Arzneimittel und Therapie

Hauttoxizitäten unter neuen onkologischen Wirkstoffen

Neue Substanzen in der Onkologie zeigen Nebenwirkungen, die unter einer klassischen Zytostatikatherapie nicht oder nur in geringem Ausmaß auftreten. Dies trifft vor allem auf Inhibitoren der Tyrosinkinase und auf EGFR-Blocker zu, deren Einsatz meist mit kutanen Veränderungen einhergeht. Eine sorgfältige Aufklärung des Patienten, eine adäquate Hautpflege sowie lokale und systemische Therapien können die kutanen Reaktionen lindern.

Die häufigsten dermatologischen Begleiterscheinungen einer Chemo- oder Radiotherapie sind Alopezie, Nagelveränderungen, Hyperpigmentierungen, das Hand-Fuß-Syndrom, akneähnliche Hautausschläge, allergische Hautreaktionen, Photosensibilisierung und der Radiation Recall (Sensibilisierung der Haut gegenüber einer Strahlentherapie durch bestimmte Zytostatika). Die Hauttoxizität ist teilweise eine Folge der antiproliferativen Wirkung einer Strahlen- oder Chemotherapie – sich schnell teilende Zellen und somit Haare und Haut sind besonders betroffen – sie hängt aber auch mit dem jeweiligen Wirkmechanismus der eingesetzten Substanzen zusammen. So treten dermatologische Begleiterscheinungen, die sich von der Hauttoxizität klassischer Zytostatika unterscheiden, insbesondere bei zielgerichteten Wirkstoffen auf.

Blockade des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors

Eine Blockade des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR) – entweder extrazellulär durch EGFR-Blocker oder intrazellulär durch Tyrosinkinase-Hemmer - führt oftmals zu akneähnlichen Hautreaktionen. Dies hat folgenden Hintergrund: Der epidermale Wachstumsfaktor wird an der Haut in den Basalzellen der Epidermis und in den Epidermozyten der äußeren Haarwurzelscheide exprimiert und dort für biologische Prozesse benötigt. Eine Blockade des Rezeptors bringt das physiologische Gleichgewicht aus dem Lot und führt zu unerwünschten Reaktionen der Haut. Die Hautveränderungen betreffen vor allem Stellen, die reich an Talgdrüsen sind wie das Gesicht, den Nacken, die Schultern, Brust und Kopf. Im Gegensatz zur juvenilen Akne treten weder Komedonen noch Infektionen mit Propionibakterien auf; es handelt sich um eine "sterile Akne". Vermutlich besteht eine Korrelation zwischen der Schwere der Hautreaktionen und der Wahrscheinlichkeit des Tumoransprechens. Die auftretenden Nebenwirkungen können spezifisch oder unspezifisch sein. Zu den letzteren werden Hautmanifestationen gezählt, die auf einen murinen oder humanen Anteil des Antikörpers zurückzuführen sind. Darunter fallen etwa Urtikaria, vaskulitische Hautveränderungen oder granulomatöse Hautläsionen. Die typischen und spezifischen Nebenwirkungen eines EGFR-Inhibitors sind akneähnliche Hautreaktionen. Unter der Therapie weiterer Kinase-Inhibitoren wie Imatinib, Sorafinib oder Sunitinib können ebenfalls kutane Hauttoxizitäten auftreten, die aber EGF-Rezeptor unabhängig sind.

Auftreten von Haut- und Nagelveränderungen in Verbindung mit Kinase-Inhibitoren
 

Sorafenib

(Nexavar®)

Sunitinib

(Sutent®)

Imatinib

Glivec®)

Cetuximab (Erbitux®)

Erlotinib (Tarceva®)

Gefitininib (Iressa®)

Pigmentveränderungen der Haare+
Alopezie+/–+/–
Haarwachstum im Gesicht+
Nagelfalzentzündungen+
Ödeme+/–+
Erytheme im Gesicht++/–
Hämorrhagien++
Follikulitis+

– bisher nicht beobachtet; + typisch; +/– tritt gelegentlich auf

Akneähnliche Hautveränderungen

Hautveränderungen unter einer Therapie mit EGFR-Inhibitoren laufen in mehreren Phasen ab. Bereits ein bis zwei Wochen nach Therapiebeginn treten erythematöse, papulöse und pustulöse Hauteruptionen im Gesicht sowie an Brust und Rücken auf. Zwei bis drei Wochen später gehen diese in flächige Schuppenkrusten über, die nach weiteren ein bis zwei Wochen spontan abheilen. Die darunter liegende Haut ist dünn, trocken und empfindlich. Die Betroffenen klagen in der Regel über Juckreiz und schuppende Haut. Handteller und Fußsohlen sind trocken und es können schmerzhafte Fissuren und Rhagaden auftreten. Etwa sechs Wochen nach Therapiebeginn kann es zu Haarausfall an der Kopfhaut und störendem Haarwuchs im Gesichtsbereich kommen. Ferner können nach längerer Therapie (nach etwa acht Wochen) Nagelbettentzündungen hinzukommen.

Die akneähnlichen Hautveränderungen werden unter allen EGFR-interaktiven Substanzen beobachtet. Unter Cetuximab (Erbitux®) liegt die Inzidenz bei über 80%, unter Panitumumab (Vectibix®) zwischen 70 und 100%, unter Gefitinib (Iressa®) zwischen 53 und 65% und unter Erlotinib (Tarceva®) bei 67 bis 79%. Nach Beendigung der Anti-EGFR-Therapie klingen die Hauterscheinungen auch unbehandelt innerhalb von drei bis sechs Wochen vollständig ab.

Phasengerechte Hautpflege

  • akute Phase

– Reinigungsgele

– keine rückfettende Hautpflege

  • Phase 2

– Reinigung mit milder Cremeseife

– Pflege mit Lotionen

  • Phase 3

– Dexpanthenolhaltige Creme für das Gesicht

– Harnstoffhaltige Lipidlotion für Brust und Rücken

– Dexpanthenolhaltige Lotion für die Kopfhaut

  • Prophylaxe

– direkte Sonneneinstrahlung meiden

– Sonnenschutz verwenden

– Meiden von Hitze und Feuchtigkeit

– keine einengende Kleidung tragen

– Handtücher nach einmaliger Verwendung bei 60° waschen

– keine starken Waschmittel oder Parfüms verwenden

Therapie

Die Therapie sollte auf die jeweilige Phase der Hauterkrankung abgestimmt sein. In der akuten Phase stehen externe und interne antibakterielle/antiinflammatorische Therapien im Vordergrund. So etwa Metronidazol als 2%ige Creme, die dreimal täglich aufgetragen wird. Zur systemischen Therapie werden zweimal täglich 50 mg Minocyclin während drei Wochen gegeben. Alternativ wird Doxycyclin in üblicher Dosierung eingesetzt. Ferner können weitere antiseptische und antibiotische Salben, gegebenenfalls auch sehr schwache Corticoide indiziert sein. Austrocknende und schälende Präparate wie etwa Benzoylperoxid, die in der Therapie der juvenilen Akne eingesetzt werden, sind kontraindiziert. Ebenso wenig darf Azelainsäure als Gel oder Lotio gegeben werden, da es sonst zu einer Exazerbation der Hauteruptionen kommen kann.

In der chronischen Phase steht die Hautpflege mit harnstoff- und /oder polidocanolhaltigen Externa im Vordergrund, Cortisonsalben sind selten indiziert. Kutane bakterielle Superinfektionen können in der Regel mit antiseptischen oder antibiotischen Salben kontrolliert werden, die auch neben antiseptischen Bädern bei chronisch entzündlichen Nagelbettveränderungen eingesetzt werden. Tritt eine Hypertrichose auf, können störende Haare epiliert werden. Hyperkeratinosen, Fissuren und Rhagaden an Fingerkuppen und Zehen werden mit einem Argentum-nitricum-Stift touchiert und mit einer 2 bis 5%igen Salicylsäuresalbe behandelt.

Quelle
Reimer G., et al.: Nebenwirkungen der EGFR-Blockade. Hautschutz gehört mit zur Therapie. MMW-Fortschr. Med 49-50, 37-40 (2008).

Deutsche ASO-Leitlinie (ASO = Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie) 2007 unter www.onkosupport.de.

Südwestdeutsches Tumorzentrum Tübingen: Supportive Therapie bei Tumorerkrankungen. 2008; unter www.medizin.uni-tuebingen.de.

Dirschka, T. (Institut für Experimentelle Dermatologie der Universität Witten-Herdecke): Patientenratgeber "Erbitux® -Therapie".

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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