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Medien: "Rückschlag" und "schwere Schlappe"

(diz). Als "völlig überraschende Meldung", als "Rückschlag für die neuen Apotheken" und als "schwere Schlappe für Schlecker, dm und alle anderen Unternehmen, die gerne Arzneimittel verkaufen würden", sehen die einschlägigen Wirtschaftsblätter das Plädoyer des Generalanwalts zum Fremdbesitzverbot. Nachdem wohl die meisten dieser Blätter davon ausgegangen waren (und auch nicht nur zwischen den Zeilen dafür plädierten), dass das Fremdbesitzverbot fällt und bald Konzerne Apotheken betreiben dürfen, müssen sie sich jetzt wohl in Zukunft weiter mit der "Tante-Emma-Apotheke" (wie sie mitunter das heutige System abfällig bezeichneten) zufrieden geben.

Die Wirtschaftspresse scheint zu trauern, dass die Einschätzung des Generalanwalts anders ausgefallen ist, als man es monatelang im Vorfeld, unterfüttert von Celesio-Sprüchen, getrimmten Umfrageergebnissen von Meinungsforschern usw., der Welt glauben machen wollte. Eine Nachricht, die sich mit den Apothekern freut, weil jetzt möglicherweise der Erhalt unseres heutigen Systems näher gerückt ist, sucht man vergeblich. Für das Handelsblatt kam der Ausgang des Plädoyers "völlig überraschend". Den Experten sei es vor dem Plädoyer nur um die Frage gegangen, wie lange die Übergangsfrist gehen würde vom Fremdbesitzverbot zur Liberalisierung. Statt sich für die deutschen Apotheken zu freuen, spricht das Blatt von einer "herben Schlappe" für Schlecker und Celesio. "Die erhoffte Zeitenwende auf dem deutschen Apothekenmarkt wird vermutlich ausbleiben", gibt sich das Handelsblatt betrübt. "EU-Anwalt springt deutschen Apothekern bei" titelte die Online-Ausgabe des Handelsblatts kurz nach der Verkündung des Schlussantrags.

Der Frankfurter Allgemeine Zeitung tun die von ihr so hochgelobten "neuen Apotheken" (sprich dm und Schlecker) leid. FAZnet spricht von "Rückschlag für die neuen Apotheken". "Die Stellungnahme des Generalanwalts bedeutet einen Rückschlag für die großen Unternehmen, die gerne in den Markt einsteigen, Apotheken kaufen und Ketten gründen wollen", so FAZnet.

Auch die Wirtschaftswoche räumt in ihrer Online-Nachricht ein, dass die meisten Experten damit gerechnet haben, dass Generalanwalt Yves Bot für einen Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes plädieren würde. Die Pharmagroßhändler Celesio und Phoenix, Drogerieketten wie dm und Schlecker, Versandhändler wie Quelle, Amazon und Otto, Lebensmittelhändler wie Tengelmann und selbst die Parfümeriekette Douglas hätten alle "auf einen Teil der Milliardenerlöse geschielt", so die Wirtschaftswoche online, "den die Apotheker bisher alleine unter sich aufteilten". Laut Branchenschätzung dürften bereits fünf bis zehn Prozent der Apotheken vorverkauft sein, so das Wirtschaftsmagazin weiter.

Infas-Umfrage


BERLIN (daz/abda). Neun von zehn Patienten unterstützen die Einschätzung des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Yves Bot: Die Qualität der Arzneimittelabgabe steht demnach in engem Zusammenhang mit der Unabhängigkeit des Apothekers. Wie die ABDA in einer Pressemitteilung verbreitete, wolle die Mehrheit der Verbraucher die Beratung durch einen unabhängigen Apotheker. Dies habe eine repräsentative Telefonumfrage des Meinungsforschungsunternehmen infas bei 3370 Erwachsenen ergeben.

89 Prozent der Befragten brauchen für ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Apotheker eine unabhängige Beratung, 91 Prozent das Wissen, dass der Apotheker von einem unpassenden Medikament abraten kann. "Die Verbraucher wissen: Wer wirtschaftlich abhängig ist, muss den Umsatz steigern – notfalls auf Kosten der Gesundheit. Das Abraten von einem unpassenden Präparat können sich Apotheker nur erlauben, wenn die heilberufliche Komponente die betriebswirtschaftliche überwiegt – und das ist nur bei einer inhabergeführten Apotheke möglich", so ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf.

Cool gibt sich Celesio-Chef Fritz Oesterle, der noch vor wenigen Wochen tönte: "Wir wollen die Kette." Ohne auf die Argumente des Generalanwalts einzugehen und als wäre alles Schnee von gestern, heißt es jetzt in seiner Pressemitteilung nur noch lapidar: "Mit dem Schlussantrag sind wir der endgültigen Entscheidung des EuGH ein Stück näher gekommen. Für uns wird mit dem Urteil des EuGH endgültig Klarheit über die weitere Entwicklung des deutschen Apothekenmarktes herrschen." Diese Klarheit brauche Celesio, um Planungssicherheit für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens zu erhalten. Also, Celesio ging es in Wirklichkeit nur um Klarheit, nicht um Ketten.

Celesio-Aktie im Sinkflug


Die Celesio-Aktie stürzte nach Bekanntwerden des Schlussantrags des Generalanwalts von 21,5 auf unter 18,5 Euro ab und büßte somit mehr als 13 Prozent ein.

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