstimmendes Fazit aus allen Testvarianten abgeleitet werden.

Als Ursache für die schlechteren Ergebnisse bei Tests mit Präparatewunsch wird immer wieder genannt, dass Kunden, die einen Arzneimittelwunsch klar äußern, kaum als beratungsbedürftig angesehen werden. Andererseits fällt es vielen Kunden leichter, im Verlauf eines Gespräches Fragen zu äußern, als selbst das Gespräch mit einer Frage zu eröffnen. Daher ist das pharmazeutische Personal gefordert, durch eine eigene erste Frage zu prüfen, ob der Kunde beraten werden will oder nicht.

Mögliche Sanktionen

Je mehr Daten über die Beratungsqualität von den Kammern erhoben werden, um so mehr stellt sich die Frage nach möglichen Sanktionen für unzureichende Beratungen. Bisher beschränken sich die negativen Folgen für solche Apotheken zumeist auf ein Schreiben der Kammer oder ein Feedback-Gespräch. Über weitergehende Sanktionen wird in einigen Apothekerkammern immer wieder beraten. Dafür wären eindeutige Bewertungskriterien erforderlich. Innerhalb der Apothekerorganisationen ist aber als Mindestanforderung unbestritten, dass unbedingt eine Beratung stattfinden muss, wenn der Testkunde Fragen äußert oder um eine Beratung bittet. Die Vorschläge für mögliche Sanktionen reichen von Zwangsfortbildungen bis zu berufsrechtlichen Verfahren. Solche Maßnahmen werden aber vorrangig als Konsequenzen für wiederholt mangelhafte Beratungsleistungen angedacht und setzen daher wiederholte Tests der Apotheken voraus. Dazu liegen bisher nur in wenigen Ländern Daten vor.

Doch dies kann sich schnell ändern, wenn – wie in Hamburg – künftig alle Apotheken eines Landes jährlich getestet werden sollen. Dann werden demnächst wohl auch verschiedene Sanktionssysteme zu unterscheiden sein. Das Thema wird damit einen neuen Aspekt mit vielen möglichen Varianten erhalten – und auch die Gestaltungsvielfalt bei der Durchführung der Tests scheint mit wachsenden Erfahrungen der Kammern eher zuzunehmen.

 

Danksagung: 

Der Autor bedankt sich bei den Geschäftsführern oder sonst für die Beratungschecks oder Testkäufe Verantwortlichen der Apothekerkammern und bei Karin Berger, ABDA, für die freundliche Unterstützung und die konstruktiven Gespräche bei der Recherche zu diesem Beitrag.

 

Autor: 

Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel 

mueller-bohn@t-online.de

 

 

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