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EU will für mehr Arzneimittelsicherheit sorgen
Nachdem Arzneimittelfälschungen auch in Europa zunehmend ein Problem geworden sind, sah sich die Kommission veranlasst, tätig zu werden. Nun liegen die Vorschläge auf dem Tisch. Die Kommission plädiert dafür, dass auf den Packungen rezeptpflichtiger Arzneimittel künftig eine fälschungssichere Codierung aufgebracht werden muss. Sie soll es Großhändlern und Apothekern ermöglichen, mit einem Scanner die Echtheit der individuellen Arzneimittelpackung festzustellen. Dazu sollen in einer Datenbank zur Prüfung der Echtheit die Packungen aller in Europa zugelassenen (Rx-) Arzneimittel hinterlegt werden. Obwohl von der Kommission nicht ausdrücklich benannt, verbirgt sich hinter den vorgeschlagenen Sicherheitsmerkmalen insbesondere der 2D-Barcode, der schon seit Längerem auf europäischer Ebene diskutiert wird. Eine Übergangsbestimmung im Richtlinienvorschlag sieht vor, dass die Sicherheitsmerkmale spätestens 48 Monate nach Veröffentlichung der Änderungsrichtlinie – voraussichtlich also 2014 oder 2015 – national umgesetzt sein müssen. Rezeptfreie Arzneimittel sind nach dem Kommissionsvorschlag davon ausgenommen, diese Sicherheitsmerkmale zu tragen. Unter Berücksichtigung des Fälschungsrisikos und mit Blick auf ihren Preis können weitere bestimmte Arzneimittelgruppen ausgenommen werden. Im ergänzenden Memorandum nennt die Kommission hierzu ausdrücklich Generika. 2009 soll in einem Pilotprojekt in Deutschland getestet werden, ob die Vorschläge machbar sind.
Parallelhändler können aufatmen
Überdies will die Kommission pharmazeutische Großhändler verpflichtenden Betriebsprüfungen unterziehen; für amtliche Inspektionen sollen einheitliche Vorschriften geschaffen werden. Vertrauenswürdige Großhändler sollen in einer europäischen Datenbank erfasst werden. Auch für die Einfuhr von Wirkstoffen aus Drittländern, die keine der EU entsprechenden Sicherheitsstandards aufweisen, sollen strengere Anforderungen gelten. Entgegen ursprünglichen Überlegungen enthält der Kommissionsvorschlag jedoch kein absolutes Umpack- und Umkennzeichnungsverbot für Arzneimittel in der Lieferkette. In der Folgenabschätzung zum entsprechenden Richtlinienvorschlag heißt es, es habe sich gezeigt, dass eine solche Regelung hauptsächlich den Parallelhandel treffen würde. Die zu erwartenden Umsatzeinbußen und Arbeitsplatzverluste bei diesen Unternehmen sowie der Wegfall des Preiswettbewerbs zwischen Original- und Parallelhändler mit seinen negativen Folgen auf die Gesundheitssysteme könnten die Vorteile eines solchen umfassenden Verbots nicht aufwiegen.
Pharmakovigilanz stärken
Um die Arzneimittelsicherheit geht es auch bei der Beobachtung, Sammlung, Auswertung und Abwehr von Arzneimittelrisiken, also der Pharmakovigilanz. Hierzu schlägt die Kommission eine Reihe eher technischer Regelungen vor, die die Arzneimittelsicherheit erhöhen sollen. Die Verfahren auf EU-Ebene sollen gestrafft, die Transparenz erhöht werden. In allen Pharmakovigilanz-Sachverhalten soll obligatorisch ein bei der europäischen Zulassungsagentur EMEA neu zu schaffendes "Pharmacovigilance Risk Assessment Advisory Committee" (PRAAC) eingeschaltet werden, auch bei rein national zugelassenen Arzneimitteln. Die bei den betroffenen Herstellern wenig geliebten "Periodic Safety Update Reports" (PSURs) sollen dem Vorschlag zufolge für Generika, Dubletten, "well-established use"-Produkte, registrierte Homöopathika und traditionelle pflanzliche Arzneimittel grundsätzlich abgeschafft werden. Ferner ist vorgesehen, dass die Fach- und Gebrauchsinformation aller Arzneimittel künftig die für eine sichere und effektive Anwendung der Arzneimittel wesentlichen Informationen (key safety information) in einem schwarz umrandeten Kasten enthalten müssen.
Werbefreie Herstellerinformationen
Nicht zuletzt umfasst das Pharmapaket einen Richtlinienvorschlag über nichtwerbliche Arzneimittelinformationen. Ziel ist, eine "hochwertige, objektive und zuverlässige Information über Arzneimittel" sicherzustellen. Danach sollen bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln künftig die Fach- und Gebrauchsinformationen, Preisangaben, Angaben zu Packungsänderungen oder Nebenwirkungswarnungen sowie medizinische, produktbezogene Informationen über nicht-interventionelle Studien in gesundheitsbezogenen Print-Medien sowie auf Internetwebseiten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden dürfen. Diese Informationen müssen objektiv, evidenzbasiert, aktuell, verlässlich, tatsächlich korrekt und nicht irreführend sein. Die Mitgliedstaaten müssen dafür Sorge tragen, dass diese Informationen effektiv kontrolliert werden.
Zuspruch und Kritik aus der Industrie
Aus Sicht des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) weist das Pharmapaket "insgesamt in die richtige Richtung, wenn auch in einzelnen Punkten etwas mehr Mut der Kommission wünschenswert gewesen wäre". So bedürften etwa die Anforderungen an den Parallelhändler bei der Umpackung von Arzneimitteln noch einer weiteren Schärfung und Präzisierung. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßte in einer ersten Stellungnahme, "dass die rechtlichen Bestimmungen an das wachsende Informationsbedürfnis der Patienten angepasst werden". Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des BPI, Barbara Sickmüller, betonte, dass das bisherige Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel dabei in keiner Weise zur Debatte stehe. Auch der risikobasierte Ansatz bei der Anbringung von Sicherheitsmerkmalen auf Arzneimittelpackungen, d. h. dass etwa bei Generika auf diese verzichtet werden kann, wurde beim BPI positiv aufgenommen. Pro Generika unterstützt zwar den Vorschlag der EU-Kommission, die Anforderungen für Patienteninformationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel gemeinschaftsweit zu harmonisieren – die Idee, dass Hersteller die Öffentlichkeit mit "Mehrinformationen" über verschreibungspflichtige Arzneimittel versorgen, sei jedoch ein Irrweg. Die vorgesehene Genehmigungspflicht für diese Informationen hätte nämlich zwangsläufig neuen Bürokratismus zur Folge, so der Verband. Eine weitere Schwachstelle des Pharmapakets sei, dass es den Internethandel mit gefälschten Arzneimitteln nicht einmal mit einem Wort erwähne. Gerade aus obskuren Internetapotheken stammten aber die meisten gefälschten Arzneimittel, die in die EU gelangen. "Arzneimittelfälschungen können nicht allein durch technische Mittel verhindert werden. Wer Arzneimittelfälschungen wirksam bekämpfen will, muss vor allem den illegalen und unzertifizierten europa- und weltweit agierenden Internetapotheken das Handwerk legen", heißt es bei Pro Generika.
Das EU-Pharmapaket wird nun dem Europäischen Parlament und dem EU-Ministerrat zur Beratung übermittelt. Hier wird es voraussichtlich frühestens Ende 2010 verabschiedet werden. Mit der üblichen Übergangsfrist wird die nationale Umsetzung in den Mitgliedstaaten wohl erst etwa Mitte 2012 erfolgen.
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