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DAZ aktuell
Neue Regeln zum Vererben von Betrieben
Der Großen Koalition ging es darum, in kleinen und mittelständischen Unternehmen Arbeitsplätze zu erhalten. Bei Betrieben, die zehn Jahre fortgeführt werden, entfällt die Erbschaftsteuer daher ganz, wenn die Lohnsumme im Durchschnitt beibehalten wird und das Verwaltungsvermögen nicht mehr als zehn Prozent des betrieblichen Vermögens ausmacht. Für Kleinstbetriebe gilt ein gleitender Abzugsbetrag von 150.000 Euro. Wird der Betrieb sieben Jahre gehalten und eine Lohnquote von über 650 Prozent erfüllt – dabei ist der Durchschnittswert der fünf Jahre vor dem Erbschaftsteuerfall relevant – bleiben 85 Prozent des Betriebsvermögens verschont. 15 Prozent des Betriebsvermögens müssen nach Abzug eines Freibetrags von höchstens 150.000 Euro besteuert werden. Zunächst sah der Gesetzentwurf eine Behaltensfrist von 15 Jahren vor.
Keine "Fallbeilregelung"
"Ein solches Erbschaftsteuerprivileg für die Betriebsübernahme hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben", betonte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in der Bundesratssitzung. In beiden Fällen gebe es keine "Fallbeilregelung". Das heißt, bei Verkauf oder Aufgabe des Betriebes innerhalb der gewählten Frist fallen nur anteilig Steuern an. Der Haken an der Sache ist, dass sich der Erbe im Erbfall verbindlich zwischen dem 7-Jahres-Modell und dem 10-Jahres-Modell entscheiden muss. Ein späterer Wechsel zwischen diesen Optionsmodellen ist nicht möglich. Wer sich für das 10-Jahres-Modell entscheidet, dann aber die Lohnsummengrenze unterschreitet, muss mit einer höheren Erbschaftsteuer als beim 7-Jahres-Modell rechnen.
Kernfamilie begünstigt
Bei der Vererbung von Wohneigentum unter Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern ist unabhängig vom Wert der Immobilie keine Erbschaftssteuer zu zahlen. Kinder zahlen dann keine Erbschaftsteuer, wenn die Wohnfläche 200 Quadratmeter nicht überschreitet. Dies gilt auch für Enkel, wenn deren Eltern bereits verstorben sind. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist allerdings, dass die Erben die Immobilie in den ersten zehn Jahren nach der Erbschaft nicht verkaufen, vermieten oder verpachten. Ansonsten ist die Immobilie grundsätzlich erbschaftsteuerpflichtig abzüglich der Freibeträge. Für vererbtes Geld- und Sachvermögen erhalten Ehegatten künftig einen Freibetrag von 500.000 statt 300.000 Euro und Kinder von 400.000 statt 205.000 Euro. Für Enkel erhöht sich der steuerfrei zu erbende Betrag von 51.000 auf 200.000 Euro. Keine Änderungen gibt es dagegen, wenn an Geschwister, Nichten und Neffen sowie Nichtverwandte vererbt wird.
FDP: ungerecht, kompliziert, streitanfällig
Der FDP-Fraktionsvize Carl-Ludwig Thiele bezeichnete das neue Gesetz als "ungerecht, kompliziert und streitanfällig". Es sei nur eine Frage der Zeit, wann auch dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht lande. Insbesondere sei es familienfeindlich, da es nahe Verwandte wie Geschwister und Geschwisterkinder künftig wie völlig familienfremde Personen behandle. Auch auf den Mittelstand werde das Gesetz "fatale Auswirkungen" haben, so Thiele. Weite Teile der Familienunternehmen seien von den vorgesehenen Entlastungen von vornherein ausgeschlossen.
Die Erbschaftssteuerreform wurde durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2006 notwendig. Die Karlsruher Richter hatten die unterschiedliche Besteuerung von Immobilien, Betriebs- und Kapitalvermögen als verfassungswidrig beanstandet. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben bis Ende 2008 für eine Neuregelung zu sorgen. Bundespräsident Horst Köhler muss das Gesetz nun noch rasch unterzeichnen – anderenfalls würde die Steuer zum Jahresende ganz auslaufen.
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