Bereits riesige Ausmaße: gefälschte Arzneimittel aus dem Internet

Themenabend auf arte: Die Sendung "Wirkstoff Profit" zeigt die fatale Entwicklung

FRANKFURT (diz). Wer Arzneimittel, die er von dubiosen ausländischen Internet-Apotheken bezogen hat, einnimmt, verliert im harmlosen Fall sein Geld für eine Ware ohne Wirkung. Im schlimmsten Fall allerdings spielt er mit dem Tod. Der Themenabend am 3. November auf arte zeigte in seiner zweistündigen Sendung eindringlich, welches Ausmaß der Internethandel mit gefälschten Arzneimitteln heute bereits angenommen hat. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, machte in einer Diskussionsrunde deutlich, dass er nicht für alle Apotheken in Deutschland garantiere könne – schwarze Schafe gebe es überall.

Fälschungen So wird heute nicht mehr gefälscht. Die Methoden sind raffinierter, der Vertrieb dreister geworden. Ein Themenabend auf arte zeigte, welche Gefahren lauern, wenn arglose Bürger Arzneimittel von dubiosen ausländischen Internetapotheken beziehen.
Foto: ABDA

Der Beitrag unter dem Titel "Wirkstoff Profit" zeigte, dass alle Medikamente gefälscht werden, die versprechen, ihren Herstellern Geld einzubringen. Für Fälscher und Händler geht es um Milliardengeschäfte mit gewaltigen Gewinnspannen. Das zieht das organisierte Verbrechen an. Dabei nehmen weder Fälscher noch die Vertreiber der illegal hergestellten Produkte Rücksicht auf die Folgen für den Verbraucher. Da Laien Original und Fälschung nicht unterscheiden können, kann die Anwendung eines gefälschten Präparates für den Patienten fatale Folgen haben, die sogar seinen Tod bedeuten können.

Die arte-Beiträge, aufwendig recherchiert, verfolgten die Wege von gefälschten Arzneimitteln, die der Zoll beschlagnahmt hatte. Die Spuren führten bis nach Indien und China, Länder, in denen Hochburgen der Arzneimittelfälscher sitzen. Die Kopien und Fälschungen sind zum Teil sehr liederlich ausgeführt, zum Teil aber auch äußerlich so perfekt bis hin zum Blister und zur Verpackung, dass Original und Fälschung nur mittels genauer Analysemethoden zu unterscheiden sind.

Das Know-how für die Arzneimittelproduktion und damit auch für die Möglichkeit, gefälschte Ware ohne Wirkstoffe oder mit falschen Wirkstoffen zu produzieren, stamme zum Großteil von der etablierten Pharmaindustrie, wie der Beitrag deutlich machte. Seit einigen Jahren werden in Indien und China aus Kostengründen viele Arzneimittel im Auftrag der westlichen Pharmaindustrie hergestellt. Kriminelle Banden in diesen Ländern nutzen solche Kenntnisse, stellen gefälschte Arzneimittel her und vermarkten sie über dubiose Internetapotheken, deren Internetseiten auf irgendwelchen Servern in unterschiedlichen Ländern liegen. Dass hier zum Teil skrupellos vorgegangen wird, machten viele Beispiele in der arte-Reportage deutlich. So fand sich in Schlankheitspillen aus China auch Dinitrophenol. Ein junges Mädchen, das sich diese Pillen aus dem Internet bestellt hatte, um abzunehmen, bezahlte die Einnahme mit seinem Leben.

Inzwischen arbeiten viele Staaten in Europa unter Hochdruck daran, dieser neuen Form der Kriminalität beizukommen. So kam es in einem besonders spektakulären Fall zu Durchsuchungen von 100 Apotheken in Deutschland: Die Apotheker stehen in Verdacht, gefälschte Krebsmedikamente an Ärzte verkauft zu haben. Der kriminelle Medikamentenhandel hat weltweit inzwischen eine so bedrohliche Dimension erreicht, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO Interpol um Unterstützung gebeten hat. In den Ländern der Dritten Welt forderte der skrupellose Handel mit gefälschten Medikamenten bereits Tausende Menschenleben. Nun schlagen die ermittelnden Behörden in Europa und den USA Alarm. Die Beiträge ließen wissen, dass es heute für Kriminelle risikoloser ist, Arzneimittel zu fälschen und in den illegalen Handel zu schleusen, als beispielsweise mit Waffen oder Drogen zu handeln. Falls doch einmal Fälscher gefasst werden, müssen sie mit relativ milden Strafen von drei Jahren rechnen.

Keine absolute Garantie

In einer abschließenden Diskussionsrunde, an der Hendrik Jan de Jong, Präsident der Europäischen Arzneibuchkommission, Philippe Bernagou, Generaldirektor der Pierre Fabre Stiftung, und Dr. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, teilnahmen, wurde deutlich, dass zwar schon viel getan wird, um den Fälschern das Handwerk zu legen. Aber letztlich sind Fälschungen nur schwer zu verhindern, wenn die kriminelle Energie Einzelner und die Profite, die zu erzielen sind, groß sind. Selbst Hanke konnte nicht ausschließen, dass es auch unter den Apothekern schwarze Schafe gibt, die mit gefälschten Arzneimitteln handeln. Er könne nicht hinter jedem Kollegen stehen, "es gibt keine absolute Garantie, gegen kriminelle Energie ist in keinem Berufsstand etwas zu machen", so Hanke.

Die Runde stellte heraus, dass der Bürger am besten die Apotheke seines Vertrauens aufsucht, dass der Apotheker noch mehr seine Aufklärungs- und Beratungsfunktion wahrnimmt.


Die Filme können im Internet abgerufen werden unter

http://plus7.arte.tv/de/1697660,CmC=2914980.html

http://plus7.arte.tv/de/1697660, CmC=2914982.html


Im Fernsehen wird der Themenabend "Gefälschte Medikamente" wiederholt ausgestrahlt am 21. November 2009 um 9.50 Uhr auf rbb.

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